Kontrollverlust
Blogpost von Tobias Warnecke zu Discount-Programmen der Buchungsportale
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache C-264/23 vom 19. September 2024 ist nun endlich europaweit klar, dass enge wie weite Bestpreisklauseln von Booking.com gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen und generell aus dem Geschäftsverkehr zu verbannen sind.
Die Online-Buchungsportale (OTAs) haben sich allerdings bereits vor Jahren faktisch auf die Ära nach dem Fall der Ratenparität eingestellt und Programme aufgelegt, mit denen sie ihrerseits die bis vor kurzem selbst verlangte (enge) Ratenparität unterlaufen.
Bei einigen dieser „Optimierungstools“ muss der Hotelpartner der Aktivierung zustimmen, manche OTAs aktivieren ihre Programme aber auch automatisch und oft ohne Wissen des Hotels.
Sollten Sie feststellen, dass diese Programme ohne Ihr Wissen und ohne Ihre Zustimmung von OTAs für Ihr Hotel angewendet bzw. aktiviert wurden, senden Sie bitte ein Information und ggf. aussagekräftige Screenshots an warnecke(at)hotellerie.de.
Unter dem Deckmantel der Optimierung und Effizienzsteigerung führen diese Programme dazu, dass Hotels zunehmend die Kontrolle über ihre eigenen Preise, Konditionen und Buchungsprozesse verlieren und immer stärker von den dominanten Buchungsportalen abhängig werden.
Es folgt eine Übersicht über die Programme und Mechanismen, die aktuell am häufigsten von OTAs eingesetzt werden, um die Kontrolle über die Raten & Konditionen der Hotellerie zu erlangen und die Gäste an sich zu binden.
Booking Sponsored Benefit
Eines der aktuell größten Ärgernisse für die Hotellerie ist das immer stärker ausufernde Undercutting der Buchungsportale, bei dem die Portale mit ihren Discount-Programmen die von den Hotels eingestellten Preise unterbieten, wann immer sie können und wollen.
Schon seit Jahren nehmen sich fast alle großen OTAs in ihren AGB die Freiheit, auf eigene Kosten eine Ermäßigung der vom Hotel angegebenen Zimmerpreise anzubieten. Booking.com spielt diese Möglichkeit zum Beispiel seit Anfang des Jahres 2019 in Deutschland über den sog. „Booking Sponsored Benefit” aus. Dabei wird dem Gast eine vergünstigte Rate angeboten, indem Booking.com auf einen Teil seiner Kommission verzichtet. Der Verzicht auf einen Teil der Provision trifft den OTA-Riesen nicht wirklich, denn die einzelnen Buchung ist auch noch zu einem Bruchteil der vereinbarten Provision für ihn profitabel. Booking.com setzt diesen unfreundlichen Akt den Hotels gegenüber ganz gezielt ein, um weitere Kunden zu gewinnen, Vertrauen in seine eigene Marke zu schaffen und den Direktvertrieb der Hotellerie zu diskreditieren.
Der vorerst schnellste und einfachste Weg für Hotels das Undercutting zu unterbinden ist es, das direkte Online-Payment (Booking.com wickelt die Zahlung ab) nicht mehr zu akzeptieren. Denn lediglich bei der Direktzahlung an Booking.com mit Hilfe einer virtuellen Kreditkarte wird der Booking Sponsored Benefit buchbar. Eine Deaktivierung des Online-Payment kann man (bisher) mit wenigen Klicks im Booking.com-Extranet im Bereich Unterkunft / Richtlinien selber vornehmen.
Es ist allerdings zu beachten, dass die Deaktivierung des Online-Payment das Ranking bei Booking.com beeinflusst. Auch sollte das Buchungsverhalten der Gäste genau beobachtet werden, denn wird ein Großteil der Buchungen über Zahlungsoptionen wie Paypal oder Direktüberweisung via Booking.com abgewickelt, kann sich die Deaktivierung der Direktzahlung negativ auf die Performance auswirken.
SmartFlex (Risk free reservations) von Booking.com
Im Jahr 2018 hat Booking.com erstmals die sog. „Risikofreien Buchungen“ in Deutschland eingeführt und bereits damals für Unmut bei den Hoteliers gesorgt. Nun reaktiviert Booking.com dieses Programm unter dem klangvollen Namen „SmartFlex“ wieder.
