Blog von Markus Luthe zum DIHK vom 7. Juli 2008
Das Gastgewerbe in Deutschland erhält durch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im Moment alles andere als Unterstützung bei einem seiner Hauptanliegen – Friendly Fire wäre wohl die treffendere Beschreibung des Kammervorstoßes. Was ist geschehen?
Die EU-Kommission hat Ende Juni einen Small Business Act unter dem Titel „Vorfahrt für KMU in Europa – Think small first“ vorgelegt. Der ambitionierte Maßnahmenkatalog enthält unter anderem den Vorschlag, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu bieten, für lokal erbrachte Dienstleistungen wie Restaurantbesuche ermäßigte Mehrwertsteuersätze zu erheben.
Am vergangenen Donnerstag erhob der DIHK in seinem Newsletter 26 den Small Business Act zur Nagelprobe für die europäische Mittelstandspolitik und zu seinem Thema der Woche. Er teilte die federführend vom deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen vorgeschlagenen 92 Maßnahmen in die Kategorien „wichtig“, „richtig“, „fragwürdig“, „gut“ und „schlecht“ ein. In Letzterer schreibt der DIHK wörtlich: „Die geplanten reduzierten Mehrwertsteuersätze für regional angebotene arbeitsintensive Dienstleistungen lehnt der DIHK ab. Wettbewerbsverzerrungen, verringerte Innovationsanreize, neue Bürokratie infolge von Abgrenzungsproblemen und vor allem Steuererhöhungen an anderer Stelle wären die Folge.“
Dabei schiebt der DIHK die Tatsache, dass bereits 22 von 27 EU-Mitgliedern der Hotellerie und 11 von 27 auch der Gastronomie bereits heute die Anwendung reduzierter Mehrwertsteuersätze ermöglichen, einfach beiseite und verkündigt die vermeintlich reine Lehre der Volkwirtschaftstheorie. Er ist nicht nur industrie-, sondern auch arbeitsmarktpolitisch schlecht beraten. Und er trifft eine Branche ins Mark, die unter der großkoalitionären Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte leidet wie kaum eine Zweite.
Das wirft zwangsläufig die Frage auf, ob der DIHK seinen Pflichtmitgliedern aus Reihen des Gastgewerbes so in den Rücken fallen darf? Auf der Homepage verkündet der DIHK selbstbewusst, dass die IHK-Organisation „i m Unterschied zu anderen Organisationen der Wirtschaft, besonders den Branchenverbänden, das wirtschaftliche Gesamtinteresse auf der Grundlage einer breiten Unternehmerschaft repräsentiert.“ 3,6 Millionen gewerbliche Unternehmen seien gesetzliche Mitglieder der IHKs. Das mache die IHK-Organisation unabhängig von Einzelinteressen und schaffe ein besonderes Gewicht gegenüber politischen Instanzen…
Doch ist, was legal ist, auch legitim?
Wenn Hotellerie und Gastronomie in Deutschland eine andere wirtschaftspolitische Positionierung „ihrer“ Kammern herbeiführen und Rückenwind für ihre berechtigten Ziele organisieren wollen, bleibt nur der Weg über das Engagement in den Vollversammlungen und Gremien der 80 regionalen Industrie- und Handelskammern. Dann könnte der Small Business Act vielleicht auch zu einer Nagelprobe für das Kammerwesen in Deutschland werden.
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