Digitoll
Blogpost von Markus Luthe zur Digitalisierung
Bereits vor einigen Monaten fiel mir die Ankündigung einer besonderen Hoteleröffnung auf einem Campus im westfälischen Ahaus auf, wo laut Zitat der „die digitale Revolution schon durch“ sei. Die Digitalkonferenz von „So geht Hotel heute“ am 12. Juli in Hamburg und ein Post im Nachgang dazu, ob schon jemand von einem Aufenthalt im Ahaus419 berichten könne, bekräftigten mich im Vorsatz, dort beim nächsten Besuch in der Heimat voller Neugier einzuchecken.
Ich habe es definitiv nicht bereut und will an dieser Stelle gerne von einem in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichem Haus nahe der niederländischen Grenze berichten – nicht als Hotelkritiker oder Sternedeuter, sondern als Digitalscout.
Meine digitale Journey beginnt mit der Installation der Hotel-App aus dem Apple-Store und dem Anlegen eines Accounts. Die Buchungsstrecke konzentriert sich auf das Wesentliche und ist eher an Shops denn Buchungsportale angelehnt. Als einzigen Stolperer empfand ich, dass ich vor Abschluss der Buchung erst einmal den Übernachtungspreis per Paypal auf einen chayns®-Account laden musste, wovon dann die Hotelrechnung im Vorhinein ausgeglichen wurde. Da ich hierzu erst mal nicht weiter recherchieren wollte, verlangte das schon ein wenig Vertrauen in den Anbieter, aber Neugier und fester Vorsatz hielten mich bei der Stange. Heute weiß ich, dass chayns® ein Produkt der Firma Tobit.Software ist, der der gesamte Campus gehört. Soweit also alles gut und nachträglich auch völlig verständlich.
Am Anreisetag erhielt ich um 10:00 Uhr per Mail und in der App die Nachricht, dass ich ab 15.00 Uhr mit der App das Hotel und mein Zimmer öffnen könne. Ich traf am Freitagabend gegen 23:00 Uhr ein – und war geflasht: Die Campusgebäude waren an diesem lauen Sommerabend derart beeindruckend mit LED-Leuchten illuminiert, dass ich mich an das Festival of Lights in Berlin erinnert fühlte. Was für ein Wow-Faktor!
Haupteingang, Hoteleingang und Zimmertür ließen sich problemlos per Smartphone öffnen. Hotelmitarbeitern bin ich während des gesamten Aufenthalts nicht begegnet. Folglich wurde mir auch kein Meldeschein zum Ausfüllen oder zur Unterschrift vorgelegt. Das Öffnen der Schiebetür des gebuchten XL-Studios mit dem iPhone hatte eine Anmutung von Raumschiff Enterprise. Angesichts des kinderleichten Öffnens der Tür blieb nach dem Schließen der Tür allerdings auch umgekehrt ein etwas mulmiges Gefühl bei mir zurück, denn nach einem Riegel oder einer nicht bit-gesteuerten Türsicherung hielt ich vergeblich Ausschau. Meine Sorge aber, dass ich bei leerem Handy-Akku irgendwann allein gelassen vor verschlossenen Türen stehen könne, erwies sich als unbegründet: Auf dem Schreibtisch im Zimmer lag eine vollgetankte Powerbank mit Geschenkschleifchen bereit!
Das Hotelzimmer begeisterte mich mit einem durchdachten Design und absolut hochwertiger Ausstattung und Einrichtung. Das WLAN ist ebenso wie die zielgruppenaffin bestückte Minibar offen und im Zimmerpreis inkludiert. Ein Frühstücksangebot ist am Wochenende nicht verfügbar.
Alle Zimmerfunktionen sind über die Smartphone-App steuerbar: Beleuchtung, Verdunkelung, Klimatisierung und Fernseher. Wobei: Den Button für die auf Hochtouren laufende Klimaanlage hatte ich erst übersehen und bat über die Dialogfunktion der App um Auskunft hierzu, die mir 23 Stunden später auch per App übermittelt wurde. Und dabei hätte ich jede Wette angenommen, dass mir in diesem Digitaltempel postwendend ein mit künstlicher Intelligenz betriebener Chatbot anwortet. Irgendwie ist das aber auch schon wieder tröstlich…
Die Steuerung der Beleuchtung dagegen mit den unterschiedlichen LED-Farbkompositionen machte sofort und schon im Zimmer Spaß – aber zweifellos noch mehr beim Betrachten von außerhalb des Zimmers als eigenen spontanen Regenbogen-Beitrag zu den blauen Fassadenlichtspielen. So weit das WLAN reicht!
Auch die Steuerung des Fernsehers über das Smartphone funktionierte tadellos, war aber mühselig. Es ließen sich die TV-Kanäle nur einzeln gezielt mit zwei Fingertipps ansteuern. Für mein Channelhopping hätte ich eine herkömmliche Fernbedienung jedenfalls bevorzugt, die mir zu mitternächtlicher Stunde weniger Aufmerksamkeit und Fehlbedienung abverlangt hätte. Und meine Fingerkuppen gerieten bei der Lautstärkenanpassung via Button auf dem Smartphone auch an anatomische Grenzen der Feinjustierung.
Größere Bedienfelder hätte ich vermutlich auf dem hauseigenen iPad vorgefunden, das absolut stylisch gleich im Zimmereingang platziert war und vermutlich dieselben (und mehr) Funktionalitäten wie die Handy-App aufzuweisen hatte. Es ist mir allerdings während meines Aufenthalts nicht gelungen, das iPad in Betrieb zu nehmen... Kann es sein, dass das iPad angesichts eines vermuteten DAU spontan in einen Schlafmodus zwecks Eigenschutz wechselte?
Als ich morgens Radio oder Musik hören wollte, schaute ich mich leider sowohl analog wie digital vergeblich im Zimmer um. Weder über die TV-Menufunktionen noch über Bluetooth ließen sich irgendwelche Sender, Playlists oder Boxen ansteuern. Absolute Funkstille. Da das Unternehmen Tobit aber mit djukebox® sogar einen eigenen Player entwickelt hat, vermute ich den mir fehlenden Schlüssel zum Hörgenuss im iPad, dessen Betriebssystem weiterhin nicht mitspielen wollte…
Das Ahaus419 hat mich dennoch begeistert und ich werde bestimmt wiederkommen. Allen Technikfreaks unter den Hoteliers lege ich einen Hotel- oder Kongressbesuch dort ebenfalls an Herz! Der konkrete Mehrwert der Steuerung der Zimmertechnik durch mein eigenes Handy hat sich mir allerdings aus Gastperspektive während des Aufenthalts (noch) nicht wirklich erschlossen. Ich hätte ehrlich gesagt die Steuerung über ein traditionelles Display an der Wand vorgezogen.
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