Bei dem Programm werden Zimmerangebote auf Booking.com dem Kunden als kostenfrei stornierbare Buchungen angezeigt, selbst wenn die Option zur kostenlosen Stornierung vom Hotel gar nicht vorgesehen ist. Sollte der Kunde die Buchung dann tatsächlich stornieren, vermittelt Booking.com einen Ersatzgast, sodass dem Hotel kein Ausfall entsteht. Gelingt auch das nicht und bleibt das Zimmer leer, zahlt Booking dem Hotel den vollen Zimmerpreis.
Hotels, welche auf Booking.com sowohl kostenlos als auch kostenpflichtig stornierbare Raten anbieten, konkurrenzierten durch das SmartFlex-Programm damit ihre eigenen Angebote. Das teurere Zimmerangebot mit Option auf kostenlose Stornierung verliere jeglichen Sinn und Zweck, wenn das günstigere, nicht kostenlos stornierbare Angebot dem Kunden ebenfalls als kostenlos stornierbar angezeigt wird. Der durchschnittliche Zimmerpreis eines Hotels dürfte also sinken, da sich die Gäste mit Vorliebe für die günstigeren Angebote entscheiden werden.
Ein weiterer absehbarer Effekt wird sein, dass Booking.com plötzlich bessere Preise bzw. Konditionen anbieten kann als das Hotel auf seiner eigenen Website.
Einer der größten Kritikpunkte ist, dass Booking die Hotels automatisch in das „SmartFlex“-Programm einschreibt.
Aus rechtlicher Sicht ist der Handelsvertreter (zumindest in Deutschland) nicht berechtigt, ohne Einverständnis des Auftraggebers die Konditionen zu verändern, zu denen er die Vertragsware bzw. Dienstleistungen an den Endkunden vermittelt. Der Beauftragte ist vielmehr an Weisungen des Auftraggebers gebunden (BGH NZG 15, 364, 366 Tz 26: Weisungsrecht ist dem Auftragsverhältnis immanent). Nach § 665 BGB gilt lediglich: „Der Beauftragte ist berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Der Beauftragte hat vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.“
Booking.com geht hier einfach pauschal davon aus, dass die Hotels diese „Abweichung“ billigen, da ihnen aus Sicht von Booking.com ja kein finanzieller Schaden entstehe.
Booking.com agiert mit der eigenmächtigen Aktivierung des „SmartFlex“-Programmes für das Hotel (wie so oft) hart an der Grenze der Rechtmäßigkeit und setzt vermutlich darauf, dass viele Hoteliers aus Zeitmangel oder mangelnder Information nicht aktiv werden, um sich von dem Programm abzumelden.
Es ist daher dringend empfohlen im Extranet von Booking.com zu prüfen, ob das „SmartFlex“-Programm für Ihr Hotel aktiviert ist! Man kann SmartFlex-Buchungen je nach Bedarf im Extranet aktivieren oder deaktivieren.
Rate Match von Expedia
Mit Rundmail vom 6. Juni 2023 hat Expedia die so genannte „automatische Ratenangleichung“ in Deutschland eingeführt. Es handelt sich um eine Ergänzung zu den bestehenden vertraglichen Regelungen zwischen Expedia und den in Deutschland gelegenen Hotelpartnern, die es Expedia erlaubt, ohne weitere Rücksprache mit dem Hotel auf dem Hotelbuchungsportal von Expedia eingestellten Zimmerraten eigenmächtig zu erhöhen oder herabzusetzen. In dem Rundschreiben heißt es hierzu:
„Der automatische Ratenangleich ist ein leistungsstarkes Tool, das Ihre Expedia Group-Rate an Ihre wettbewerbsfähigste Rate angleicht. Sobald sich Ihre Raten für denselben Zimmer- und Ratentyp auf anderen Websites ändern, passt das Tool Ihre Expedia Group-Raten entsprechend nach oben oder unten an. Partner, die sich für den automatischen Ratenangleich entscheiden, verzeichnen im Schnitt: 16% mehr Sichtbarkeit, 15% mehr Umsatz, 3 Stunden Zeitersparnis pro Woche. Die Gäste sind zufrieden, weil sie immer Ihre wettbewerbsfähigsten Raten sehen. Und Sie können von mehr Sichtbarkeit, Umsatz und Zeitersparnis profitieren – alles ohne zusätzlichen Aufwand.“
Beim „automatischen Ratenangleich“ handelt es sich in der Sache um die extremste Ausgestaltung der weiten Ratenparität. Anstatt die Hotelpartner „nur“ zu verpflichten, keine günstigeren Raten auf konkurrierenden Hotelbuchungsportalen zu veröffentlichen lässt sich Expedia über den „automatische Ratenangleich“ das Recht einräumen, selber die fraglichen Ratenanpassungen anstelle der Hotelpartner eigenmächtig vorzunehmen, und ferner soll dieser Ratenangleich automatisch, also flächendeckend und in Echtzeit geschehen.
