Markus Luthe / 11.08 2020

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zur Corona-Krise

www.zusammengegencorona.de/aha/
www.zusammengegencorona.de/aha/

Ich bin kein Virologe. Und ich maße mir auch im Monat Sechs nach dem Corona-Ausbruch und unzähligen Talkshows später keinen Expertenstatus hierzu an. Wir sind sicherlich alle gut beraten, auch weiterhin wissenschaftlicher Expertise zur Bekämpfung der Pandemie zu folgen. Grosso modo ist Deutschland damit bemerkenswert gut gefahren.

Nicht jeder wissenschaftliche Rat hat sich dabei im Zeitablauf rückblickend (!) betrachtet als belastbar, zielführend und hilfreich erwiesen. Das ist aber ausdrücklich kein Problem für mich: Wissenschaft darf das, muss das!

Und dennoch kann ich ein virales Aha-Erlebnis der besonderen Art vom vergangenen Wochenende nicht unkommentiert grassieren lassen. In einem Tweet warnte der SPD-Gesundheitsexperte und Virologe Prof. Dr. Karl Lauterbach (MdB) pauschal vor Hotelübernachtungen:

„Neue gut gemachte Studie zeigt, dass asymptomatische Infizierte grosse Virusmenge im Hotelzimmer ausbreiten. Kopfkissen, Bettdecke etc. Da sich das Virus dort lange hält werde ich selbst Hotelübernachtungen weiter auf das absolute Minimum beschränken...“

Prof. Lauterbach verlinkt hierzu auf die Vorabveröffentlichung einer Studie chinesischer Wissenschaftler u.a. des Beijing Instituts für Mikrobiologie und Epidemiologie mit dem Titel „Detection of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 RNA on Surfaces in Quarantine Rooms“.

Die für die Hotellerie desaströsen Schlussfolgerungen und Gewissheiten, die Prof. Lauterbach aus dieser Studie ableitet, scheinen mir dann aber doch – gelinde gesagt – eher „meinungsstark“, denn wissenschaftlich fundiert zu sein.

Bevor sich Prof. Lauterbachs persönliche Schlussfolgerungen in medialen Zeiten wie diesen von der Studie losgelöst in der Öffentlichkeit verbreiten, erlaube ich mir das Untersuchungsdesign darzulegen und ein paar Fakten zu isolieren:

  • Die beiden für 14 Tage in Quarantäne genommenen Studenten wurden, ohne zunächst Symptome zu zeigen, in einem zu diesem Zeitpunkt still gelegten Hotel einquartiert. Das Hotel befand sich somit nicht in einem Regelbetrieb. Am zweiten Tag des Hotelaufenthalts wurden die Studenten positiv auf SARS-CoV-2 getestet und in ein Krankenhaus eingewiesen.
     
  • Drei Stunden nach den positiven Tests wurden in den noch ungereinigten (!) Hotelzimmern der beiden insgesamt 22 Abstriche von Oberflächen genommen und PCR-Tests durchgeführt, von denen 8 positiv ausfielen. Das Virus wurde auf 1 Bettlaken, 1 Oberbettbezug, 2 Kopfkissenbezügen, 1 Handtuch, 1 Lichtschalter und 1 Wasserhahn nachgewiesen. Auf den Zimmertürklinken, den TV-Fernbedienungen, den Toilettensitzen/Toilettenspülungen wurde kein Corona-Virus gefunden.
     
  • Von großen Virusmengen im oder auf Bettzeug oder Kopfkissen ist in der Studie anders als von Prof. Dr. Lauterbach auf Twitter behauptet in der Studie keine Rede. Dies war ausdrücklich nicht einmal ein Untersuchungsgegenstand.
     
  • Selbst der Nachweis einer Viren-RNA auf einer Oberfläche noch nichts darüber aus, ob diese RNA überhaupt lebensfähig oder reproduktionsfähig ist. Die Heinsberg-Studie unter Leitung von Prof. Dr. Hendrick Streeck legt vielmehr die Vermutung nahe, dass indirekte Umgebungsübertragungen generell nur eine untergeordnete Rolle spielen.
     
  • Für Kontaktkontaminationen gibt die Studie schon von ihrem Design her ohnehin keinerlei Anhaltspunkte. Das schreiben die Verfasser auch selbst deutlich in ihrer Vorabveröffentlichung.

Also: Much Ado About Nothing?

Meiner Meinung nach ist die einzig korrekte Schlussfolgerung aus der chinesischen Studie wenig spektakulär: Bei Einhaltung der in der Hotellerie längst zur „neuen Normalität“ gewordenen Hygieneregeln (u.a. kein Schütteln der benutzten Wäsche bei der Entnahme, gründliche Reinigung und Trocknung) besteht keinerlei Anlass für Prof. Lauterbachs Alarmismus! Den Tweet vom Wochenende halte ich für unverantwortlich.

 


0 Kommentare
Quelle: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/19185655600464385
Quelle: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/19185655600464385
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
03.01.2025 von Markus Luthe
1A-Bürokratie

Zum Jahreswechsel ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV und mit ihm der Wegfall der besonderen Hotelmeldepflicht für inländische Gäste in Kraft getreten. Dies soll eine jährliche Entlastung der Branche in Höhe von 62 Mio. Euro bringen. Ein wirklicher Befreiungsschlag gegen überbordende Bürokratiekosten ist das angesichts immer neuer Berichtspflichten und Auflagen sicher nicht.

25.11.2024 von Markus Luthe
Schwarze Messe

Diese Woche ist es wieder so weit. In den USA wird am vierten Donnerstag im November Thanksgiving gefeiert. Der Tag darauf wurde in den 60er Jahren zum „Black Friday“, zum traditionellen Start der Weihnachteinkaufssaison erklärt. Und seitdem liefert sich der Einzelhandel jedes Jahr pünktlich zum Stichtag auch gemäß eigener Einsicht ruinöse Rabattschlachten und manövriert sich in ein „schwarzes Loch“. Und die jahreszeitbedingten Rabattrituale ziehen immer weitere Kreise, auch in den Tourismus. Ganz vorne mit dabei ist natürlich Booking.yeah. Hoteliers werden vom marktdominanten Buchungsportal eingeladen, in den Tagen vom 21. November bis 4. Dezember für Aufenthalte bis zum Jahresende 2025 bis zu 35% Rabatt als Black Friday-Aktion rauszuhauen.

18.09.2024 von Markus Luthe
Dutch Torpedo

Morgen entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-264/23. Es geht um die Frage, ob die von Booking.com den Partnerhotels auferlegten Raten- und Konditionenparitätsklauseln mit den Vorgaben des europäischen Kartellrechts vereinbar sind. Nach einer elfjährigen Verfahrensdauer wird das Marktgebaren nun also einer abschließenden Klärung zugeführt werden.