Durchsichtig

Markus Luthe / 16.10 2022

icon min Lesezeit

icon 2 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zum Lobbying in Berlin und Brüssel

© ClipDealer

Parlamentarismus lebt von Kontakten mit Interessenverbänden. Das ist legitim und eine demokratische Selbstverständlichkeit, solange politische Entscheidungsprozesse transparent bleiben und die Interessenvertreter gleiches Gehör finden.

Mit dem zum 1. März 2021 eingeführten Lobbyregister des Deutschen Bundestages sollte das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik und die Legitimität der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse von Parlament und Regierung gestärkt werden. Auf europäischer Ebene existiert eine solches Transparenzregister schon seit 2011. Selbstverständlich hat der Hotelverband Deutschland (IHA) seine Interessenvertretung sowohl in Berlin als auch in Brüssel registriert.

Zwei aktuelle Vorgänge zeigen aber durchaus Nachjustierungsbedarf an beiden Parlamentsregistern auf:

So hat eine gemeinsame Recherche von Abgeordnetenwatch, ZEIT ONLINE und ZDF Magazin Royale die mehr oder weniger diskrete Einflussnahme zahlreicher ehemaliger Bundestagsabgeordneter auf laufende parlamentarische Vorgänge an den Tag gebracht.

Und in Brüssel beklagt sich eine Gruppe erfahrener Europaparlamentarier um Paul Tang (NL) und Christel Schaldemose (DK) gerade vehement und offiziell bei den zuständigen EU-Institutionen über zwielichtige Lobbyarbeit von Big Tech. Sie bezichtigen acht Unternehmen – darunter Google, Meta und Amazon – und Lobbygruppen, bei den Beratungen rund um den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) eine mittelständische Lobby-Fassade vorgespiegelt und gleichsam auch undercover operiert zu haben.

In der Tat habe auch ich das Vorgehen der Interessenvertreter der Online-Portale bei den langjährigen Beratungen zum Digital Markets Act, dem zentralen wettbewerbspolitischen Regulierungswerk der Europäischen Union, als zunehmend übergriffig und dreist empfunden. So attackierte mich beispielsweise der „Vice President Government & Corporate Affairs“ eines großen Buchungsportals bei einer Informationsveranstaltung im Europäischen Parlament auf offener Bühne und sprach ausgerechnet mir pauschal ab, überhaupt befugt zu sein, die Interessen kleinerer und mittlerer Hotelunternehmen wahrnehmen zu dürfen. Und ein „Head of Public Affairs“ einer anderen Buchungsplattform stellte in einem Social Media-Post gar meine persönliche Kompetenz in Frage.

Das sind natürlich allzu durchsichtige Manöver, die letztlich auch nicht verfangen konnten. Dennoch sollte die Öffentlichkeit diese Form undurchsichtigen Lobbyismus genauer im Blick behalten.


2 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
2 Bemerkungen :

October 18 2022 12:11 am von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

January 30 2023 3:17 pm von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

Weiterführende Lektüre zum Thema:


"Verdeckter Einfluss auf EU-Wettbewerbspolitik - Wie Google, Amazon & Co. intransparente Beratungsfirmen für ihre Lobbyarbeit nutzen"


https://www.lobbycontrol.de/macht-der-digitalkonzerne/verdeckter-einfluss-auf-eu-wettbewerbspolitik-106266

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
11.11.2025 von Markus Luthe
Unerhört
© DBT / Julia Nowak/ JUNOPHOTO

Der Tourismusausschuss des Deutschen Bundestags führt am morgigen Mittwoch eine öffentliche Anhörung „Plattformen der Ferienwohnungsökonomie und die Umsetzung der EU-Verordnung zur Kurzzeitvermietung 2024/1028” durch. Auf Vorschlag der Bundestagsfraktionen wurden vier Sachverständige ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus eingeladen. Zwei Wissenschaftler*innen, eine Vertreterin des Deutschen Ferienhausverbandes und eine Unternehmenssprecherin von Airbnb werden den Ausschussmitgliedern für ihre Fragen zur Verfügung stehen. Die vorab eingereichten Stellungnahmen der New Economics Foundation, von Airbnb und Ferienhausverband wurden auf der Website des Tourismusausschusses im Vorfeld hochgeladen. Auch wir haben unaufgefordert eine Stellungnahme für die Hotellerie eingereicht. Da sie jedenfalls bislang noch nicht auf der Internetseite des Bundestages verfügbar gemacht wurde, stellen wir sie hier zum Download barrierefrei zur Verfügung.

25.08.2025 von Markus Luthe
About Short Stay and Short Pay

Aufgrund einer Vereinbarung der europäischen Statistikbehörde Eurostat mit Airbnb, Booking und Expedia (bis Ende 2024 auch Tripadvisor) schließt sich langsam die Informationslücke über Kurzzeitvermietungen von Ferienhäusern, Wohnungen und Zimmer in ansonsten privaten Gebäuden. Diese Daten werden von bestehenden Tourismusregistern nicht erfasst. Für den Zeitraum ab 2021 stehen nun europaweit die Übernachtungsdaten zur Verfügung und sie belegen: Kurzzeitvermietung (Short-Term Rental, STR) über Online-Vermittlungsplattformen boomt.

16.04.2025 von Markus Luthe
Ton ab?

Es ist zugegebenermaßen ein nur mäßig beschallter Nebenschauplatz. Aber weil auch der schnell prohibitiv teuer werden kann, kümmern wir uns im Hotelverband gerade intensiv mit der zukünftigen Vergabe von Frequenzen aus dem sogenannten Ultrahochfrequenz-Band (UHF). Das Thema mag weder für die breite Öffentlichkeit noch für Hospitality Professionals eine Herzensangelegenheit sein, doch es illustriert ganz gut unser Verständnis von Verbandsarbeit für die Branche. Und deshalb schalte ich hier mal „den Ton an“.