Ceci n'est pas un voyage

Markus Luthe / 03.02 2025

icon min Lesezeit

icon 1 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zum Pauschalreiserecht

Auf dem Bild ist ein leeres Bett zu sehen mit dem französischen Untertitel "Ceci n'est pas un voyage." (übersetzt: Dies ist keine Reise.). Aufbau und Farbgebung des Bildes ähneln dem berühmten Bild von René Magritte "Ceci n'est pas une pipe." Es wurde generiert mit Künstlicher Intelligenz von DeepAI.
Bild: In Anlehnung an René Magrittes „Ceci n’est pas un pipe“ KI-generiert mit DeepAI

Von der Hotellerie noch weitgehend unbeachtet treiben in Brüssel die Europäischen Institutionen derzeit die Novellierung der Pauschalreiserichtlinie aus dem Jahr 2015 voran. Der Rat hat seine Position schon fixiert, im Europäischen Parlament stehen die finalen Abstimmungen vor Aufnahme der Trilogverhandlungen an. Es droht der Hotellerie ein neues bürokratisches Ungemach surrealen Ausmaßes.

Anders als der von Grund auf vermurkste Änderungsvorschlag der Europäischen Kommission aus 2023 will der Rat die sogenannten „verbundenen Reiseleistungen“ nun aus dem Geltungsbereich der Pauschalreiserichtlinie ausklammern – allerdings um einen hohen Preis. Denn der unter ungarischem Vorsitz erarbeitete Kompromissvorschlag vom 18. Dezember 2024 sieht vor, dass Hotels in ihren Buchungsprozess einen obligatorischen Aufklärungshinweis einbauen müssen, dass der Verbraucher gerade lediglich ein Hotelzimmer und keine komplette Reise samt Transport bucht (Dokument 17042/24, Seite 4). „Ceci n’est pas un voyage.“ Absurder geht’s kaum!

Auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens scheint sich der Rat also den interessegeneigten Einflüsterungen einer Minderheit von Reiseveranstaltern zu beugen und will Einzelleistungen – zumindest in diesem Punkt – dem Pauschalreiserecht unterwerfen. Für mich hat das den Anschein, als wollten einige traditionelle Reiseveranstalter der unliebsamen Konkurrenz der Online-Reisebüros einen Stolperstein in den Weg legen und den Kollateralschaden für die Anbieter von Einzelleistungen in Kauf nehmen. Vermeintlicher Verbraucherschutz als vorgeschobenes Argument, um im Wettbewerb um Marktanteile zu punkten? Das gehört sich nicht!

Ein rechtlich verbindlicher „Warnhinweis“ vor der Buchung einer Hotel-Einzelleistung ist entschieden abzulehnen. Eine solche Regelung entbehrt jeder empirischen Untermauerung. Sie wäre übergriffig und unzumutbar.

Kein Unternehmen darf ohne stichhaltige und belastbare Begründung gezwungen werden, Werbung für konkurrierende Buchungswege und Produkte zu schalten und vor der eigenen Dienstleistung zu warnen – noch dazu mit negativer Konnotation.

Wie soll zudem eine praktische Umsetzung in der Buchungsstrecke auf einer Hotelwebsite aussehen? Soll ein zusätzlicher Warnhinweis wie ein lästiger Cookie-Banner aufpoppen, der dann erst wieder weggeklickt werden muss? Muss vor Abschluss der Buchung noch ein weiterer Haken unter die üblichen Falschbehauptungen „Ich habe die AGB zur Kenntnis genommen“ oder „Ich habe die Datenschutzrichtlinie verarbeitet“ gesetzt werden des dann neuen Inhalts „Auch ich habe geschnallt, dass ich hier ein Hotelzimmer und nicht etwa eine Flugreise buche“? Sieht so moderner Verbraucherschutz aus?

Auch in der analogen Welt stünde die Hotellerie vor erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten. Denn wie soll der „Aufklärungshinweis“ bei einer telefonischen Zimmerbuchung nachweissicher platziert werden? Sollen wir uns die Bestätigung der Kenntnisnahme vielleicht beim Check-in noch auf einem amtlichen Formular per Unterschrift vom Gast bestätigen lassen? Dann melde ich jedenfalls schon heute die Pauschalreiserichtlinie pauschal als heiße Kandidatin für das Bürokratieentlastungsgesetz V an und verbitte mir im laufenden Wahlkampf allfällige Lippenbekenntnisse zum Bürokratieabbau.

Egal, welche konkrete Umsetzung im laufenden Hotelbetrieb auch gefordert sein wird, sie würde immer zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Buchung eines Hotelzimmers führen. Wenn das Hotel das Kästchen für den Belehrungshaken nicht setzt oder bei der telefonischen Zimmerbuchung das Vorlesen des Warnhinweises vergisst, wird der Beherbergungsvertrag dann schwebend unwirksam? Kann der Gast dann einfach so unter Verweis auf Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten zu jedem Zeitpunkt von der Zimmerbuchung wieder kostenfrei zurücktreten?

Eine solche Verschärfung des Reiserechts wäre selbst unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes nicht zu rechtfertigen und würde gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

 


1 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
1 Bemerkungen :

February 3 2025 2:16 pm von Stefan

Für mich ist dieser Entwurf „AHDS Bürokratisch“ das ist einfach nur noch krank.


Das darf uns als Gastgeber nicht auch noch passieren.


Ich stimme Markus voll und ganz zu.


Ein absoluter Top Punkt zur Entbürokratisierung.

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
18.02.2025 von Markus Luthe
Unter Wikingern
Frontansicht des Hotel Wikingerhof in Kropp. Ein weißes Gebäude mit blauer Beschriftung (Hotelname).

Wieder einmal zählt die Booking Holdings laut fvw-Bericht vom 11. Februar 2025 zu einem illustren Kreis von Online-Portalen, die Verbraucherschützern wegen der Verwendung von „Mondpreisen“ und „Scheinrabatten“ besonders negativ auffallen. Warum verwundert mich das bloß nicht mehr? Das irreführende Vorgehen des Unternehmens hat Methode. Schon vor zehn Jahren beklagte sich unser Mitglied Wikingerhof im schleswig-holsteinischem Kropp über eine unverschämt bis dreiste Preisaktion von Booking.com: Obwohl der Wikingerhof im Sommer 2015 überhaupt keine Preissenkung vornahm, verpasste ihm Booking.com einfach ungefragt einen „50% Rabatt“ Banner. Die Preise waren also trotz des marktschreierischen Solos des Buchungsportals gleichgeblieben und die aufgrund der nun überzogenen Erwartungshaltung der Gäste negativen Bewertungen ließen sich nicht lange auf sich warten: „Bei einem Haus Ihrer Kategorie hätten wir erwartet…“

19.01.2025 von Markus Luthe
Schlichtweg weg

Selten, ganz selten gesteht die Europäische Kommission ein, einen Fehler gemacht zu haben. Bei der von Anfang an – auch von mir – heftig kritisierten „Verordnung über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-Verordnung)“ ist das nun der Fall und die EU-Kommission macht den offiziellen Rückzieher.

03.01.2025 von Markus Luthe
1A-Bürokratie

Zum Jahreswechsel ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV und mit ihm der Wegfall der besonderen Hotelmeldepflicht für inländische Gäste in Kraft getreten. Dies soll eine jährliche Entlastung der Branche in Höhe von 62 Mio. Euro bringen. Ein wirklicher Befreiungsschlag gegen überbordende Bürokratiekosten ist das angesichts immer neuer Berichtspflichten und Auflagen sicher nicht.