Shadow on the Wall
Blogpost von Tobias Warnecke zur Kurzzeitvermietung
Seit dem Aufkommen der Peer-to-Peer-Vermietung über Plattformen der „Sharing“ Economy hat sich der Hotelverband Deutschland (IHA) für ein Level playing field für diese neuen Angebote eingesetzt. Heute dürfen wir feststellen: Das Thema ist nicht bloß auf der politischen Agenda angekommen, der Handlungsbedarf ist auch in Brüssel, der letztlich entscheidenden Ebene, erkannt worden.
Vor ziemlich genau drei Jahren, am 19. Dezember 2019, entschied der Europäische Gerichtshofs im Rechtsstreit des französischen Tourismusverbandes AHTOP gegen Airbnb Ireland (C-390/18), dass Airbnb als reiner „Dienstleister der Informationsgesellschaft“ zu gelten habe, da die Plattform keinen „entscheidenden Einfluss“ auf die Beherbergungsdienste ausübe, sondern diese lediglich vermittle. Mit diesem Urteil wurden die Befugnisse nationaler und lokaler Behörden zur Regulierung des Marktes für private Kurzzeitvermietungen schlichtweg untergraben und Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus und zu fairem Wettbewerb massiv erschwert. Zudem offenbarte dieses Urteil, dass die damaligen und auch heute immer noch gültigen EU-Vorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr im Kern aus dem Jahr 2001 stammen – sie passen schlichtweg nicht mehr auf die heutigen Geschäftsmodelle der digitalen Plattformen.
Über HOTREC, den europäischen Dachverband der Hotels, Restaurants und Cafés in Europa, verabschiedeten die europäischen Hotelverbände bereits im November 2015 ein Strategiepapier sowie einen „10-Punkte-Plan zur Schaffung einer nachhaltigen und verantwortungsvollen ‘Sharing‘ Economy im Beherbergungsbereich.“ Die europäische Hotellerie war und ist der Überzeugung, dass das Rechtsvakuum bei der Kurzzeitvermietung von Unterkünften zu enormen Risiken beim Verbraucherschutz und bei der Gästesicherheit führt und zudem unlauteren Wettbewerb und wirtschaftlichen Grauzonen befördert. Zu unseren Kernforderungen zählte die Notwendigkeit der Registrierung und der statistischen Messung der wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die Erfüllung von Steuerpflichten und die Wahrung der Lebensqualität in den besonders betroffenen Stadtteilen.
Lange Zeit tat sich die EU-Kommission schwer, die Probleme im Bereich der Kurzzeitvermietung von Unterkünften, aber auch bei der Personenbeförderung (Stichwort: Uber) richtig einzuordnen. Das lag neben dem Astroturfing ohne Zweifel auch an den schönen Versprechen, welche die in Brüssel sehr aktiven Vertreter der „Sharing“-Plattformen zu betonen nie müde wurden: Teilen statt Haben. Wer hat, gibt denen, die nicht haben. Das klingt brüderlich, mit fast schon religiösem Anspruch. Die ganze Welt als eine WG, die sich gegenseitig hilft.
Erst langsam reifte in Politik und Gesellschaft die Erkenntnis, dass in der Welt der „Sharing“ Economy die eigentlich gute Meins-ist-Deins-Philosophie kaschiert und gleichzeitig mit dem Mangel an Wohnraum und der Abwesenheit von Regulierungen ein lukratives Geschäft gemacht wird. Mit gemeinsamer Ressourcennutzung oder Altruismus haben die meisten Geschäftsmodelle mittlerweile nichts mehr zu tun, weder seitens der Plattformen noch seitens der Anbieter.
Laut EUROSTAT machen kurzfristig vermietete Unterkünfte mittlerweile etwa ein Viertel aller Touristenunterkünfte in der EU aus. Und ihre Zahl nimmt in der gesamten EU kontinuierlich zu. Dieser Trend hielt auch während der COVID-19-Krise an: Die Zahl der Buchungen kurzfristig vermieteter Unterkünfte lag in den Sommern 2020 und 2021 über dem entsprechenden Niveau von 2018. Darüber hinaus ist die Zahl der Buchungen im ersten Halbjahr 2022 verglichen mit Vorjahreszeitraum um 138 % gestiegen.