In besonderem Maße ist auch auf Folgendes hinzuweisen: ausweislich der o.g. Beschreibung des „automatischen Ratenangleichs“ soll Expedia befugt sein, die Raten des Hotels „nach oben oder unten“ anzupassen. Es geht also nicht allein um die Durchsetzung der weiten Ratenparität dahingehend, dass Expedia die auf seinem Hotelbuchungsportal eingestellten Raten herabsetzt um ggf. günstigere Angebote bei Booking.com und HRS zu matchen. Vielmehr soll Expedia im Rahmen des „automatischen Ratenangleichs“ ebenfalls befugt sein, die Zimmerpreise heraufzusetzen. Durch diese Regelung wird den Hotelpartnern die Preissetzungs- und Preisdifferenzierungsfreiheit vollständig aus der Hand geschlagen. Zudem wird durch diese Regelung das von der deutschen Hotellerie mühsam erkämpfte Verbot der engen Ratenparität faktisch entwertet; denn die Hotels müssen ja damit rechnen, dass Preisdifferenzierungen dahingehend, dass auf Expedia die günstigsten Raten eingestellt werden, umgehend durch entsprechende Ratenanhebungen seitens Expedia nivelliert werden.
Um die Hotels zur Annahme des „automatischen Ratenangleichs“ zu veranlassen, bot Expedia im Juni 2023 einen auf 90 Tage zeitlich begrenzten 10%igen Rabatt auf die Vermittlungsprovision an. Anders als bei Booking.com wurde der automatische Ratenabgleich von Expedia nicht automatisch für alle Hotelpartner aktiviert. Es lohnt sich aber dennoch zu prüfen, ob der automatische Ratenabgleich wirklich deaktiviert ist.
Multisourcing der Buchungsportale
Ein weiteres Problem, das den Kontrollverlust der Hotellerie über die Raten und Konditionen befeuert, ist das sog. Multisourcing. Die Online-Buchungsportale weiten dabei ihre Zusammenarbeit mit anderen Vertriebskanälen aus und werden so quasi zu einer Metasuchmaschine. Anders als bei Anbietern wie etwa Google, Trivago oder TripAdvisor, werden User hier zum Buchen nicht auf andere Buchungs-Plattformen weitergeleitet, sondern können direkt auf der Portal-Seite buchen, auch wenn die Buchung eigentlich im System eines Partners einläuft. Booking.com, Expedia und HRS nutzen seit einigen Jahren dieses Multisourcing. Angebliches Ziel ist es, dem Nutzer immer beste Raten und Verfügbarkeiten zu bieten.
Der Hotelverband Deutschland (IHA) hält den gemeinsamen Vertrieb von Booking.com, HRS, Expedia und anderen Multisource-Partnern für durchaus problematisch. Zum einen führt diese Praxis zu Verwirrung bei den Verbrauchern, die beispielsweise ein Zimmer über Booking.com buchen, aber eine Reservierungsbestätigung von einem völlig anderen Anbieter erhalten. Bei eventuellen Problemen oder Fragen muss sich der Verbraucher dann an diese Portale wenden, die meist außerhalb der EU ansässig sind und oft nur einen geringen oder gar keinen Kundenservice bieten. De facto schlägt der Gast mit seiner Beschwerde an der Hotelrezeption auf, die den Vorgang nur mühselig und unvollständig rekonstruieren können wird.
Problematisch ist das Multisourcing auch aus kartellrechtlicher Sicht, nämlich unter dem Blickwinkel des „gemeinsamen Vertriebs“. Booking.com, Expedia und HRS sind intra-brand Wettbewerber und durch das Multisourcing wird dieser intra-brand Wettbewerb zumindest teilweise gedämpft.
