Über das Pilotprojekt hinaus: Von KI-Experimenten zur Transformation von Hotels

Gast Author / 28.10 2025

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Gastblogpost* von Prof. Roland Schegg

KI-generiertes Bild: Prof. Roland Schegg, HES-SO Valais-Wallis

* Prof. Roland Schegg forscht an der HES-SO Vallis-Wallais in der Schweiz. Der Hotelverband unterstützt seine Forschung zu Distribution, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz durch gegenseitigen Wissensaustausch und Zugang zu unserem Netzwerk in der deutschen Hotellerie. 

Die Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) in unserer Branche hat sich von der Frage des Ob auf die des Wie verlagert. Unsere aktuelle Studie, die auf einer Umfrage bei 80 Hotels im Sommer 2025 basiert, bestätigt diese Dynamik: Über 70% der Befragten halten KI für den Erfolg ihres Hotels innerhalb der nächsten zwei Jahre für wichtig.

Allerdings besteht eine klare und signifikante Lücke zwischen dem Bewusstsein für KI und der formalen strategischen Umsetzung. Während fast 40% von Ihnen KI im Rahmen breiterer Digitalisierungsbemühungen diskutieren, hat nur eine kleine Minderheit (9%) diese Themen in einem formalen Strategiedokument verankert. Diese Trägheit schafft eine KI-"Experimentierfalle".

Die Gefahr zerstreuter Pilotprojekte

Die Mehrheit der Hotels agiert derzeit im experimentellen oder reaktiven Modus. Wir stellten fest, dass 35% der Hotels KI-Tools fallweise testen, ohne eine übergreifende Strategie zu verfolgen, während 31% lediglich Trends folgen, jedoch ohne klare Zielsetzungen. Dieser opportunistische Ansatz, obwohl er Innovationsbereitschaft zeigt, birgt erhebliche Risiken.

Globale Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass dieser Fokus auf zerstreute Pilotprojekte eine Falle darstellt, die dazu führt, dass 95% der Investitionen in generative KI-Pilotprojekte null messbaren Ertrag erbringen. Bei Hoteliers ist dieses Scheitern oft nicht auf mangelnden Willen zurückzuführen, sondern vielmehr auf strukturelle Mängel: geringes Vertrauen in die Datenqualität, begrenzte technische Expertise und Schwierigkeiten bei der korrekten Bewertung potenzieller Anbieter.

Bemühungen zur Ausweitung des KI-Einsatzes werden hauptsächlich durch strukturelle und wissensbasierte Barrieren behindert, darunter ein Mangel an Zeit und Budget, begrenzte technische Expertise und die Schwierigkeit, geeignete KI-Anbieter zu bewerten. Darüber hinaus besteht weiterhin eine erhebliche Lücke hinsichtlich des Vertrauens in die Datenqualität und der Fähigkeit, den Return on Investment (ROI) von KI-Lösungen zu bewerten.

KI neu definieren: Von kosmetischen Tools zu zentralem Mehrwert

Um vom sporadischen Testen zu einer strukturierten, wertorientierten Integration überzugehen, müssen Hoteliers ihren Fokus grundlegend von den technologischen Ergebnissen auf den messbaren Geschäftswert verlagern. Sie sollten KI-Investitionen darauf ausrichten, zentrale betriebliche Reibungsverluste zu beseitigen, die von den Mitarbeitern identifiziert wurden.

Hotels priorisieren bereits den Einsatz von KI zur Lösung wichtiger betrieblicher Schwachstellen:

  • Administrativer Arbeitsaufwand (die größte Schwachstelle), insbesondere in Bereichen wie Buchhaltung oder Buchungsmanagement.

  • Kommunikationsüberlastung über mehrere Kanäle hinweg (E-Mails, Messaging-Apps), wobei KI den Informationsfluss straffen kann.

  • Revenue Management und Forecasting, weg von Tabellenkalkulationen hin zu prädiktiver KI zur Optimierung.

Diese Back-Office-Effizienzen sind genau dort, wo das höchste ROI-Potenzial oft liegt. Hotels müssen sich dem gängigen Investitions-Bias widersetzen, der sichtbare Front-Office-Tools (wie Vertrieb und Marketing) gegenüber den weniger sichtbaren, aber hochgradig transformativen Back-Office-Funktionen bevorzugt.

Ihr Aktionsplan für die strategische KI-Einführung

Der Weg nach vorne erfordert eine strategische, wertorientierte KI-Integration und einen gezielten Kapazitätsaufbau.

  1. Suchen Sie vertrauenswürdige, neutrale Beratung: Hoteliers zeigen eine klare Nachfrage nach externer Unterstützung, insbesondere nach Best Practices, anbieterneutralen Leitfäden und Schulungsprogrammen. Intermediäre, wie Verbände und DMOs, können eine kritische Rolle als Wissensvermittler und Lernförderer spielen.

  2. Priorisieren Sie lernfähige Systeme: Angesichts von Zeit- und Budgetbeschränkungen sollten kleine und mittlere Betriebe komplexe interne Entwicklungen vermeiden. Priorisieren Sie stattdessen Partnerschaften mit vertrauenswürdigen Anbietern, die tiefgreifend angepasste, lernfähige Systeme anbieten, die sich in bestehende Arbeitsabläufe integrieren, Kontext behalten (Gedächtnis) und sich im Laufe der Zeit verbessern.

  3. Pflegen Sie visionäre Führung: Der Übergang von zerstreuten Pilotprojekten erfordert, dass Führungskräfte ein „Alien Mindset“ annehmen, das Nützlichkeit und kontinuierliche Anpassung über statische, starre KPIs stellt. Führungskräfte müssen Experimente in einem klaren Geschäftsziel verankern und KI mit einer Transformation verknüpfen, die sowohl für Gäste als auch für Mitarbeiter einen echten Mehrwert schafft.

Die Branche benötigt Anleitung, Kapazitäten und vertrauenswürdige Partnerschaften, um vom zerstreuten Experimentieren zur strukturierten Einführung überzugehen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich dieser Transformation zu widmen.

 


1 Kommentare
1 Bemerkungen :

October 29 2025 4:07 pm von Claudia Beck / GIATA

Ich kann die Hotels gut verstehen – derzeit wird die Branche von KI-Anwendungen rund um alle Abläufe im Hotel regelrecht überschwemmt. Da ist es nachvollziehbar, dass sich Prioritäten verschieben.
Alle KI-Prozesse, die während des Aufenthalts greifen – von der Prozessoptimierung bis zur Gästekommunikation – sind wirklich wichtig. Aber all das nützt wenig, wenn Gäste das Hotel nicht finden oder gar nicht erst buchen. Genau dieser Teil der Customer Journey steht meines Erachtens vor der größten Umwälzung: die Suche nach dem Hotel selbst.
Die Rolle der OTAs wird sich massiv verändern, und Hotels müssen sicherstellen, dass sie in der neuen, KI-getriebenen Welt sichtbar und auffindbar bleiben. Das gelingt nur mit einer gesunden, strukturierten und maschinenlesbaren Datenbasis, die allen Systemen zur Verfügung steht.
Denn was bringen die besten KI-Prozesse im Haus, wenn der digitale Weg zum Hotel nicht gefunden wird? Sichtbarkeit ist – gerade jetzt – die Grundlage für alles Weitere.
(Und ja – genau hier setzen wir mit GIATA DRIVE an.)

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