Es ist daher mehr als verständlich, dass die EU-Kommission ihren Wertekompass neu justieren musste und aktuell mit Hochdruck daran arbeitet, die wirtschaftlichen Grauzonen, die durch die „Sharing“ Economy entstanden sind, gründlich auszuleuchten.
In den letzten Monaten sind auf europäischer Ebene - endlich - gleich vier Gesetzesentwürfe veröffentlicht worden bzw. in Kraft getreten, die zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen Anbietern von Kurzzeitvermietungen und der klassischen Hotellerie beitragen werden.
Ein Überblick:
VAT in the Digital Age - ViDA
Am 8. Dezember 2022 hat die EU-Kommission Maßnahmen vorgeschlagen, um das Umsatzsteuersystem der EU zu modernisieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umsatzsteuer im digitalen Zeitalter (VAT in the Digital Age – ViDA) sollen Unternehmen das Leben erleichtern, aber das System insgesamt auch widerstandsfähiger gegen Betrug machen. Gleichzeitig will man Herausforderungen begegnen, die sich durch die Entwicklung der Plattformwirtschaft im Umsatzsteuerbereich ergeben haben. Konkret heißt das, dass gemäß den neuen Vorschriften Plattformbetreiber in den Bereichen Personenbeförderung (wie Uber) und Kurzzeitvermietung von Unterkünften (wie Airbnb, Booking.com, etc.) künftig dafür zuständig sind, die Umsatzsteuer zu erheben und an die Steuerbehörden abzuführen, wenn die Anbieter auf der Plattform dieses nicht selber tun, beispielsweise, weil es sich bei ihnen um kleine Unternehmen oder einzelne Anbieter handelt.
Bei dem Vorschlagspaket handelt es sich um Änderungen an gleich drei EU-Rechtsakten: Mehrwertsteuerrichtlinie (2006/112/EG), Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates und Verordnung (EU) Nr. 904/2010) des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden. Die Legislativvorschläge werden nun dem Rat zur Zustimmung und dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Konsultation übermittelt.
STR-Regulierung - Mehr Transparenz, besserer Datenaustausch
Einen Monat zuvor, am 07. November 2022, hat die EU-Kommission bereits einen Vorschlag für eine neue Verordnung zur Erhebung und den Austausch von Daten im Zusammenhang mit Dienstleistungen im Bereich der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften veröffentlicht, um die kurzfristige Vermietung von Unterkünften EU-weit transparenter, effektiver und nachhaltiger zu machen. Der Vorschlag soll ausdrücklich die derzeitige Fragmentierung bei der Weitergabe von Daten durch Online-Plattformen wie Booking.com, Airbnb und Expedia beheben und somit letztlich illegale Angebote verhindern. Daten von Gastgebern und Online-Plattformen sollen so in Zukunft besser erhoben und ausgetauscht werden.
Konkret verspricht die neue Verordnung ein einheitliches Verfahren für die Registrierung von Kurzzeitunterkünften, bei welchem dem Gastgeber eine Registrierungsnummer zugeteilt wird. Die einzelnen EU-Länder sollen dabei die vollständige Kontrolle über die generelle Regulierung des Kurzzeitvermietungssektors behalten.
Die Online-Plattformen müssen nach den neuen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass in Gebieten, in denen eine Registrierungspflicht besteht, eine gültige Registrierungsnummer vorhanden ist, bevor eine Einheit in Betrieb genommen und zur Vermietung freigegeben wird. Die Oberfläche der Plattform soll so angepasst werden, dass die Registrierungsnummer deutlich sichtbar ist. Von den Online-Plattformen wird außerdem erwartet, dass sie „angemessene Anstrengungen unternehmen, um die Angaben ihrer Gastgeber stichprobenartig zu überprüfen.“ Tech-Plattformen wie Airbnb und Booking sollen zudem jeden Monat die Daten automatisch an eine nationale zentrale Meldestelle übermitteln.
Der Kommissionsvorschlag wird nun im Hinblick auf seine Annahme vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert. Nach seiner Annahme und seinem Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten eine Frist von zwei Jahren, um die erforderlichen Mechanismen für den Datenaustausch einzurichten.
