Drosselnorm
Blogpost von Markus Luthe zur Europapolitik
![Nest der Schwarzdrossel (Turdus merula)](/fileadmin/_processed_/e/b/csm_2f369760665941aa84e8daa4d3f071f2_795b1b7b28.jpg)
Seit dem 1. September drosselt die europaweit die Leistungsstärke handelsüblicher Staubsauger. Maximal 1600 Watt Leistung sind noch zugelassen, ab 2017 wird sogar auf 900 Watt heruntergepegelt. Auch die Warmhalteplatten von Kaffeemaschinen müssen sich dann nach kurzer Zeit von selbst abschalten. Über den Sinn oder Unsinn solcher Maßnahmen kann man wie schon beim europäischen Blackout für die Glühbirnen fachlich unterschiedlicher Auffassung sein.
Aber welches Bild bietet mit solchen Beschlüssen die Bürokratie in Brüssel? Schnell kommt einem die Erinnerung an das unsägliche Olivenölkännchenverbot in Restaurants aus dem letzten Jahr wieder hoch. Der „Einheitliche Verwaltungsausschuss Obst und Gemüse“ hatte auf dem kleinen Dienstweg die „Durchführungsverordnung über die Vermarktungsvorschriften für Olivenöl“ kurzerhand reformiert und Olivenöl in Gaststätten nur noch in nicht nachfüllbaren Flaschen zugelassen. Schlussendlich hatten wir hinter den Brüsseler Kulissen erheblichen Aufwand, um dieses Fettnäpfchen des Agrarkommissars wieder trocken zu legen.
Aber warum legt Brüssel sich und uns immer wieder solch paradoxe Eier ins Nest? Das „Olivenölkännchenverbot“ liefert einen Erklärungsansatz. Es wurde im sogenannten „Komitologie-Verfahren“ erlassen, das heißt von Verwaltungs- und Expertenausschüssen innerhalb der Europäischen Kommission ausgebrütet, die gemäß des sogenannten Komitologie-Beschlusses (1999/468/EG) eigentlich nur für Durchführungsbestimmungen von EU-Rechtsakten verantwortlich sein sollten. Wie das Beispiel lehrt, setzen sie aber handfest materielles Recht, ohne dass sie hierzu von den europäischen Bürgern oder vom Europäischen Parlament legitimiert worden wären.
Das offenbart nicht nur ein erhebliches Demokratiedefizit, es führt offensichtlich auch zu fachlichem Unfug.
Eigentlich hat sich die EU mit dem Lissabon-Vertrag und dem erstarkten Europäischen Parlament das Ziel gesetzt, dieses Komitologie-Unwesen gründlich zu reformieren. Eigentlich. Denn jetzt scheint man den Systemfehler auch noch erheblich ausweiten zu wollen. Und das Einfallstor der Kompetenzausdehnung soll ausgerechnet die Normungspolitik bieten. Dabei scheint es Brüssel wenig zu scheren, dass damit dem bewährten Normungswesen selbst massiv die Flügel gestutzt werden.
Normungsinstitute sind eine Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft und werden wie das Deutsche Institut für Normung (DIN) auch fast ausschließlich von dieser finanziert. Meldet ein Unternehmen oder eine Branche einen konkreten Normierungsbedarf an, bietet das DIN, sein europäisches Pendant CEN und ISO auf internationaler Ebene ein in Jahrzehnten erprobtes Regelungswerk zur Erarbeitung solcher Industriestandards unter Beteiligung von Verbraucherschützern, ohne sich inhaltlich einzumischen. Staatsferne ist gleichsam die DNA des DIN.
Jetzt aber will sich die EU Kommission die Arbeit eben dieser Normungsinstitute für eine lautlose Gesetzgebung durch die Hintertür aneignen. Ein wahres Kuckucks-Ei versucht sie da unter dem Begriff „New Approach“ ins undurchsichtige Nest zu schmuggeln. Ich nenne so etwas „Backdoor Legislation“. Worum geht es?
Die Kommission hat ein „Vademecum zur Europäischen Standardisierung“ vorgelegt, das eine Art Betriebsanleitung für die Erarbeitung von Mandaten und mandatierter Normen unter Berücksichtigung der „Verordnung zur europäischen Normung 1025/2012“ sowie der Mitteilung „Eine Strategische Vision der europäischen Normung KOM(2011)311“ darstellen soll. Die Inhalte des Entwurfs geben aber Anlass zur Sorge, dass die Europäische Kommission die Grundprinzipien der Normung in ihr Gegenteil verkehrt.
Normen sollen sich danach zu juristischen Dokumenten entwickeln. Es soll genau dargestellt werden, welcher Absatz einer Norm mit welchem Paragraphen der Gesetzgebung in Beziehung steht. Das alles scheint nur dem Ziel zu dienen, Normen unmittelbare Gesetzeskraft in Europa zu verleihen. Alles das, was sich Brüssel bislang noch nicht zu regulieren traute, soll nun offenbar auch ohne wirksame Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit Verbindlichkeit erlangen können. Dies widerspricht fundamental dem Grundsatz der Freiwilligkeit von Normen.
Eine „Drosselnorm“ nicht aus Brüssel, sondern für Brüssel sollte die Antwort der deutschen Wirtschaft sein. Wir unterstützen daher ausdrücklich das sich gegen diese Auslegung des „New Approach“ und Brüsseler Allmacht stemmende deutsche DIN!
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