Vorratsdaten

Markus Luthe / 07.05 2019

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Blogpost von Markus Luthe zur Hotelmeldepflicht

Bei einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Tourismus fragte mich am 30. Januar 2019 ein Oppositionsabgeordneter, ob der Hotelverband nicht mal einen Vorstoß zur Digitalisierung des Check-ins im Hotel unternehmen wolle? Innerlich seufzte ich getroffen auf und nahm zur Kenntnis, dass mein jüngster Blog vom 5. August 2018 dann wohl noch nicht jeden Interessierten erreicht hatte. Äußerlich gab ich zu Protokoll, schon Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts meine erste Initiative hierzu gestartet zu haben, was dann doch die eine oder andere neugierig hochgezogene Parlamentarier-Augenbraue zur Folge hatte.

Nein: Ich bin mir sicher, mit Zweit-Identität nicht „Horst Seehofer“ zu sein, der nach eigenen Angaben schon in den achtziger Jahren im Internet gesurft haben will... Vielmehr haben wir als Verband schon 2002 gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium in einem kleinen Bonner Privathotel einen Computer mit Nagelstiftbrett unter dem Eingabe-Pad zum Test-Einsatz gebracht, der die Eindrucktiefe des Kugelschreibers beim Hinterlassen der Unterschrift auf dem Meldeformular messen und das Verfahren digitalisieren sollte. Das Scheitern unseres Feldversuchs war aufgrund der Komplexität und der hohen Sicherheitsauflagen des Prozederes absehbar.

Wir sind dennoch am Ball geblieben und haben immer wieder Vorstöße unternommen, zuletzt 2012 – 2015 als nach der Föderalismusreform die Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund übergegangen war und erstmals ein Bundesmeldegesetz verhandelt wurde. Das „Njet“ aus dem Bundeskriminalamt blieb immer das gleiche. Die Sicherheitsbehörden bestehen darauf, dass der Gast den Hotelmeldeschein eigenhändig unterschreibt - und dabei Fingerabdrücke und DNA-Anhaftungen hinterlässt.

Dabei stört es die Sicherheitsbehörden nicht, dass sich diese Vorratsdatenspeicherung der besonderen Art über die Jahre als besonders ineffizient erwiesen hat: Den nach offiziellen Angaben maximal „drei bis vier“ Aufklärungserfolgen bundesweit in den letzten zehn Jahren (und selbst die bezweifeln wir!) stehen laut Statistischem Bundesamt Bürokratiekosten für die Hotellerie in Höhe von 98 Millionen Euro jährlich gegenüber, von Qualitätseinbußen und wachsendem Gästeunverständnis ganz abgesehen.

Die jährlich an deutschen Hotelrezeptionen handschriftlich auszufüllenden 150 Millionen Hotelmeldescheine hinterlassen nicht nur Unmengen an Fingerabdrücken, sondern leider auch einen verheerenden ökologischen Fußabdruck. Jedenfalls dürfte hierfür in den letzten zehn Jahren ein Vielfaches des Holzvolumens des Hambacher Forstes nahezu sinnlos gerodet worden sein.

Besonders ärgerlich ist, dass das Bundesinnenministerium an seinen überholten Positionen festhält und gleichzeitig dem Aufstreben der privaten Kurzzeitvermietung über Plattformen wie Airbnb, Homeaway oder Booking tatenlos zusieht. Wo nicht einmal die Gastgeber registriert sind, können von den Sicherheitsbehörden auch keine Meldescheine zur Einsicht angefordert werden. Ich frage Sie: Wo würden Sie einchecken, wenn Sie Böses im Schild führen wollten? Im Hotel oder mit gefakter Facebook-Identität in einer Privatwohnung, deren Vermieter Sie garantiert nie zu Gesicht bekommen werden? Hier wird mal wieder zweierlei Maß angelegt.

Im Herbst 2018 haben wir unverdrossen einen erneuten Vorstoß zur Digitalisierung der Hotelmeldepflicht gestartet und haben im Bundeswirtschaftsministerium, aber auch im Bundesinnenministerium viel Verständnis und Zustimmung gefunden. Doch der Anschein täuschte wohl: Beim gestrigen Fachgespräch zur Nationalen Tourismusstrategie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte jedenfalls Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, dass ihm ein umfangreiches, ablehnendes Schreiben aus dem Bundesinnenministerium vorliege. Unsere Hoffnung setzen wir nun darauf, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, Thomas Bareiß und der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Carsten Linnemann sich unionsintern gegen die Bedenkenträger des von Horst Seehofer geführten Bundesinnenministeriums durchsetzen können und die Digitalisierung der Hotelmeldescheine doch Aufnahme in den Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes III findet.

Alles andere wäre nicht nur ein fataler Rückschlag für die ansonsten bei jeder Gelegenheit propagierten Digitalisierungspläne der Bundesregierung und ihre diesbezügliche Glaubwürdigkeit. Die Bundesregierung läuft auch Gefahr, die Initiative an auf diesem Zukunftsgebiet offensichtlich progressivere Bundesländer zu verlieren. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat jedenfalls schon im Januar 2019 auf Antrag der Mehrheitsfraktionen von SPD und CDU seine tourismusaffine Landesregierung aufgefordert, die Möglichkeit für einen komplett digitalen Check-in in den Hotels des Landes zu prüfen und bis Ende Juni 2019 einen Bericht vorzulegen. Und auch wenn der noch nicht veröffentlicht worden ist, scheint er offensichtlich so zuversichtlich auszufallen, dass die SPD-Landtagsabgeordneten Philipp da Cunha und Patrick Dahlemann schon vorgeprescht sind und sich am vergangenen Wochenende an einer Hotelrezeption in Ueckermünde digital in Szene gesetzt und in das Thema eingecheckt haben.


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
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