Dutch Torpedo

Markus Luthe / 18.09 2024

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Blogpost von Markus Luthe zu Bestpreisklauseln von Booking.com

Headquarter von Booking.com in Amsterdam; © IHA / T. Warnecke

Morgen entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-264/23. Es geht um die Frage, ob die von Booking.com den Partnerhotels auferlegten Raten- und Konditionenparitätsklauseln mit den Vorgaben des europäischen Kartellrechts vereinbar sind. Nach einer elfjährigen Verfahrensdauer wird das Marktgebaren nun also einer abschließenden Klärung zugeführt werden.

Im Oktober 2012 hatte der Hotelverband Deutschland (IHA) das Verfahren mit einer Beschwerde beim Bundeskartellamt angestoßen. Uns schien bereits damals offensichtlich, dass die harmlos als „Bestpreisklauseln“ bezeichneten Preisknebelungsklauseln den Wettbewerb übermäßig beschränken. Dieser Auffassung folgte dann auch das Bundeskartellamt. Mit seiner Abstellungsverfügung vom 22. Dezember 2015 verbot es Booking.com die weitere Verwendung der fraglichen Bestpreisklauseln. Booking.com beharrte indes auf seiner Rechtsauffassung, dass diese Meistbegünstigungsklauseln als so genannte „notwendige Nebenabrede“ kartellrechtskonform seien.

Es musste letztlich das höchste deutsche Gericht – der Bundesgerichtshof (BGH) – entscheiden. Mit Entscheidung vom 18. Mai 2021 (Az. KVR 54/20) stellte der BGH letztinstanzlich und rechtskräftig fest, dass Booking.com mit seinen Bestpreisklauseln klar gegen Kartellrecht verstoßen hatte. Die fraglichen Bestpreisklauseln beschränkten nicht nur massiv die Preissetzungsfreiheit (und damit den Direktvertrieb) der Hotels, sondern zudem auch den Wettbewerb zwischen Booking.com und seinen Hauptwettbewerbern Expedia und HRS.

Es lag auf der Hand, dass die Hotellerie durch die kartellrechtswidrige Verwendung der Meistbegünstigungsklauseln massiv übervorteilt worden war. Einer vom Hotelverband angestoßenen Initiative zur gemeinsamen Geltendmachung entsprechender Schadensersatzforderungen gegenüber Booking.com schlossen sich binnen weniger Wochen mehr als 2000 Hotels an. Zunächst sah es danach aus, dass wir uns außergerichtlich einigen könnten. Doch überraschend – und während laufender Vergleichsverhandlungen auf höchster Ebene wie ich finde auch hinterhältig – lancierte Booking.com dann jedoch ein „Dutch Torpedo“, also eine negative Feststellungsklage vor dem Bezirksgericht in Amsterdam. Mit seiner Torpedoklage begehrte Booking.com die Feststellung durch das Bezirksgericht Amsterdam, dass keine Schadensersatzansprüche gegenüber den Hotels bestehen würden. Vor dem Bezirksgericht Amsterdam argumentierte Booking.com dann erneut, dass die Bestpreisklauseln – entgegen der Entscheidung des BGH vom Mai 2021 – doch kartellrechtskonform seien.

Das Bezirksgericht Amsterdam fühlte sich nicht an die (rechtskräftige) Entscheidung des BGH vom Mai 2021 gebunden. Vielmehr erachtete es sich durchaus überraschend berufen, die Frage nach der Kartellrechtskonformität der Bestpreisklauseln selbst und unabhängig von der Jurisprudenz aus Deutschland zu entscheiden. Der Anregung von Booking.com folgend, legte das Bezirksgericht Amsterdam dem EuGH die Frage vor, ob die Bestpreisklauseln von Booking.com eine kartellrechtskonforme „notwendige Nebenabrede“ darstellen würden, oder aber – wie vom BGH angenommen – gegen Kartellrecht verstoßen.

Bereits während des schriftlichen Vorverfahrens vor dem EuGH zeichnete sich ab, dass Booking.com mit seinem Narrativ einer „notwendigen Nebenabreden“ allein auf weiter Flur stand. Auch die mündliche Verhandlung vor dem EuGH in Luxemburg am 29. Februar 2024 ließ in mir keinen anderen Eindruck aufkommen. Insbesondere die Europäische Kommission, aber auch die schriftlichen und mündlichen Eingaben der Regierungen gleich mehrerer EU-Mitgliedstaaten stützen nachdrücklich die Rechtsposition der Hotellerie und des BGH. Auch Generalanwalt Anthony Collins kam in seinen Schlussanträgen vom 6. Juni 2024 zu dem klaren Ergebnis, dass die Bestpreisklauseln von Booking.com nicht als „notwendige Nebenabrede“ betrachtet werden können.

Es wäre sehr überraschend, sollte der EuGH mit seinem am morgigen Tag zu verkündenden Urteil nicht ebenfalls der Auffassung folgen, dass Booking.com mit der Verwendung der fraglichen Bestpreisklauseln gegen Kartellrecht verstoßen hat und den „Dutch Torpedo“ final aufhalten würde.

Die Entscheidung des EuGH wird nicht nur abschließende Rechtsklarheit in Bezug auf die Kartellrechtswidrigkeit der Bestpreisklauseln bringen. Sie wird sich auch maßgeblich auf den Fortgang der parallel laufenden Schadensersatzverfahren vor dem Bezirksgericht Amsterdam und vor dem Landgericht Berlin auswirken. Booking.com sieht sich im Rahmen dieser Verfahren zurecht mit Schadensersatzforderungen deutscher Hotels in neunstelliger Höhe konfrontiert.


3 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
3 Bemerkungen :

September 18 2024 9:47 pm von Rainer Willing / gastronomie.de

Hier geht es auch ganz grundsätzlich um die Frage, ob der Mittelstand in der Europäischen Gesetzgebung noch die Unterstützung findet, die er aus existenziellen Gründen dringend benötigt oder ob digitalisierte Akkumulatoren über unser Leben und Zusammenleben nach eigenem Gutdünken bestimmen. Die technischen Möglichkeiten der grenzenlosen weltweiten Vernetzung ruft immer mehr Neugründungen auf den Plan, die mittels geeigneter Software versuchen ihre Profitinteressen durchzusetzen.

September 19 2024 7:28 pm von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

Und hier finden Sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs:


https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2024-09/cp240145de.pdf

September 19 2024 7:31 pm von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

Der Preis für die beste Headline geht definitiv an die Berliner Morgenpost: 😉


https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article407287661/bookingcom-eu-gericht-torpediert-umstrittene-bestpreisklausel.html

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