Race to the Bottom
Blogpost von Tobias Warnecke zum Undercutting der Buchungsportale

Dass der moralische Wertekompass der marktprägenden Online-Buchungsportale (OTAs) einer Neu-Kalibrierung bedarf, ist nicht erst durch das kurzsichtige und nur auf den eigenen Vorteil bedachte (Fehl-) Verhalten der Portale während der Corona-Krise deutlich geworden.
Der Kampf um den Gast hat sich gerade in den letzten Monaten drastisch verschärft. Eines der aktuell größten Ärgernisse für die Hotellerie ist das immer stärker ausufernde Undercutting der Buchungsportale, bei dem die Portale mit ihren Discount-Programmen die von den Hotels eingestellten Preise unterbieten, wann immer sie können und wollen.
Schon seit Jahren nehmen sich fast alle großen OTAs in ihren AGB die Freiheit, auf eigene Kosten eine Ermäßigung der vom Hotel angegebenen Zimmerpreise anzubieten. Booking.com spielt diese Möglichkeit zum Beispiel seit Anfang des Jahres 2019 in Deutschland über den sog. „Booking Sponsored Benefit” aus. Dabei wird dem Gast eine vergünstigte Rate angeboten, indem Booking.com auf einen Teil seiner Kommission verzichtet. Der Verzicht auf einen Teil der Provision trifft den OTA-Riesen nicht wirklich, denn die einzelnen Buchung ist auch noch zu einem Bruchteil der vereinbarten Provision profitabel. Booking.com setzt diesen unfreundlichen Akt den Hotels gegenüber ganz gezielt ein, um weitere Kunden zu gewinnen, Vertrauen in seine eigene Marke zu schaffen und den Direktvertrieb der Hotellerie zu diskreditieren.
Undercutting von Booking.com (Screenshot)
Quelle: Booking.com
Rechtlich gesehen sind diese Discount-Programme der Portale dem Grundsatz nach nicht angreifbar. Die Reduzierung des Zimmerpreises durch (teilweise) Provisionsweitergabe ist kartellrechtlich zulässig, zumindest solange der Rabatt die vom Hotel zu zahlende Provision nicht übersteigt!
Lediglich Portugal hat mit der Gesetzesverordnung 108/2021 zum 1. Januar 2022 ein Verbot des Weiterverkaufs durch Dritte zu einem niedrigeren Preis eingeführt – vielleicht ein Vorbild für ganz Europa?
Eine noch zweifelhaftere Methode, den Direktvertrieb der Hoteliers zu unterminieren und immer die günstigste Rate anzubieten, ist die Zusammenarbeit zwischen OTAs und Reiseveranstaltern bzw. Wholesalern. Die Buchungsportale erhalten so Zugriff auf die Zimmerkontingente von Veranstaltern und Wholesalern zu vergünstigten Nettoraten, die eigentlich nur im Rahmen einer Pauschalreise, also in Kombination mit anderen Reiseleistungen vertrieben werden dürfen. Sobald nun ein Hotel die offen oder verdeckt geäußerten Preisparitätserwartungen der OTAs „enttäuscht“, greifen Portale auch auf solche Zimmerkontingente von Reiseveranstalter bzw. Wholesalern zu, entpaketieren und bieten die günstige Rate in der rechtlichen Dunkelgrauzone solo an.
Die großen OTAs verkaufen beispielsweise über Programme wie „Booking.basic“ schon seit einiger Zeit solche „third-party rates“ und unterbieten damit massiv ihre Hotelpartner. Aber auch Portale wie Snaptravel, Destina, Traveluro, Travellergram und Zenhotels, die im Vergleich zu den Mainstream-OTAs eine eher geringe Bekanntheit und Markenpräsenz haben, gehören mit zu den ärgerlichsten Preismanipulateuren.
Wurde das Undercutting vor und während der Pandemie unser Wahrnehmung nach eher behutsam eingesetzt, unterbieten die OTAs inzwischen die vom Hotel eingestellten Preise in einem erheblichen Ausmaß und rasieren damit ganz ungeniert die in ihren eigenen Verträgen gewünschte, teils noch geforderte, Ratenparität.
Preisdarstellung auf Metasuchmaschinen in Europa (Januar 2023)
Quelle: triptease.com
Eine Auswertung von Triptease zeigt, dass seit Januar 2023 in Europa 49% aller Hotelpreise, die auf den Metasuchmaschinen (Google Hotel Suche, Tripadvisor, Trivago) angezeigt wurden, von mindestens einem OTA unterboten wurden, dabei betrugen über 50% der Preisunterschreitungen durch große OTAs einen „Rabatt“ von weniger als 5%. Zudem wurde deutlich, dass das Undercutting durch die dominanten OTAs einen größeren Einfluss auf Direktbuchungen hat als das teils mit einem höheren Rabatt belegte Undercutting durch kleinere No-Name OTAs.
