Handarbeit

Markus Luthe / 05.08 2018

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Blogpost von Markus Luthe zum Melderecht

Baxter, Boston Terrier; © Radisson Red Brüssel
Baxter, Boston Terrier; © Radisson Red Brüssel

Im Juni habe ich für eine Nacht im in Wien in der Nähe des Hauptbahnhofs eingecheckt. Von der angebotenen Möglichkeit, über die Hotel-App schon vor der Anreise einzuchecken, habe ich keinen Gebrauch gemacht. Den Meldeschein habe ich auf einem Tablet an der Rezeption ausgefüllt und auf einem Signatur-Pad digital unterschrieben.

Im Juli habe ich in Brüssel im Hotel Radisson Red direkt neben dem Europäischen Parlament übernachtet und habe beim Eintreffen in dem mir bis dato unbekannten Hotel an der Rezeption gar keinen Halt mehr gemacht, sondern bin nach dem Eintreffen gleich zum Aufzug durchgestartet und habe die Zimmertür mit meinem Smartphone geöffnet. Zuvor hatte ich mir von unterwegs die Hotel-App heruntergeladen und in dieser dann meine persönlichen Daten inklusive Reisepassnummer eingetragen. Eine händische Unterschrift musste ich dort nicht hinterlegen.

Nach deutscher Lesart des Artikel 45 (1) a) des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) sind diese beiden Formen des digitalen Check-in rechtlich unzulässig. Die Bundesregierung beharrt auf einem analogen Unterschreiben des Meldescheins. Kugelschreiber auf Papier. Fingerabdruck inklusive.

Der Preis für diese in Zeiten der Digitalisierung überholte Form der Handarbeit an der Hotelrezeption ist hoch. Rechnet man die Daten hoch, die der Normenkontrollrat der Bundesregierung für das Jahr 2008 einmal ermittelte, dürften die Bürokratiekosten für das Erfordernis einer händischen Unterschrift heute bei rund 94 Millionen Euro jährlich liegen.

Daran hat auch das im Zuge der Föderalismusreform 2015 in Kraft getretene neue Bundesmeldegesetz im Kern nichts geändert. Der Hotelier darf zwar bei Kenntnis der Gästedaten den Meldeschein schon vorausfüllen und damit den Check-in-Prozess an der Rezeption gesetzeskonform verschlanken. Doch der Gast muss seinen Namenszug weiterhin auf dem ausgedruckten Meldeschein eigenhändig und physisch hinterlassen. Eine Unterschrift auf einem Tablet oder eine qualifizierte Signatur nach dem Signaturgesetz genügen den melderechtlichen Anforderungen nicht.

Das wird zusehend zum ärgerlichen Anachronismus für die deutsche Hotellerie. Es ist nachvollziehbar, dass die Sicherheitsbehörden an der besonderen Hotelmeldepflicht für in- und ausländische Gäste festhalten. Aber bringt das händische Unterschreiben der Meldezettel wirklich Fahndungs- und Aufklärungserfolge? Wie viele? Welche? Diesen konkreten Nachweis sind die Dienste seit Jahren der Öffentlichkeit und der Branche schuldig geblieben.

Besonders ärgerlich für die Hotellerie ist in dem Zusammenhang nur nebenbei bemerkt, dass mit dem Aufstreben der „Sharing“ Economy diese Sicherheitsauflage für die Hotellerie umso hohler erscheint, je mehr Gäste im privaten Bereich ohne jeden Meldeschein und ohne jede Registrierung beherbergt werden.

Es wird also Zeit für ein Update der Hotelmeldepflicht und für eine echte Entbürokratisierung. Die Pflicht zur handschriftlichen Unterzeichnung des Meldescheins gehört auf den Prüfstand und dann zügig abgeschafft, damit auch die Hotels in Deutschland und ihre Gäste in Zeiten der Digitalisierung von schlankeren Check-in-Prozessen profitieren können.


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Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Check-in im Hotel Schani Wien; © M. Luthe / IHA
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
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