Wunschzettel
Blog von Markus Luthe zu Hotelbewertungen
„Ja, ist denn heut‘ schon wieder Weihnachten“, hat sich nicht nur der Kaiser seinerzeit gefragt - in den letzten Monaten dachten sich das auch viele Hoteliers in Deutschland. Zu Hunderten hatten sie Mails einer Agentur aus Hongkong erhalten. Deren Versprechen aus der Fälscher-Werkstatt lasen sich wie Wunschzettel-Schreiben 2.0:
„Unser Service umfasst positive Einträge in Foren, Bewertungsportalen …, sowie auf Social Media-Plattformen, die authentisch geschrieben sind und als künstliche positive Hervorhebung als solche nicht zu erkennen sind. … Unser Team ist darauf geschult, die Einträge so zu gestalten, dass diese als echte Erfahrungsberichte oder Meinung erkannt werden. Hier werden von Ihnen gemachte Vorgaben perfekt eingearbeitet. Da wir auch sämtliche Sicherheitsmaßnahmen von den Bewertungsportalen kennen ist unsere Arbeit diesen auch angepasst. Wir können garantieren, dass keine unserer künstlichen Bewertungen als solche erkannt werden. Zudem wird für jede Bewertung ein neuer Benutzername erstellt und nur einmal verwendet!“
Wir baten ein Hotel, sich zum Schein auf das unmoralische Angebot einzugehen, um Näheres zu erfahren. Der individuelle Service wurde daraufhin wie folgt präzisiert:
- „Positive Bewertungen sowie umfangreiche und authentisch geschriebene Reiseberichte bei den Bewertungsportalen ..., wobei Sie vorgeben, in welchen Portalen Sie die Bewertungen wünschen. Sollte ein gewünschtes Portal nicht aufgelistet sein, so schreiben Sie uns einfach, welches Sie gerne nutzen möchten. Wir richten uns komplett nach Ihren Vorgaben.
- Zudem können Sie uns vorgeben, was Sie gern als besonders herausgestellt bewertet haben möchten. Auf bei Ihnen schon vorhandene negative Bewertungen können wir auf Ihren Wunsch auch mit entsprechenden positiven Bewertungen entgegenwirken. Was wir so auch empfehlen.
- Wenn die Möglichkeit Ihrerseits besteht, so stellen Sie uns Fotomaterial Ihrer Zimmer, evtl. Buffets, einigen sogenannten „Selfies“ von Ihren Menüs, Hotelumgebung, Lobby, usw. Diese Fotos, aber am besten mit einer Handy-Kamera amateurhaft fotografiert. Wir werden diese dann dementsprechend einarbeiten, aber auch hier: wir verwenden jedes Foto nur einmal. Diese Möglichkeit ist kein Muss, aber wenn Sie dies wünschen, arbeiten wir dies auch mit ein.
- Unser Team ist so gut geschult, dass kein Außenstehender erkennen kann, dass diese Bewertungen künstlich erstellt wurden. Bei keinem unserer Kunden wurde das von potentiellen Kunden bis jetzt bemerkt. Wir arbeiten auf höchstem qualitativem Niveau.
- Die Bewertungen werden verteilt in einem Mindest-Zeitraum von 6 Wochen je nach Paketgröße bei dem von Ihnen vorgegebenen Reiseportalen erstellt. Dadurch steigt nicht nur Ihr Ruf, sondern auch Ihr Rang bei den jeweiligen Reiseportalen. Wenn ein potentieller Kunde nach einem Hotel sucht in Ihrer Nähe, so wird ihr Hotel durch unseren Service auch höher positioniert angezeigt, da die Weiterempfehlungsrate dementsprechend höher ist!“
Und was sollte der Betrug kosten? Das Angebot umfasste Pakete, die je nach Anzahl gefälschter Bewertungen zwischen 11,- und 15,- Euro pro „Erfahrungsbericht“ zu buchen waren. Schöne Bescherung!
So kalt und dreist hatte noch keine Fälscher-Werkstatt unserer Kenntnis nach in der deutschen Hotellerie seine Machenschaften angeboten. Wir haben uns dann wie schon öfter mit HolidayCheck als größtem Bewertungsportal im deutschen Markt kurzgeschlossen und ein weiteres gemeinsames Vorgehen abgestimmt. Die Spezialisten von HolidayCheck sind diesen Betrügern kriminalistisch schon seit längerem auf der Spur und haben schon diverse Server stilllegen lassen können.
Aber was können alle Beteiligten tun, um ein solches Hase-und-Igel-Rennen um Fake-Bewertungen in der Zukunft besser zu unterbinden? Über unseren europäischen Dachverband HOTREC haben wir Benchmarks gegen Online-Manipulationen vorgelegt, die professionelle, dem Geschäftsumfang angemessene Gegenmaßnahmen von Bewertungsportalen verlangen. Hier erwarten wir uns klare Commitments aller relevanten Portale, wie beispielsweise von HolidayCheck über die Durchsetzung eines Code of Conduct mit entsprechenden Maßnahmen.
Zwischenzeitlich sieht sich auch die Politik zur Intervention aufgefordert. So startete die 10. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16. Mai 2014 in Rostock „mit überragender Mehrheit“ eine Gesetzgebungsinitiative zur verbraucherfreundlichen Gestaltung von Hotelbewertungsportalen. Der Beschluss der Verbraucherschutzminister der Länder sieht unter anderem vor, „dass einheitliche Qualitätsstandards für alle auf dem deutschen Markt auftretenden Hotelbewertungs- und Hotelvermittlungsportale formuliert werden sollen, einschließlich Mindestkriterien im Hinblick auf das Bewertungsverfahren, die Darstellung der Ergebnisse, Datenschutz für Bewerter und Bewertete sowie den Schutz für gefälschten Bewertungen. Darüber hinaus werden einheitliche Standards für alle im europäischen Raum genutzten Bewertungsportale angestrebt.“
Der gleiche Tenor herrschte auch bei der Jahrestagung des SPD-Themenforums Verbraucherpolitik am 18. Oktober 2014 im Willy-Brandt-Haus vor. Dort wurde ein entsprechender Antrag an den SPD-Bundesparteitag zu mehr Datenschutz und mehr Schutz vor gefälschten Bewertungen auf den Weg gebracht.
Ich bleibe skeptisch, ob mehr Gesetze weniger Bewertung-Fakes bringen werden. Betrug ist Betrug und steht auch heute schon unter Strafe.
Hier sehe ich eindeutig eher die Marktteilnehmer in der Verantwortung als den Gesetzgeber, gemeinsam wirksame Spielregeln zu formulieren. Und das eher international als national. So unterstützen wir ausdrücklich das 28./29. Oktober 2014 in Paris gestartete internationale Normungsprojekt
ISO TC 290 „Online Reputation“0 Kommentare
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