Parity Stalking

Markus Luthe / 28.10 2013

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Blog von Markus Luthe zur Distribution

Eine partnerschaftliche Arbeitsteilung im Vertrieb macht für Hotels wie Buchungsportale viel Sinn. Die Portale gewinnen aufgrund ihrer Reichweite Gäste in Märkten, die das Hotel allein niemals zu vertretbaren Kosten bearbeiten könnte. Insofern stimme ich Katja Stefanis lesenswerter Ursachenanalyse für die Marketing Börse und ihrem Aufruf zur Rückbesinnung auf eine Win-Win-(Win-)Strategie ausdrücklich zu.

Doch aufgrund ihrer Marktdominanz diktieren mittlerweile die Buchungsportale die Konditionen der Zusammenarbeit extrem einseitig und wenden zunehmend unfaire Praktiken in der täglichen Zusammenarbeit an. So sehen sich Hoteliers immer wieder mit Anrufen und Mails der Buchungsportale mitunter im täglichen Rhythmus konfrontiert, die mal verklausuliert, mal ultimativ formuliert bessere Zimmerpreise, mehr Verfügbarkeiten oder generell bessere Konditionen vom Hotelpartner einfordern.

Die folgenden Beispiele mögen dies illustrieren, die allesamt von den drei großen Portalbetreibern stammen und uns im laufenden Monat Oktober seitens unserer Mitglieder vorgelegt worden sind:

  • Hinweis eines Portals an einen Hotelpartner: „Wenn Sie diese (Anm.: die aktuelle Kommissionsrate) anpassen, können Sie im Anschluss die Auswirkung auf Ihr Ranking sehen. … Stellen Sie so viele Verfügbarkeiten wie möglich ein, vor allem zu Zeiten hoher Nachfrage. Stellen Sie Ratenparität mit der größten Konkurrenz sicher.“
     
  • Mit Änderungen der Verkaufs-Tools belohnt ein Portal allen rechtlichen Bedenken zum Trotz offensiv die Partner, die auf dem Portal den günstigsten Preis anbieten: „Zum Beispiel profitieren Hotels, die den Kunden konsequent wettbewerbsfähige Preise und Verfügbarkeiten anbieten, von einer verbesserten Platzierung in den Sucherergebnissen. Kurz gesagt, die Verbesserung von einer 30er Platzierung in eine 10er Platzierung kann den Hotelgewinn verdoppeln.“
     
  • Ein Portal rundet bei prozentualen Rabatten neuerdings von sich aus die Preise ab, bzw. die Rabattbeträge auf, um sich einen kleinen, aber vielleicht entscheidenden Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern zu verschaffen. Beispiel: Das Hotel hat eine Standardrate von EUR 115,00 und gewährt einen Rabatt von 5%. Die EDV des Hotels berechnet den exakten Rabattbetrag von EUR 5,75, doch das Portal rundet auf EUR 5,80. Der Endpreis beim Portal beträgt somit bei EUR 109,20, im Hotelsystem bei EUR 109,25. Die Differenz liegt zwar „nur“ im Cent-Bereich, doch das Hotel muss nun ggf. jede Rechnung mit Portal-Rabatt manuell korrigieren.
     
  • Ein Portal spricht – übrigens auffallend oft gegen kleinere Hotels – ohne Vorwarnung und ohne Nennung von Gründen Kündigungen aus. Aus Sicht der betroffenen Hoteliers war aufgrund vorheriger Korrespondenz indes klar, dass die Nichtbeachtung der Ratenparität der eigentliche Kündigungsgrund war. Erst aufgrund Intervention des Hotelverbandes werden sämtliche Kündigungen „zurückgenommen“.
     
  • Im Zuge der SEPA-Umstellung der Lastschriftmandate schreibt ein Portal seine Hotelpartner an und fordert sie wie nebenbei auch zum Abschluss von Verlängerungsverträgen auf. In diesen Verlängerungsverträgen sollen Hoteliers dann die geltenden AGB des jeweiligen Buchungsportals als Vertragsgegenstand akzeptieren, darin „untergejubelt“: ein lückenloses Paritätengitter.
     
