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Markus Luthe / 19.05 2011

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Blog von Markus Luthe zur Normungspolitik

Ich schreibe meinen Web-Log heute aus dem italienischen Viterbo, das gut eineinhalb Autostunden nördlich des Flughafens Roma-Fiumicino liegt. Morgen findet hier das bereits sechste Jahrestreffen des Technischen Komitees 228 „Touristische Dienstleistungen“ der internationalen Normungsorganisation ISO statt. Nicht, dass der Ort dem ersten Anschein nach einer gewissen touristischen Attraktivität entbehrt, vielmehr scheint mir aber seine abgelegene Lage impliziter Programmbestandteil der Organisatoren zu sein.

Je entlegener die Tagungsorte, desto sicher wähnen sich wohl die Normungsorganisationen davor gefeit, allzu zu viele Interessenvertreter der Wirtschaft anzufinden. Die stören ja auch nur bei der Erfindung möglichst vieler neuer Normen, nach denen außer den Zertifizierungsgesellschaften niemand sonst verlangt. Im Jahr 2010 fand die Tagung übrigens (ohne mich) in Foc do Iguaçu, im Südwesten Brasiliens nahe der Grenze zu Paraguay und Argentinien, und 2009 (mit mir) in Nevsehir (Kappadokien / Türkei) jeweils fern eines internationalen Flughafens statt...

Das ISO / TC 228 wird sich hier nach einem – von uns schwer erkämpften - dreijährigen Innehalten auf dem umstrittenen Gebiet der Hotelnormung gleich mit mehreren neuen Normungsprojekten auseinandersetzen müssen:

  1. Das türkische Normungsinstitut TSE möchte eine ISO-Norm für „Umweltfreundliche Beherbergungsbetriebe“ erschaffen.

  2. Das spanische Normungsinstitut AENOR schlägt die Normierung des „Dienstleistungsangebotes in Beherbergungseinrichtungen“ vor und unterbreitet auch gleich einen 80 DIN A4-Seiten umfassenden ersten Arbeitsentwurf, der fast den gesamten Hotelalltag umfasst.
  3. Die IH&RA wird ihrerseits initiativ und schlägt zur Verblüffung und Verärgerung der internationalen Hotellerie ihrerseits gleich zwei Normungsprojekte vor: „Sicherheits- und Risikomanagement für Beherbergungseinrichtungen“ und „Qualitätskriterien für die Beherbergung“. Ohne Worte.

Eine schöne neue Normungswelt, die da die Hotellerie weltweit im Wesentlichen aufgrund des massiven Drucks des spanischen Normungsinstitutes und des spanischen Wirtschaftsministeriums zu erwarten hat: Jede Menge Kosten ohne erkennbaren Zusatznutzen!

Der Hotelverband Deutschland (IHA) lehnt diese Projekte rundherum ab und wird wie die überragende Mehrheit der Hotelverbände in Europa gegen diese neuen Normungsvorschläge stimmen. Dennoch ist eine Annahme der Projekte mit der Mehrheit der Stimmen der Normungsinstitute aus Südamerika, Nordafrika und Asien wohl zu erwarten – one country, one vote...


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
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