"Royal Concierge"
Blog von Markus Luthe zur Datensicherheit
Im September 1989 konnte ich als Student an einer politischen Studienreise über die innerdeutsche Grenze nach Erfurt und Dresden teilnehmen. Natürlich nahmen wir dort auch konspirativ Kontakt zu kirchlichen Oppositionskreisen auf. Wir fühlten uns dabei ebenso clever wie wichtig — und brachten ungewollt doch nur unsere Gesprächspartner in ernste Bedrängnis. Denn noch bevor unser Bus nach einer Woche wieder den Grenzübergang Herleshausen erreichte, waren unsere Freunde schon im Visier der Staatssicherheit. Ein Segen, dass nicht einmal zwei Monate später der Spuk mit dem Fall der Mauer zu Ende war.
Unser Abhörverdacht fiel im Nachhinein schnell auf das Interhotel, in das unsere studentische Reisegruppe in Dresden ad hoc upgegradet worden war. Jahre später als Verbandsgeschäftsführer erhielt ich dann von vielen Hoteldirektoren aus den neuen Bundesländern die Bestätigung, dass Abhöranlagen in DDR-Hotels die Regel und nicht die Ausnahme gewesen waren. In unserem damaligen Dresdener Hotel waren sie übrigens in dem überdimensionierten Nachttisch am Bett eingebaut gewesen.
24 Jahre später wartet nun der gestützt auf Unterlagen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden mit der Enthüllung auf, dass der britische Geheimdienst GCHQ gezielt die Buchungssysteme von weltweit mehr als 350 Hotels, die häufig Diplomaten und Regierungsdelegationen beherbergen, anzapfe. Der zynische Name des Schnüffelprogramms laute ausgerechnet „Royal Concierge“…
Danach werteten die Analysten des GCHQ systematisch die Hotelreservierungen und damit die Reisepläne ihrer Zielpersonen aus und ermöglichten so den „technischen Abteilungen“ der britischen Geheimdienste, Gäste auf ihren Hotelzimmern abzuschöpfen. Sie würden dazu gezielt die Computer der Gäste anzapfen und die Zimmertelefone als Mikrophone instrumentalisieren.
Ich habe mir jedenfalls einen so massiven Einbruch in die Privatsphäre von Hotelgästen durch einen befreundeten, demokratischen Staat bis zum heutigen Tag nicht vorstellen können und wollen. Wer weiß, welche Überraschungen und Details aus dieser Quelle in den nächsten Wochen noch zutage treten werden...?
Und das scheint nicht der einzige aktuelle und bisher unvorstellbare Übergriff auf die Privatsphäre von Hotelgästen zu sein: Der staatliche russische Fernsehsender Rossiya24 berichtet jedenfalls über chinesische Bügeleisen und Wasserkocher, die verdeckt so genannte „Rogue Chips“ enthielten, die WLAN-Systeme in einer Umgebung bis zu 200 m mit Malware und Spionage-Software verseuchten. Die günstigen Elektrogeräte seien mit Bedacht für die Spionage-Attacken gewählt, da sie vielfach in Hotelzimmern eingesetzt würden und so die häufig nur unzureichend gesicherten WLAN-Netzwerke für Hotelgäste infizieren könnten…
0 Kommentare
Sei der erste der kommentiert
Kommentar hinzufügen