* Unser Gastautor ist Co-Gründer von Coffee, Brownies & Downies in Oberursel. Nach seiner Ausbildung im Hotelfach war er zunächst in der internationalen Luxushotellerie und Restauration tätig. Er arbeitete für Relais & Châteaux in der Restaurantleitung in Irland, den USA und anschließend noch als Sommelier in der Karibik. Nach einem BWL-Studium baute er die Hotel- und Immobilienberatung bei KPMG in Frankfurt auf. Zuletzt war er CEO für Central and Northern Europe bei der B&B HOTELS Group und Mitglied des Vorstands des Hotelverbandes Deutschland (IHA).
Gastronomie ist meine Leidenschaft und Inklusion durch meinen familiären Hintergrund ein Herzensanliegen von mir. Aus diesem Grund habe ich mich nach meinem Rückzug als CEO bei der B&B HOTELS Group einem ganz besonderen Projekt verschrieben: Mit meinem Co-Gründer Roland Braza bin ich angetreten, ein Inklusionsprojekt in der freien Wirtschaft zu etablieren und gelebte Teilhabe in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Denn in der Privatwirtschaft findet Inklusion fast gar nicht statt.
Wir haben mit Coffee, Brownies & Downies am Standort Oberursel ein hochwertiges, franchisefähiges Cafe- und Tagesbarkonzept gegründet. Der Name ist Programm und unser bewusstes Statement für gelebte Inklusion. Durch konsequentes Leben unserer Werte, durch eine werte- und leistungsorientierte Betriebsphilosophie, optimierte Prozesse, sehr gute technische Systeme, stets partnerschaftlichem Denken und Handeln, wollen wir die Menschen finden und binden, die bei uns glücklich sein werden. Mitarbeiter, Gäste und Partner.
Auf unserem bisherigen Weg haben wir eine Menge spezifische Inklusionserfahrungen mit Förderprogrammen, Werkstätten, Institutionen und sehr, sehr viel Bürokratie sammeln dürfen. Vor dem aktuellen Hintergrund der laufenden Beratungen zur Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGGÄndG) will ich diese öffentlich aus der Sicht eines privatwirtschaftlichen Unternehmers einbringen und Vorschläge zur Diskussion unterbreiten.
Dies sind meine „vier B’s“ zum Abbau von Beschäftigungsbarrieren: Bündelung, Bereitschaft, Beschleunigung und Bürokratieabbau:
I. Bündelung von Förderleistungen bei einer Stelle und Schaffung eines zentralen Ansprechpartners (z.B. für jeden schwerbehinderten Menschen, für jedes Inklusionsprojekt umfänglich) mit klaren und festen Förderzusagen sowie einer Vereinheitlichung der Förderleistungen.
Derzeit gibt es unterschiedliche Fördertöpfe und Zuständigkeiten für Personalkostenförderungen, selbst Mitarbeiter im System verstehen die Summe der Förderprogramme von Landeswohlfahrtsverbänden, Integrationsämtern, Werkstätten, Integrationsfachdiensten etc. nicht. Ebenso benötigen Privatwirtschaftler schnell feste und verbindliche Förderzusagen. „Fördermanager“ könnten Abhilfe schaffen.
Für Inklusionsprojekte in der freien Wirtschaft wird ein zentraler Ansprechpartner im „Inklusionsfördersystem“ benötigt, welcher zu allen relevanten Themen auskunftsfähig ist (u.a. Investitionskostenförderung, Personalkostenförderung, Ablauf der Förderungen, HePAS - Hessisches Perspektivprogramm zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen).
Es bestehen innerhalb einzelner Bundesländer und bundesweit unterschiedlichste und häufig intransparente Fördertöpfe, selbst Mitarbeiter im Fördersystem kennen sich kaum damit aus. Es werden u.a. je Fördertopf für sachgleiche Themen unverständlicherweise unterschiedliche Förderhöhen relevant. Die Förderlandschaft muss daher bundeseinheitlich gestaltet werden, da Privatwirtschaftler z.T. deutschlandweit agieren (wollen), die Förderlandschaft (u.a. Förderhöhen, Ansprechpartner und involvierte Beteiligte) aber je Bundesland sehr verschieden ist.
II. Bereitschaft zur Einstellung von Mitarbeitern mit Schwerbehinderung: Statt der Schaffung eines Arbeitsverhältnisses bei einem privatwirtschaftlichen Arbeitgeber wäre vielfach der Verbleib des Mitarbeiters mit Schwerbehinderung zu gleichen Förderhöhen bei der Werkstatt die personal-juristisch bessere Option. Von der Idee her ist der „deutsche Weg“ ethisch-moralisch richtig, aber es ist eben auch hinlänglich sichtbar, dass er nicht zur Inklusion in der freien Wirtschaft führt. Folglich müssen wir umdenken. Es geht vielen Menschen mit Beeinträchtigung um eine faktische Teilhabe am Arbeitsleben, die personal-juristische Teilhabe am Arbeitsleben spielt weniger eine Rolle. Im Ausland wird dies schon praktiziert und es funktioniert sehr gut.
