Jahresrückblick
Blog von Markus Luthe zur Distribution
Das Jahresende ist die Zeit der Rückblicke. Diesmal nehme auch ich am Chronisten-Ritual teil - per Blog. Denn hinter uns liegt ein besonders ereignisreiches Jahr 2015.
Der verbandliche Spannungsbogen ließe sich locker vom Bundesfinanzhof über das Bundesverfassungsgericht bis zum Bundesgerichtshof oder von Airbnb bis Zahlungssysteme spannen. Doch ich möchte mich noch ganz unter dem Eindruck der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts an die Adresse von Booking.com unmittelbar vor Weihnachten ausschließlich auf das Verhältnis der Hotellerie zu den Online-Buchungsportalen konzentrieren.
Denn da ist im Jahresverlauf einiges vorgefallen. Das Folgende scheint mir im Schnelldurchlauf besonders bemerkenswert gewesen zu sein:
Januar
Das Oberlandesgericht Düsseldorf weist die Beschwerde von HRS gegen das Verbot sämtlicher Paritätsklauseln durch das Bundeskartellamt zurück. HRS verzichtet auf eine Revision, so dass das Urteil rechtskräftig wird.
Februar
Wer jetzt erwartet hatte, dass die Compliance-Abteilungen von Booking.com und Expedia bei ihren Unternehmen einen Verzicht auf Paritätsklauseln durchsetzen, sieht sich enttäuscht: Beide Portale halten unbeirrt an ihren umfassenden Paritätsforderungen - online wie offline - fest.
In Frankreich tritt Accor der Wettbewerbsbeschwerde gegen Booking.com bei und unterstützt damit als größte europäische Hotelkette die nationalen Hotelverbände direkt im Kampf gegen die Best-Preis-Klausen der Portale.
März
Das Bundeskartellamt mahnt auch Booking.com formell ab wegen der Verwendung von Meistbegünstigungsklauseln gegenüber Hotelpartnern.
April
In einer konzertierten Aktion schließen die Kartellbehörden in Frankreich, Schweden und Italien ihre Ermittlungen gegen Booking.com gegen die Selbstverpflichtungszusage, Ratenparität von Hotels „nur noch“ in Bezug auf deren Hotelhomepages einzufordern. Wie ausgerechnet Wettbewerbsbehörden eine solche Knebelung der Hotellerie als notwendig für ein Funktionieren des Marktes und vorteilhaft für den Verbraucher erachten können, erschließt sich mir weiterhin ganz und gar nicht.
Mai
Das französische Handelsgericht in Paris erklärt in 47 verhandelten Fällen vertragliche Meistbegünstigungsklauseln von Expedia für nichtig.
Booking.com kündigt per Pressemitteilung an, seine „Verpflichtungszusagen“ ab Juli auch auf deutsche Hotelpartner anwenden zu wollen. Damit missachtet das Unternehmen die erst im März ergangene Abmahnung des Bundeskartellamtes und die einschlägige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
Juni
Um ihrerseits etwaigen kartellrechtlichen Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen vorzubeugen, widersprechen zahlreiche Hotelpartner explizit den modifizierten AGB von Booking.com. Die IHA erhält Kenntnis von mehr als 1000 solcher Widersprüche.
Juli
Expedia kündigt kurzfristig zum 1. August inhaltsgleiche Änderungen seiner AGB wie Booking.com an und gießt damit das altbekannte Paritätengitter für den Hotelier wieder in Zement.
Die französische Nationalversammlung verbietet mit dem „Loi Macron“ jedwede Ratenparitätsklauseln in Verträgen zwischen Hoteliers und Online-Buchungsportalen per Gesetz. Damit ist die noch im April erfolgte Zustimmung des französischen Kartellamts zu engen Paritätsklauseln faktisch obsolet.
August
Die Stiftung Warentest bemängelt in ihrem Portalvergleich die oft intransparenten Trefferlisten, die Rechtslage bei ausländischen Anbietern und das Bedrängen des Kunden hin zu schnellen Buchungen.
September
Auf Druck öffentlicher Berichterstattung über den Einsatz künstlicher Verknappung als Marketinginstrument formuliert HRS auf seinen deutschsprachigen Seiten fortan: „Nur noch X Zimmer bei uns verfügbar!“
Oktober
Das italienische Abgeordnetenhaus stimmt mit 434 Ja-Stimmen und nur 4 Gegenstimmen für ein gesetzliches Verbot von Ratenparitätsforderungen in Hotelverträgen. Die Abstimmung im Senat, der zweiten Parlamentskammer in Italien, steht noch aus.
November
Nach Hinweisen unserer Mitglieder kommt der Verdacht auf, ein OTA lese die Kommunikation zwischen Gast und Hotel mit, interagiere bzw. blockiere gar mitunter die Kommunikation. Die IHA reicht Beschwerde beim zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten ein, um den vermuteten Bruch des Telekommunikationsgeheimnisses aufzuklären und einer rechtlichen Würdigung zuzuführen.
Ein Mitglied berichtet, aufgrund fortgesetzter Nichtbeachtung der Ratenparität auf der Hotelhomepage von Booking.com vom Preferred Programm ausgeschlossen worden zu sein. Nach umgehender Intervention der IHA gegen das rechtswidrige Vorgehen lenkt Booking.com ein und verzichtet generell auf die Einhaltung auch der engen Ratenparität als Voraussetzung für den Preferred Partner-Status.
Dezember
HOTREC startet eine europaweite „Direkt Buchen“-Kampagne. Mit ihr unterstreicht die Branche die besonderen Vorteile des Herstellens eines direkten Kontaktes zwischen Gast und Gastgeber für beide Seiten.
Das Bundeskartellamt untersagt Booking.com die Verwendung sowohl weiter wie auch enger Paritätsklauseln in Hotelverträgen. Bis Ende Januar 2016 müssen die beanstandeten Klauseln aus AGB und Preferred Partner-Vereinbarungen entfernt sein. Die das Verfahren auslösende IHA-Beschwerde aus Herbst 2013 hat damit in vollem Umfang Erfolg.
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