Markus Luthe / 31.01 2020

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zur Politik

© ClipDealer
© ClipDealer

Es gehört zu den sinnhaftesten Vorkehrungen des demokratischen Willensbildungsprozesses, dass die federführenden Bundesministerien vor der Beschlussfassung über ein neues Gesetz im Bundeskabinett den möglicherweise betroffenen Bevölkerungskreisen eine Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. In der Regel wird hierzu den eingetragenen Verbänden jedweder Couleur einige Wochen vorher der Referentenentwurf zugeleitet, der dann von allen Seiten kritisch beleuchtet, einem Plausibilitätstest durch Praktiker unterzogen und schließlich kommentiert wird. Damit dies für die Öffentlichkeit auch transparent geschieht, werden diese verbandlichen Stellungnahmen auf den Websites der Ministerien für jedermann einsehbar veröffentlicht. So weit, so gut. So viel zur Theorie.

Denn diese Verbandsanhörungen werden in der Praxis des Berliner Politbetriebs zusehends zu einer Alibi-Veranstaltung. Es werden mittlerweile nur noch so extrem kurze Reaktionszeiten gewährt, dass das Procedere sinnentleert zur Farce wird. Mir platzte heute jedenfalls der Kragen als ich im Posteingang eine Einladung zur Abgabe einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz - GEIG) fand. Die Frist zur Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ist schon der kommende Mittwoch, 5. Februar 2020!

Wie soll innerhalb von vier Werktagen ein Meinungsbild einer heterogenen, aber sicher betroffenen Branche wie der Hotellerie zu einem komplexen und garantiert nicht unwichtigen Sachverhalt wie der infrastrukturellen Förderung der Elektromobilität seriös eingeholt, bewertet und rechtlich eingeordnet werden können?

Diese Drängelei im Gesetzesverkehr scheint aber mittlerweile zur Regel zu werden, dient aber sicherlich nicht der Qualität der Gesetzgebung. Ich erinnere mich jedenfalls noch gut an das Verfahren zur Umsetzung des zivilrechtlichen Teils der EU-Zahlungsdiensterichtlinie II , zu der wir vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 21. Dezember 2016 Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten und uns eine Rückäußerungsfrist bis zum 4. Januar 2017 gesetzt wurde. Das war nicht nur ein fataler Anschlag auf die Urlaubstage „zwischen den Jahren“, schon damals hegte ich den Verdacht, dass dahinter auch Methode stecken könnte. Der Qualität des Gesetzentwurfs war das Turbo-Verfahren sicherlich nicht förderlich.

Noch einhelliger fällt sicherlich die öffentliche Würdigung der handwerklichen Qualität des Infrastrukturabgabengesetzes aus, mit dem das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) 2018 die Pkw-Maut einführte, respektive einführen wollte. Die interessierten Kreise erhielten sage und schreibe zwei (!) Werktage (von Freitag, 27. April, 18:00 Uhr, bis Mittwoch, 2. Mai „Dienstschluss“; Brückentag inklusive) Gelegenheit zur Kenntnis- und Stellungnahme. Einige Verbandskollegen berichteten, sie hätten effektiv gar nur ein paar Stunden Zeit zum Lesen und Stellungbeziehen gehabt. Den Unfallbericht für diese gesetzgeberische Geschwindigkeitsüberschreitung nimmt nach dem Frontalzusammenstoß der Pkw-Maut mit dem EU-Recht nun jedenfalls ein Untersuchungsausschuss für den Steuerzahler auf.

Zurück zum GEIG, die Zeit drängt halt...:

Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen vor, dass bei Neubau bzw. größerer Renovierung von Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen jeder fünfte Stellplatz mit Schutzrohren für Elektrokabel auszustatten ist. In Nichtwohngebäuden ist zusätzlich mindestens ein Ladepunkt zu errichten. Bis 1. Januar 2025 ist jedes Nichtwohngebäude mit mehr als zwanzig Stellplätzen zudem mit mindestens einem Ladepunkt auszustatten. Ausnahmen sind u.a. für Gebäude vorgesehen, die sich im Eigentum von kleinen und mittleren Unternehmen befinden und von ihnen genutzt werden, oder für Bestandsgebäude, wenn die Kosten für die Lade- und Leitungsinfrastruktur 7 % der Gesamtkosten einer größeren Renovierung überschreiten.

Noch Fragen zur Betroffenheit der Branche? Wenn Sie Antworten haben, können Sie mir diese auch gerne über die Kommentarfunktion des Blogs mit auf den Weg geben!

 


0 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
03.02.2025 von Markus Luthe
Ceci n'est pas un voyage
Auf dem Bild ist ein leeres Bett zu sehen mit dem französischen Untertitel "Ceci n'est pas un voyage." (übersetzt: Dies ist keine Reise.). Aufbau und Farbgebung des Bildes ähneln dem berühmten Bild von René Magritte "Ceci n'est pas une pipe." Es wurde generiert mit Künstlicher Intelligenz von DeepAI.

Von der Hotellerie noch weitgehend unbeachtet treiben in Brüssel die Europäischen Institutionen derzeit die Novellierung der Pauschalreiserichtlinie aus dem Jahr 2015 voran. Der Rat hat seine Position schon fixiert, im Europäischen Parlament stehen die finalen Abstimmungen vor Aufnahme der Trilogverhandlungen an. Es droht der Hotellerie ein neues bürokratisches Ungemach surrealen Ausmaßes.

19.01.2025 von Markus Luthe
Schlichtweg weg

Selten, ganz selten gesteht die Europäische Kommission ein, einen Fehler gemacht zu haben. Bei der von Anfang an – auch von mir – heftig kritisierten „Verordnung über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-Verordnung)“ ist das nun der Fall und die EU-Kommission macht den offiziellen Rückzieher.

03.01.2025 von Markus Luthe
1A-Bürokratie

Zum Jahreswechsel ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV und mit ihm der Wegfall der besonderen Hotelmeldepflicht für inländische Gäste in Kraft getreten. Dies soll eine jährliche Entlastung der Branche in Höhe von 62 Mio. Euro bringen. Ein wirklicher Befreiungsschlag gegen überbordende Bürokratiekosten ist das angesichts immer neuer Berichtspflichten und Auflagen sicher nicht.