Das Risiko für den Menschen mit Schwerbehinderung, dass bei einem Wechsel in den 1. Arbeitsmarkt Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente verloren gehen, würde entfallen.
Die Bereitschaft bei privaten Arbeitgebern, Arbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung zu schaffen, würde sich erhöhen, da der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte als gravierendes wirtschaftliches Risiko für Privatwirtschaftler nicht greifen würde.
III. Beschleunigung von Investitionskostenförderungszusagen bei Schaffung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte sowie Berücksichtigung aller relevanter Kosten.
Verbindliche Förderzusagen für Projekte werden oftmals erst Monate nach deren Beantragung erteilt. Solche existenzgefährdenden Risiken können Privatwirtschaftler in der Regel nicht eingehen (z.B. erforderlicher zeitnaher Abschluss eines Mietvertrags für eine geeignete Fläche und damit einhergehende Investitionskosten für Umbau etc. versus verbindlicher Förderzusagen, die mitunter erst bis zu 10 Monate später vorliegen, nachdem alle Investitionen bereits getätigt werden mussten).
Manche Kosten, wie z.B. Innenarchitekturkosten, sind unverständlicherweise nicht förderfähig, was jedoch gerade bei der Planung einer Inklusionsküche unerlässlich ist.
Zudem ist ein strenges Ausschreiben von geförderten Investitionsprojekten für Kleinstunternehmer und viele kleine Mittelständler faktisch nicht möglich.
IV. Abbau von Bürokratie: Bei den meisten Programmen, wie Investitionskostenförderungen, Lohnkostenförderungen, HePAS etc., gibt es zahlreiche vermeidbare Bürokratiehürden.
Förderungen sind extrem zeitintensiv, viele Themen doppeln sich und sind zudem wenig digital. Als Beispiele sind Tabellen für Förderung des Besonderen Aufwands, umfangreiche Ausschreiben von Investitionskosten etc. zu benennen.
Anpassung von Auswertungs- und Verwaltungserfordernissen der öffentlichen Hand auf marktübliche Standarddokumente, wie Lohnabrechnungen, BWAs von Steuerberatern etc., statt der Erstellung gänzlich neuer, spezifischer Reportingvorlagen.
Umfangreiche Reduzierung von Ausschreibungserfordernissen auf übliche Preisvergleiche.
Bereitstellung einfacher, digitaler Ausschreibungs- und Dokumentations-vorlagen für Antragssteller.
Ein solcher Abbau von Beschäftigungsbarrieren für den 1. Arbeitsmarkt könnte meiner Erfahrung nach das gemeinsame, wirtschaftlich orientierte Arbeiten von Menschen mit und ohne Handicap auf ein ganz neues Level heben! Leider zeigt sich aber in der Praxis, dass „typisch deutsch“ viele grundsätzliche Themen eine mögliche Veränderung blockieren. Datenschutz spricht gegen das Abstellen auf branchenübliche Dokumente zum Bürokratieabbau, das föderale System mit unterschiedlichsten Regelungen je Bundesland und bundesweit behindert das Vereinheitlichen und Beschleunigen von Themen. Wir müssen ans „Eingemachte“, sonst wird das nichts!
December 15 2025 10:23 am von Sybille Erbach
Mit den beiden bestehenden Hürden wird Inklusion eindeutig eher verhindert denn gefördert.
Ein Umdenken und Umhandeln bei der Gesetzgebung ist dringend erforderlich. Nur so haben beeinträchtigte Menschen eine Chance, Teil unserer Gesellschaft zu sein und nicht ausgegrenzt.
Ganz toller Job, Max Luscher und Roland Braza. Euer Einsatz gibt einen Funken Hoffnung am Horizont.
Herzlichen Dank euch!!!
December 15 2025 10:41 am von Otto Lindner / Hotelverband Deutschland
jeder Deiner Vorträge zu dem Thema Inklusion und wie wir Menschen mit Einschränkungen in den 1. Arbeitsmarkt integrieren können ist eine Offenbarung. Anstatt Betroffenheit zu perfektionieren zeigst Du uns, wie es besser klappt und wir nicht nur unsere Gesellschaft öffnen, sondern auch wirtschaftlich mit dieser Herausforderung umgehen können.
Mich hast Du getriggert, lass uns sprechen 👍
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