Die europaweite Online-Umfragen von HOTREC ergab, dass im Jahr 2023 insgesamt 43% der Hotels in Europa von dem Multisourcing der Portale betroffen waren. Bei 46% dieser Hotels hatte das Multisourcing negative Implikationen.
Sind Sie von der Praxis einiger Online-Reisebüros (OTAs) betroffen, die Preise und Verfügbarkeiten von anderen OTAs auf ihren eigenen Plattformen anbieten (sogenanntes "Multisourcing")?
Eine noch zweifelhaftere Methode, den Direktvertrieb der Hoteliers zu unterminieren und immer die günstigste Rate anzubieten, ist die Zusammenarbeit zwischen OTAs und Reiseveranstaltern bzw. Wholesalern. Die Buchungsportale erhalten so Zugriff auf die Zimmerkontingente von Veranstaltern und Wholesalern zu vergünstigten Nettoraten, die eigentlich nur im Rahmen einer Pauschalreise, also in Kombination mit anderen Reiseleistungen vertrieben werden dürfen. Sobald nun ein Hotel die offen oder verdeckt geäußerten Preisparitätserwartungen der OTAs „enttäuscht“, greifen Portale auch auf solche Zimmerkontingente von Reiseveranstalter bzw. Wholesalern zu, entpaketieren und bieten die günstige Rate in der rechtlichen Dunkelgrauzone solo an.
Booking.basic
Die großen OTAs verkaufen beispielsweise über Programme wie „Booking.basic“ schon seit einiger Zeit solche „third-party rates“ und unterbieten damit massiv ihre Hotelpartner. Aber auch Portale wie Snaptravel, Destina, Traveluro, Travellergram und Zenhotels, die im Vergleich zu den Mainstream-OTAs eine eher geringe Bekanntheit und Markenpräsenz haben, gehören mit zu den ärgerlichsten Preismanipulatoren.
Im Ergebnis sorgt Booking.com durch diese Initiative damit selbst für Ratenparität, wenn die Hotels diese nicht von sich aus gewährleisten. Dies kann schwerlich mit dem Verbot der weiten und engen Bestpreisklausel vereinbar sein. Besonders in Bezug auf Booking.basic sind Hotels sicher gut beraten, genau zu prüfen, welchen Vertriebspartnern sie welche Raten zur Weitervermittlung zur Verfügung stellen. Notfalls empfiehlt es sich, anonyme Testbuchungen im eigenen Haus vorzunehmen, um den manchmal sehr verschlungenen Vertriebswegen auf die Schliche zu kommen.
Wie schon erwähnt, ist es dringend geraten, die Einstellungen und Aktivierungsoptionen in den System der OTAs regelmäßig zu prüfen und mit den Distributionszielen des Hotels abzugleichen, um die Kontrolle über die eigenen Raten, Konditionen und Verfügbarkeiten nicht zu verlieren.
3 Kommentare
27/09/2024 09:34 von Tobias Klutschewski / Hotel City Krone Friedrichshafen
Sehr geehrter Herr Warnecke, vielen Dank für Ihren super Artikel. So umfassend hat es bisher noch keiner vor Ihnen thematisiert und zusammengetragen. Mit den Auswirkungen eben dieser Maßnahmen, seitens der OTA, haben wir tagtäglich zu kämpfen. Wenn man die Dinge nun benennen kann und sich ansatzweise damit auskennt, kann man den Herrschaften (OTA´s) jetzt mal ganz anders gegenübertreten. Vielen Dank für Ihren Input. 1000 Dank und weiter so...
Herzliche Grüße vom Bodensee
Tobias Klutschewski
27/09/2024 10:12 von Tobias Warnecke / Hotelverband Deutschland
Vielen Dank, lieber Herr Klutschewski!
Über all diese Themen und noch viele weitere sprechen wir in aller Tiefe auch bei unserer neuen Veranstaltungsreihe IHA vor Ort.
Am 08. Oktober sind wir in Stuttgart - kommen Sie gerne vorbei.
Zum Programm und zur Anmeldung
27/09/2024 14:51 von Meike Schlömer-Thomann / Hotel Schlömer
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