Auch diese Initiative der Europäischen Kommission ist sehr zu begrüßen, erfüllt sie doch nahezu alle Anregungen, die wir über HOTREC als Positionspapier zur Regulierung von STR- Unterkünften im Juli 2022 vorgeschlagen haben.
Gesetz über digitale Dienste - DSA
Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services ACT – DSA), das am 16. November 2022 in Kraft getreten ist, legt eine Reihe von weiteren Meldepflichten für Online-Plattformen fest, um die Transparenz ihrer Funktionsweise zu erhöhen, illegale Aktivitäten ihrer Nutzer zu bekämpfen und die Rechte der Nutzer zu schützen. Die den Plattformen auferlegten spezifischen Sorgfaltspflichten umfassen z.B. die Gewährung von Datenzugang für unabhängige Prüfer. Darüber hinaus werden „sehr große Online-Plattformen“ verpflichtet, Risikomanagementmaßnahmen gegen die Verbreitung schädlicher Waren oder illegaler Inhalte zu ergreifen. Diese Pflichten werden für Online-Plattformen gelten, die ihre Dienste für mehr als 10 % der der EU-Bevölkerung anbieten.
DAC7-Richtlinie
Bereits am 22. März 2021 wurde die Richtlinie (EU)2021/514 beschlossen. Sie verpflichtet die Betreiber von digitalen Plattformen, den europäischen Steuerbehörden Informationen über Transaktionen ihrer registrierten Verkäufer offenzulegen. Konkret geht es dabei um die Einkünfte, die diese durch die kommerzielle Nutzung der Plattform erzielen – unabhängig davon, ob die Leistung oder die Ware über die Plattform oder anderweitig abgerechnet wurde. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese sog. DAC7-Richtlinie bis zum 31. Dezember 2022 in nationales Recht umzusetzen, so auch Deutschland.
Die Bundesregierung hat bereits einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts (Plattformen-Steuertransparenzgesetz – PStTG) vorgelegt. Das PStTG soll am 01. Januar 2023 in Kraft treten.
Die oben genannten Regulierungen und Richtlinien werden dazu beitragen, die Transparenz bei der Identifizierung von Gastgebern von Kurzzeitunterkünften sowie bei den von ihnen einzuhaltenden Vorschriften zu verbessern und fairere Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer des Beherbergungsmarktes herzustellen. In Kombination miteinander dürfte dies nachdrücklich zur stärkeren Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für Online-Dienste und herkömmliche Dienste in den Bereichen Kurzzeitvermietung von Unterkünften und Personenbeförderung beitragen.
Das Level playing field im Bereich der Kurzzeitvermietung von Unterkünften rückt also ein ganzes Stück näher, die vom Hotelverband seit Jahren vehement kritisierte Schieflage kommt einer Balance näher. Diese vier Gesetzesinitiativen aus Brüssel sind die Schrift an der Wand für die ganz und gar nicht unmaßgebliche Schattenwirtschaft im Bereich der Kurzzeitvermietung.
2 Kommentare
14/12/2022 10:27 von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)
Das Ausmaß an nicht-deklarierten Vermietereinnahmen scheint gewaltig zu sein: Eine Sondereinheit der Hamburger Steuerfahndung hat gemeinsam mit anderen Bundes- und Landesbehörden in einem mehrjährigen internationalen juristischen Verfahren erreicht, dass Airbnb mit Sitz in Irland die Daten von Vermietern zu steuerlichen Kontrollzwecken herausrücken muss. Eine Sondereinheit mit Sitz beim Finanzamt Karlsruhe-Durlach hat daraufhin bereits 20.641 Kontrollmitteilungen zur Prüfung an örtlich zuständige Finanzämter weitergegeben und so zusätzliche Steuereinnahmen von über 69 Millionen Euro erzielt...
Quelle: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/fiskus-prueft-airbnb-einnahmen-100.html
22/12/2022 17:01 von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat heute endgültig den Weg frei gemacht für den in Italien 2017 eingeführten 21%igen Quellensteuerabzug für Kurzzeitvermietungen über Portale wie Airbnb: Das Unionsrecht steht dem ausdrücklich nicht entgegen. Die Regelung ist europarechtskonform und beispielgebend. Bravo!! 👏
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2022-12/cp220212de.pdf
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