  • À propos SEPA: Die Portale versenden derzeit Informationsschreiben an ihre Hotelpartner, in denen auf die SEPA-Umstellung hingewiesen wurde. Dabei verwenden die einen ein Autorisierungsformular für eine SEPA-Firmenlastschrift, bei der eine Rückgabe durch das Hotel nach Einlösung nicht mehr möglich ist. Die anderen versenden ein Formular für die Erteilung einer SEPA-Basislastschrift, bei der eine Rückgabe durch das Hotel ohne Angabe von Gründen noch binnen 8 Wochen nach Einlösung möglich ist.
     
  • Ein Portal verändert eigenmächtig und ohne Vorankündigung die Storno- und Vorausbuchungsbedingungen für einen Frühbuchertarif des Hotels dergestalt, dass die Stornofrist ab einem Tag und länger von 18.00 Uhr auf 23.59 Uhr angepasst wurde. Was auf Nachfrage beim Portal der „klareren Kommunikation gegenüber den Kunden“ dienen soll, führt in der Praxis erst einmal zu günstigeren Preiskonditionen beim Portal im Vergleich zur Hotelhomepage.
     
  • Ein Portal erhebt Anspruch auf eine Kommissionierung des Frühstücks selbst dann, wenn der Gast eine Room only-Rate bucht. Man habe durch nachgelagerte Befragungen von Gästen ermittelt, dass dann vielfach doch ein Frühstück im Hotel eingenommen werde. Daraufhin habe das Portal nun die Prozessroutine umgestellt und verrechne nun automatisch ein Frühstück bei der Kommissionsermittlung.
     
  • Portale unterlaufen ihrerseits die von ihnen selbst verlangte Ratenparität, indem sie vermehrt Gutscheine zur Einlösung im Hotel ausgeben. Man könnte das auch als Abwerbung statt Werbung bezeichnen. Nebenbei trägt das Hotel für die Abwicklung der aufgespaltenen Rechnung zusätzlich auch noch den administrativen Mehraufwand.
     
  • Ein Portal kündigt Mitte Oktober per Fax und Newsletter gegenüber Hotels an, die für 2013 eingestellten Jahresraten einfach als Grundeinstellung für das Jahr 2014 für einige Zimmer frei zu schalten. Obwohl betroffene Hotels für 2014 selbst noch gar keine Raten und Verfügbarkeiten eingestellt hatten, wurden so im Ergebnis schon Reservierungen für das nächste Jahr zu den Standardraten von 2013 durchgeführt. Betroffen sind selbst Messezeiten oder andere Zeiträume, in denen die Hoteliers höhere Zimmerpreise am Markt durchsetzen könnten.
     
  • E-Mail eines Portals: „Besonders im Rahmen der Preferred Partnerschaft setzen wir eine durchgehende Raten- und Verfügbarkeitsparität in allen online buchbaren Zimmerkategorien voraus. Um diesem Kriterium zu entsprechen, möchten wir gerne die Zimmerkategorie XY auf unserem Portal anbieten, um Sie weiterhin als Preferred Partner … zu listen.“


So wie die Portale den Hotelpartnern ihre Paritätsforderungen aufdrängen und ihnen in der täglichen Betriebspraxis nachstellen, kann man schon von einem veritablen „Parity Stalking“ reden.

Um es klar zu sagen: Die allermeisten der oben genannten Praktiken sind nach unserer Auffassung rechtswidrig und rechtsmissbräuchlich. Wir werden uns auch zukünftig hiergegen gerichtlich und außergerichtlich im Interesse unserer Mitglieder wehren!

Falls Sie gleiche oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben, können Sie uns diese gerne öffentlich über die Kommentarfunktion dieses Blogs oder auch vertraulich per Mail an hinweis(at)hotellerie.de mitteilen.

 


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
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