Gestörte Wahrnehmung - „Digitale Agnosie“
Blogpost von Tobias Warnecke zu den Anpassungen der Suchergebnisse bei Google nach dem Digital Markets Act (DMA)
Mit dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, digitale Plattformen als sogenannte Torwächter (Gatekeeper) zu benennen, wenn Sie als „Zugangstor" zwischen Unternehmen und Verbrauchern agieren. Der DMA umfasst digitale Plattformen, Suchmaschinen und Online-Werbenetzwerke und gilt unter anderem für Amazon und Meta‘s Social Networks, aber auch für Microsoft und Google als Suchmaschinenbetreiber.
Zu den neuen Vorschriften für die Gatekeeper zählt unter anderem die Nichtdiskriminierung anderer Dienste auf der eigenen Plattform (Artikel 6 (5) Gesetz über digitale Märkte). Die neuen Regeln treten am 06. März 2024 in Kraft, sodass Google aktuell mit Hochdruck eine Reihe von Änderungen an seinen Suchergebnisseiten vornimmt. Die Änderungen betreffen insbesondere die Darstellung der organischen Hotel- und Restaurantsuchergebnisse, aber auch die Flug- und Produktsuche in der EU sind von den Änderungen betroffen. Was sich bis jetzt bei der Hotelsuche auf Google geändert hat, beschreibt ein Beitrag auf dem Newsportal Search Engine Roundtable.
Vor einigen Wochen hat Google in einem Blogbeitrag erläutert, was bei den SERP (Search Engin Result Pages) angepasst wird:
„Wir werden (bei den organischen Suchergebnissen) dedizierte Einheiten einführen, die eine Gruppe von Links zu Vergleichsseiten aus dem gesamten Web enthalten und Abfrageverknüpfungen (Chips) am oberen Rand der Suchseite einführen, um Menschen zu helfen, ihre Suche zu verfeinern, einschließlich der Fokussierung von Ergebnissen nur auf Vergleichsseiten. Für Kategorien wie Hotels werden wir auch mit einem dedizierten Bereich für Vergleichsseiten (OTAs und Metasuchmaschinen) und direkte Anbieter beginnen, um detailliertere Ergebnisse wie Bilder, Bewertungen und mehr anzuzeigen. Diese Änderungen führen zur Entfernung einiger Funktionen von der Suchergebnisseite, wie beispielsweise der Google Flights-Einheit.“
Bereits im September 2023 veranstaltete Google einen Informationsworkshop für den europäischen Hotelsektor (Kettenhotels, unabhängige Hotels, nationale und europäische Verbände) sowie Vertreter der Europäischen Kommission, die als Beobachter eingeladen waren. Bei dieser Veranstaltung präsentierte Google die geplanten Änderungen zur Einhaltung der DMA-Vorschriften, insbesondere zu Artikel 6 (5), der eine nicht-diskriminierende Behandlung in der Darstellung und Rangfolge der Suchergebnisse verlangt.
Im Dezember 2023 fanden dann zahlreiche Meetings zwischen Google, Vertretern der europäischen Hotellerie, den Vergleichsseiten und der Europäischen Kommission statt, an denen auch der Hotelverband Deutschland (IHA) teilnahm.
Aus Sicht der Hotellerie sind die von Google geplanten Änderungen bei der Darstellung der Suchergebnisse im Hotel- und Unterkunftssegment alarmierend, da die sehr reale Gefahr einer Verschlechterung der Sichtbarkeit der direkten Hotel- und Unterkunftswebseiten in den Suchergebnissen bei Google besteht.
Was für die Hotellerie aber noch viel beunruhigender ist, ist der Umstand, dass die geplanten Änderungen zu einer Erhöhung der Sichtbarkeit für Online-Buchungsplattformen (OTA) wie Booking.com oder Expedia sowie für Meta-Suchmaschinen (MSS) wie Kayak, Trivago und TripAdvisor führen werden.
Konkret würden die OTA und MSS, die bereits heute durch ihre professionelle Suchmaschinenoptimierung und milliardenschweren Werbeinvestitionen in Google Ads die Sichtbarkeit auf den Suchergebnisseiten von Google dominieren, dann über einen eigenen Suchfilter (genannt „Vergleichsseite„) sowie einen kostenlosen und sehr gut positionierten vertikalen Block in den oberen Suchergebnissen von Google dargestellt werden.
Unterkunftsanbieter, die es heute schon schwer haben, sich gegenüber den großen Plattformen zu behaupten, würden so in eine noch ungünstigere Position bei der Google-Suche verdrängt werden. Darüber hinaus würden die Änderungen zusätzliche Kosten für die Suchmaschinenoptimierung und -werbung für Hotels erzeugen, da diese gezwungen wären, den Verlust der Sichtbarkeit durch neue, kostenpflichtige Werbeanzeigen bei Google zu kompensieren.
Auch ist noch nicht klar, wie die im Jahr 2023 von Google erstmals in über 120 Märkten (nicht in Europa) getestete KI-basierte „Search Generative Experience“ die Darstellung der Suchergebnisse verändern wird. Hier steht ebenfalls zu befürchten, dass Inhalte von großen Aggregatoren und Buchungsportalen eine höhere Chance haben, von der KI ausgewählt und dargestellt zu werden.
Generell ist das Verbot der Selbstbevorzugung bei Gatekeepern (Artikel 6 (5)) im DMA und die Integration generativer KI in die Suche zu begrüßen, dieses darf aber nicht dazu führen, dass die Sichtbarkeit von Einzelhotels und Hotelgesellschaften bei bestimmten Suchbegriffen zugunsten marktmächtiger Online-Buchungsportale und Metasuchmaschinen vermindert wird. Es muss sichergestellt sein, dass alle Marktteilnehmer, also auch Einzelhotels, Hotelketten, Hotelkooperationen und kleinere Vermittlungsagenturen eine faire und gleichberechtigte Darstellung auf den Suchergebnisseiten von Google haben.
Wenn ein Nutzer, der bei Google (oder Bing) nach einem Hotel sucht, von OTA- und Metasuchangeboten überschwemmt wird und die direkte Website der Unterkunft nicht mehr entdeckt und somit auch nicht mehr klickt, würde das dem Geist des DMA – die Macht digitaler Monopole und Oligopole einzuschränken – fundamental widersprechen und alle Bemühungen der Hotellerie zur Stärkung des Direktvertriebs konterkarieren.
Der Hotelverband Deutschland (IHA) wird gemeinsam mit HOTREC, unserem europäischen Dachverband, diese „digitale Agnosie“ (Störung des Erkennens, ohne dass elementare sensorische Defizite vorliegt) sehr genau beobachten und auf nationaler und europäischer Ebene dafür kämpfen, dass eine faire und gleichberechtigte Wahrnehmung der Hotel- und Unterkunftssuchergebnisse auf den Suchergebnisseiten von Google gewährleistet wird.
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12/02/2024 20:38 von Sabine Möller / CPH Hotels
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