Gelbe Karten
Blogpost von Markus Luthe zur Online-Distribution
Mehr als zehn Jahre haben wir über HOTREC darauf gedrängt, dass die Europäische Kommission ein genaueres Auge auf das Marktgebaren der Online-Buchungsportale wirft. Jetzt hat die EU-Kommission endlich reagiert und gleich zwei Regulierungsvorschläge vorgelegt: Am 11. April den „New Deal for Consumers“ [COM/2018/0184 final] und am 26. April die „Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten („P2B-VO“) [COM (2018) 238]. Beide Gesetzesinitiativen sollen für mehr Fairness und Transparenz von Buchungs- und Vergleichsportalen z.B. bei den Rankingkriterien und der Produktdarstellung sorgen.
Wir hoffen sehr, dass den beiden Regulierungsvorschlägen bei den jetzt anstehenden Beratungen nicht noch alle scharfen Zähne gezogen werden und das Gesetzgebungsverfahren auch vor der Europawahl am 26. Mai 2019 in trockene Tücher gebracht werden kann.
Wie bitter notwendig ein Nachjustieren des Wettbewerbsrechts in Zeiten der Digitalisierung ist, möchte ich an einem Beispiel kaum fassbarer Dreistigkeit belegen, bei dem nicht nur gültiges Recht, sondern die Rechtsprechung dazu gleich mit vorgeführt wird.
Im Jahr 2012 machte uns ein niedersächsischer Hotelier darauf aufmerksam, dass die Deutsche Telekom Medien GmbH als Verlegerin von „Das Örtliche“ und der „Gelben Seiten“ sich eine Gelbe Karte für ein wettbewerbsrechtliches Foulspiel mehr als verdient habe. Denn wenn der Internetnutzer aus der vom Hotel bezahlten Online-Anzeige heraus auf den Button „online buchen“ bzw. „Hotelbuchung“ klickte, gelangte er nicht auf eine hoteleigene Direktbuchungsstrecke, sondern landete beim Hotelangebot von HRS. Hiergegen wandte sich der Hotelverband und schaltete die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ein. Das Landgericht Frankfurt hat daraufhin mit Urteil vom 20. Februar 2013 (Az.: 3-08 O 197/12) der Deutsche Telekom Medien GmbH untersagt, auf das Drittportal zu verlinken.
In den Entscheidungsgründen führte das LG Frankfurt aus, dass eine Weiterleitung von den Internetseiten „dasoertliche.de“ und „gelbeseiten.de“ auf das HRS-Buchungsportal irreführend sei. Denn der Hoteleintrag auf diesen Seiten richte sich gerade an Internetnutzer, die auf der unmittelbaren Suche nach einem Hotel in der jeweiligen Stadt seien. Der Verbraucher gehe davon aus, auf diesen Seiten nicht nur die angegebene Telefonnummer, Anschrift und Internetadresse des gesuchten Hotels, sondern auch einen direkten Link zur Buchung im Hotel und nicht zum Buchungsportal eines Maklers zu finden. Für das LG Frankfurt „sieht der Verbraucher den direkten Kontakt zum Leistungserbringer als Vorteil an“ (sic!).
Doch diese erste Gelbe Karte zeigte nicht die erhoffte Wirkung: Wir mussten schon sehr staunen, als uns die Kolleginnen und Kollegen vom DEHOGA Niedersachsen 2017, also vier Jahre später, darauf aufmerksam machten, dass die Deutsche Tele Medien GmbH das Gerichtsurteil wohl ignoriere und wieder (oder noch immer?) aus dem Hoteleintrag heraus auf ein Online-Buchungsportal verlinke, diesmal auf Booking.com. Wir machten den Test mit Hotels aus mehreren Bundesländern und entdeckten, dass die Gelben Seiten tatsächlich immer noch wahlweise auf HRS oder Booking.com aus den Online-Anzeigen der Hotels heraus verlinkten.
Am besten verschaffen Sie sich selbst einen Überblick und checken den Eintrag Ihres Hauses einmal auf dasoertliche.de und gelbeseiten.de.
Wir hielten es für angezeigt, der ersten Gelben Karte nun die Gelb-Rote folgen zu lassen und schalteten erneut die Wettbewerbszentrale ein, um dem fortgesetzten Wettbewerbsverstoß ein Ende zu setzen. Diese forderte von der DeTeMedien wegen des Verstoßes gegen das rechtskräftige Urteil des LG Frankfurt ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 Euro, musste diesen Anspruch aber noch durch zwei Gerichtsinstanzen durchfechten. Letztlich bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt mit Beschluss vom 9. November 2017 (Az.: 6 W 96/17) die vorinstanzliche Rechtsprechung und verurteilte die Deutsche Tele Medien GmbH zur Zahlung des Ordnungsgeldes in Höhe von 5.000 EUR.
Das OLG Frankfurt stellte fest, dass die Verlinkung auf die Internetseite eines Buchungsportals anstatt auf die Seite des Hotels auch dann rechtswidrig sei, wenn der Button nunmehr mit „Zimmer reservieren“ statt „Hotelbuchung“ oder „online buchen“ bezeichnet werde.
Doch auch damit war das Foulspiel noch nicht unterbunden, da das Online-Portal munter weiter in den Markt grätschte und lediglich einen Nummernwechsel oder Trikottausch vornahm. Denn auf dem Buchungsbutton tauchte nun eine neue Fußnoten-Nummer auf, die nach gefühlt endlosem Scrollen am Ende der Gelben Seite tatsächlich irgendwo auf die dürren vier Worte „Transaktion über externe Partner“ hinwies.
Damit war aus unserer Sicht die Zeit reif für eine dunkelrote Karte und wir baten die Wettbewerbszentrale beim LG Frankfurt erneut einen wirksamen Ordnungsmittelantrag einzulegen. Doch die 8. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt wies diesen Antrag am 2. Mai 2018 als unbegründet ab: „Anders als in der Ordnungsgeldentscheidung der Kammer vom 23. August 2017 befindet sich beim nunmehr geltend gemachten Verstoß nicht nur die hochgestellte Ziffer ‚2‘ beim Link ‚Zimmer reservieren‘, sondern auch am Ende der Seite eine Auflösung der hochgestellten Ziffer. Letzteres führt dazu, dass der geltend gemachte Verstoß außerhalb des Verbotsumfangs führt. Denn ein Link mit einer hochgestellten Ziffer, die am Ende der Seite aufgelöst wird, ist qualitativ etwas anderes als ein Link, der keinen Hinweis auf eine Buchung über einen externen Partner gibt. Das Charakteristische der Verletzungshandlung im Erkenntnisverfahren wird deshalb nicht mehr unberührt gelassen, sondern der Kernbereich der Verletzungshandlung verlassen.“
Aus meiner Sicht ist das geltende Wettbewerbsrecht definitiv noch nicht fit für unser digitalisiertes Wirtschaftsleben, wenn es so einfach ist, nicht nur an der Gesetzeslage, sondern auch noch an der Rechtsprechung vorbeizudribbeln!
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