Schlichtweg weg

Markus Luthe / 19.01 2025

icon min Lesezeit

icon 1 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zum Verbraucherschutz

© ClipDealer

Selten, ganz selten gesteht die Europäische Kommission ein, einen Fehler gemacht zu haben. Bei der von Anfang an – auch von mir – heftig kritisierten „Verordnung über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-Verordnung)“ ist das nun der Fall und die EU-Kommission macht den offiziellen Rückzieher.

Vor genau neun Jahren richtete die EU-Kommission eine Online-Streitbeilegungsplattform (OS-Plattform) für Verbraucher ein, die Differenzen zwischen Anbietern und Konsumenten schnell, einfach und möglichst günstig für alle Beteiligten abwickeln sollte. Alle Unternehmer, die Geschäfte über das Internet abwickeln, wurden gezwungen, einen leicht zugänglichen Link auf die OS-Plattform der EU-Kommission im Rahmen des Impressums oder jederzeit abrufbarer AGB zu setzen. Auch über das Internet abgeschlossene Beherbergungsverträge unterliegen dieser ODR-Verordnung, weshalb diese besondere Hinweispflicht vom 9. Januar 2016 auch in die Internetauftritte von Hotels eingebaut werden mussten.

Die „Zwangsschlichtung“ floppte gewaltig, wie die Europäische Kommission nun selbst mitteilte: Zwar seien jedes Jahr zwischen zwei und drei Millionen Besucher auf die OS-Plattform geleitet worden, doch nur eine Minderheit der Besucher habe eine Beschwerde eingereicht. Und von diesen wenigen Beschwerden erhielten nur 2% eine positive Antwort von Unternehmern. Insgesamt seien europaweit nur etwa 200 Fälle pro Jahr (!!) registriert worden und nur 5% der Verbraucher, die auf die Aufforderung zur Stellungnahme geantwortet hatten, nutzten letztendlich die OS-Plattform.

Das Einsehen der EU-Kommission kommt spät, aber es kommt – diesmal: „Das weitere Betreiben der OS-Plattform entspricht nicht den Grundsätzen der Effizienz und Wirksamkeit.“

Mit der Verordnung 2024/3228 zieht die Europäische Union die Konsequenzen und schaltet die Plattform für Online-Streitbeilegung am 20. Juli 2025 ab. Beschwerden können auf der OS-Plattform ab dem 20. März 2025 nicht mehr eingestellt werden.

Jetzt sind wieder die Unternehmen gefordert: Verweise auf die OS-Plattform in ihren AGB und/oder ihrem Impressum oder weiteren Stellen der Website müssen schlichtweg weg. 

Aber zu welchem Stichtag? Zum 20. März 2025, ab dem die OS-Plattform nicht mehr für neue Fälle genutzt werden kann, oder zum 20. Juli 2025, ab dem die OS-Plattform abgeschaltet wird? Das ist gar nicht einfach zu beantworten… 

Ich denke, dass die Websites wohl erst 20. Juli 2025 bereinigt werden sollten, auch wenn das aus Verbrauchersicht wenig bis keinen Sinn ergibt.

Doch das war auch schon bei Inkrafttreten der ODR-Verordnung vor neun Jahren der Fall: Die Unternehmen waren – einem Schildbürgerstreich gleich – gezwungen ab dem 9.Januar 2016 die Hinweise auf die OS-Plattform auf ihren Websites zu setzen, obwohl diese erst am 15. Februar 2016 überhaupt funktionsfähig war. Und tatsächlich flatterten prompt bei einigen Verbandsmitgliedern ab dem 10. Januar 2016 die ersten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ins Haus... 

Vorsicht ist also die Mutter der Porzellankiste!


1 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
1 Bemerkungen :

January 20 2025 2:39 pm von Renate Mitulla / DEHOGA Niedersachsen

Späte Einsicht der EU für einen sinnvollen Schritt


Endlich ein längst überfälliger Schritt! Die Abschaltung der OS-Plattform zeigt, dass Bürokratie nicht immer die beste Lösung ist. Unternehmen sollten die Anpassung ihrer eigenen Webseiten gut timen – aus Erfahrung wissen wir, dass Abmahnungen wegen des „falschen“ Zeitpunktes sonst wirklich nicht lange auf sich warten lassen. Fragt sich nur, was ist der falsche Zeitpunkt?


Fazit: Der Aufhebung einer bürokratischen Regel folgt ein bürokratischer Aufwand für die Umsetzung der Abschaffung - seufz…

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
18.02.2025 von Markus Luthe
Unter Wikingern
Frontansicht des Hotel Wikingerhof in Kropp. Ein weißes Gebäude mit blauer Beschriftung (Hotelname).

Wieder einmal zählt die Booking Holdings laut fvw-Bericht vom 11. Februar 2025 zu einem illustren Kreis von Online-Portalen, die Verbraucherschützern wegen der Verwendung von „Mondpreisen“ und „Scheinrabatten“ besonders negativ auffallen. Warum verwundert mich das bloß nicht mehr? Das irreführende Vorgehen des Unternehmens hat Methode. Schon vor zehn Jahren beklagte sich unser Mitglied Wikingerhof im schleswig-holsteinischem Kropp über eine unverschämt bis dreiste Preisaktion von Booking.com: Obwohl der Wikingerhof im Sommer 2015 überhaupt keine Preissenkung vornahm, verpasste ihm Booking.com einfach ungefragt einen „50% Rabatt“ Banner. Die Preise waren also trotz des marktschreierischen Solos des Buchungsportals gleichgeblieben und die aufgrund der nun überzogenen Erwartungshaltung der Gäste negativen Bewertungen ließen sich nicht lange auf sich warten: „Bei einem Haus Ihrer Kategorie hätten wir erwartet…“

03.02.2025 von Markus Luthe
Ceci n'est pas un voyage
Auf dem Bild ist ein leeres Bett zu sehen mit dem französischen Untertitel "Ceci n'est pas un voyage." (übersetzt: Dies ist keine Reise.). Aufbau und Farbgebung des Bildes ähneln dem berühmten Bild von René Magritte "Ceci n'est pas une pipe." Es wurde generiert mit Künstlicher Intelligenz von DeepAI.

Von der Hotellerie noch weitgehend unbeachtet treiben in Brüssel die Europäischen Institutionen derzeit die Novellierung der Pauschalreiserichtlinie aus dem Jahr 2015 voran. Der Rat hat seine Position schon fixiert, im Europäischen Parlament stehen die finalen Abstimmungen vor Aufnahme der Trilogverhandlungen an. Es droht der Hotellerie ein neues bürokratisches Ungemach surrealen Ausmaßes.

03.01.2025 von Markus Luthe
1A-Bürokratie

Zum Jahreswechsel ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV und mit ihm der Wegfall der besonderen Hotelmeldepflicht für inländische Gäste in Kraft getreten. Dies soll eine jährliche Entlastung der Branche in Höhe von 62 Mio. Euro bringen. Ein wirklicher Befreiungsschlag gegen überbordende Bürokratiekosten ist das angesichts immer neuer Berichtspflichten und Auflagen sicher nicht.