Aktuell ist das zur Booking Holdings gehörende Buchungsportal agoda einer der größten Preisdrücker am europäischen Markt. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Beziehung zwischen agoda und den Hoteliers alles andere als partnerschaftlich ist. Neu aber ist, dass mittlerweile sogar Mitbewerber wie Expedia das ungenierte Undercutting von agoda kritisieren.
Undercutting von agoda auf Trivago
Quelle: www.trivago.de
So prangerte Expedia-CEO Peter Kern agoda kürzlich öffentlich an und bezeichnete es als "einen der Schlimmsten" in Bezug auf Preismissbrauch. Kern räumte ein, dass Expedia in der Vergangenheit selbst gegen die Bestimmungen zur Preisparität verstoßen habe, betont jedoch, dass Expedia bestrebt sei, das Richtige zu tun...
Ob die Motivation hinter diesem Statement nun wirklich das Interesse an einer fairen und ausgewogenen Partnerschaft mit den Hotels ist, oder die eigenen Vertriebsinteressen von Expedia im Vordergrund stehen, bleibt dahingestellt. Zumindest zeigt sich, dass die ungenierte Preisdrückerei der Buchungsportale mittlerweile selbst in den eigenen Reihen für Unmut und Schamröte im Gesicht sorgt.
Doch welche Möglichkeiten haben Hotels, den Preismissbrauch durch Buchungsportale einzudämmen?
Die beste Rate nur direkt!
Um einem Preismissbrauch durch die Buchungsportale vorzubeugen sollten Hotels auf der eigenen Webseite die beste Rate aller Vertriebskanäle anbieten. Die beste Rate gehört dabei nicht nur auf die eigene Webseite, sondern auch auf alle relevanten Metasuchmaschinen (Google Hotel Ads, Trivago, Kayak, Tripadvisor). Je mehr Sichtbarkeit, desto besser.
Verfügbarkeit und Konditionen steuern
Eine große Stärke, der sich viele Hoteliers oft nicht wirklich bewusst sind, ist die Kontrolle über das Inventar. Hoteliers in Deutschland aber auch in Italien, Frankreich, Österreich, Belgien, Portugal und der Schweiz sind seit dem Verbot der Paritätsklauseln wieder frei in ihrer Entscheidung, welche Rate und – noch wichtiger – welche Verfügbarkeit und welche Konditionen wann, wem und auf welchem Vertriebskanal angeboten werden. Diese Steuerungsmöglichkeit muss aber von den Hotels auch genutzt werden.
Quelle: kayak.com
Technologie nutzen:
Hotels können technologische Lösungen wie Rate-Shopping-Tools oder Preisverfolgungssoftware einsetzen, um den Markt zu überwachen und Preisverletzungen automatisiert zu erkennen. Diese Tools können Hotels dabei unterstützen, den Preismissbrauch schnell zu identifizieren und Gegenmaßnahmen vorzunehmen.
Testbuchungen durchführen:
Wenn es um „third-party rates“ geht, sind Hotels gut beraten, genau zu prüfen, welchen Vertriebspartnern sie welche Raten zur Weitervermittlung zur Verfügung stellen. Notfalls empfiehlt es sich, anonyme Testbuchungen im eigenen Haus vorzunehmen, um den manchmal sehr verschlungenen Vertriebswegen auf die Schliche zu kommen.
Teilnahme an Kundenbindungspragrammen der OTAs auf Sinnhaftigkeit prüfen:
Wenn Hotels ermäßigte Raten und Konditionen für Kundenbindungsprogramme der OTAs (z.B. Booking Genius) anbieten, sollte sichergestellt sein, dass diese nicht die Direktbuchungsstrategie des Hotels unterlaufen. Jeder Buchungsanreiz, der einem OTA angeboten wird, sollte sich auch im Direktangebot des Hotels widerspiegeln.
Klare Vertragsvereinbarungen mit Reiseveranstaltern aushandeln:
Hotels sollten klare Vereinbarungen mit Reiseveranstaltern und Wholesalern treffen und diese dazu verpflichten, die gewährten Nettopreise nur im Rahmen einer Pauschalreise, oder wenigstens in Kombination mit anderen Reiseleistungen anzubieten.
Vor- uns Nachteile der Zahlungsabwicklung durch die OTAs abwägen:
Der bisher schnellste und einfachste Weg für Hotels, das Rabattieren seitens der OTAs aus der Provision zu unterbinden, ist die Akzeptanz des Online-Payments (OTA wickelt die Zahlung ab) zu unterbinden. Denn lediglich bei der Direktzahlung des Gastes an den OTA ist es für das Buchungsportal ohne größere Schwierigkeiten möglich, Rabatte gegen die Interessen seines Hotelpartners den Gästen zu gewähren. Es ist allerdings zu beachten, dass die Deaktivierung des Online-Payment das Ranking beeinflussen und sich somit negativ auf die Performance auswirken kann.
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