Saunascham

Markus Luthe / 28.08 2022

icon min Lesezeit

icon 3 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zur Energieversorgung

© ClipDealer

Nach der Flugscham soll jetzt allen Ernstes die Saunascham folgen? Eine solche Debatte befeuert zumindest der sommerliche Medien-Saunagang von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Er trifft damit die Wellnesshotels über seine Landesgrenzen hinaus ins Mark und offenbart ein für einen Regierungschef eines Tourismuslandes durchaus bemerkenswertes Marktunverständnis. Und Klaus Müller, der ehemalige grüne Umweltminister aus Schleswig-Holstein und jetzige Chef der Bundesnetzagentur, macht an diesem Wochenende einen medialen Saunaaufguss mit der herben Duftnote der „groben Unsolidarität“.

Bei solchen halbprivat geäußerten Empfehlungen von Mandatsträgern beschleicht mich stets ein ungutes Gefühl und ein Hauch von Déja-vu. Ich habe noch zu gut in Erinnerung, wie ein inoffizieller Corona-Aufruf von RKI-Präsident Lothar Wieler, auf Veranstaltungen zu verzichten („es ist fünf nach zwölf“), zu einer sofortigen Stornierungswelle in der Hotellerie führte. Und hinterher hatten viele Betriebe bei der Schadensregulierung größte Nachweisprobleme, ihren Leerstand kausal auf eine förmliche Behördenanweisung im Sinne des Infektionsschutzgesetzes zurückzuführen.

Überhaupt halte ich solche offiziösen Politikerempfehlungen zu den persönlichsten Lebensbereichen der Menschen für latent übergriffig und absurd, seien es Hinweise zu Duschdauer und -temperatur oder zur Körperpflege. Waschlappen haben in der Politik nichts zu suchen!

Rolf Seelige-Steinhoff, Vorstand der SEETELHOTELS, hatte ja bereits hier im IHA-Blog betriebswirtschaftlich heruntergebrochen, welche Bedeutung die Wellnessbereiche für die Resorthotellerie haben und welch dramatischen Konsequenzen ein Kappen der Energiezufuhr hätte. Ich empfehle politischen Saunagängern dringend die Lektüre vor einem weiteren Anheizen der Debatte!

Werfen wir stattdessen einen Blick darauf, mit welchen gesetzgeberischen Maßnahmen die Bundesregierung das notwenige Einsparen von Energie erreichen will. Das Bundeskabinett hat am 24. August basierend auf § 30 Energiesicherungsgesetz zwei Energieeinsparverordnungen gebilligt, die eine jährliche Einsparung von knapp 20 Terawattstunden (TWh) Gas – das entspricht eine Verringerung des deutschen Gasverbrauchs um rd. 2 Prozent – bewirken. Hinzu sollen weitere Einsparungen beim Stromverbrauch von mehr als zehn TWh kommen.

Das scheint auf den ersten Blick auch alles umsetzbar. Allein ein Detail in der Mittelfristenenergiesicherungsverordnung (EnSimiV) muss noch einmal auf den Prüfstand: Unternehmen mit einem jährlichen durchschnittlichen Gesamtenergieverbrauch von mehr als 10 Gigawattstunden (GWh) sollen verpflichtet werden, alle wirtschaftlich durchführbaren Energieeffizienzmaßnahmen unverzüglich – spätestens innerhalb eines Jahres – umzusetzen, die im Rahmen von Energie- und Umweltmanagementsystemen und Energieaudits nach Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) identifiziert wurden. Das ist angesichts der Knappheiten in den Lieferketten, der Dauer von Genehmigungsverfahren und des Finanzierungsbedarfs vorsichtig ausgedrückt „ambitioniert“. Und hierunter fallen durchaus auch größere Hotelgesellschaften – möglicherweise ausgerechnet diejenigen, die schon bei den Corona-Beihilfen benachteiligt worden sind.

Das wirft auch generell die Frage auf, welche Unterstützung die Bundesregierung den von explodierenden Energiekosten betroffenen Unternehmen zukommen lassen will? Bislang richtete sich der Blick der Politik fast ausschließlich auf die Verbraucher und Gaslieferanten. Die Energiekrise scheint sich aber zu einer veritablen Wirtschaftskrise auszuwachsen – gerade auch in der Hotellerie.

Auf europäischer Ebene ist längst Bewegung in dieser Frage zu beobachten, seit die EU-Kommission im April Spanien und Portugal vorübergehend erlaubte, nationale Gaspreisdeckel einzuführen. Die Maßnahme hat nun die derzeit tschechische Ratspräsidentschaft weit oben auf die Agenda gesetzt und auch in Deutschland nimmt die Diskussion um effektive, aber mit Marktmechanismen kompatible Preisdeckel für Gas und Strom Fahrt auf. Auch die EU-Kommission will nun noch zügiger als erwartet einen Legislativvorschlag für ein neues Strommarktdesign präsentieren, um schneller und umfassender gegen hohe Strompreise vorgehen zu können.

Es ist auch höchste Zeit, dass etwas geschieht!


3 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
3 Bemerkungen :

August 28 2022 10:20 am von Stefan Wild / HotelGast GmbH

Wieder einmal auf den Punkt gebracht.


In der Politik fehlt es an Fachwissen und vor allem an der Gabe zuzuhören, wenn Fachleute sprechen.


Manchmal ist man besser beraten, an der Basis zuzuhören.

August 29 2022 4:19 pm von Renate Mitulla / DEHOGA Niedersachsen

Diese hektische Aktivität der Bundesregierung zieht sich durch alle Themenbereiche. Egal ob Energie, Corona oder Entgelte. Überall dort, wo sich die Regierenden zu Wort melden und ohne Überlegung loslegen, gerät vieles aus den Fugen.
Es würde den politischen Entscheidungsträgern guttun, sich mal zurück zu lehnen, tief Luft zu holen und ausgereifte Vorschläge zu erarbeiten, die langfristig wirken und wirklich nachhaltig sind.

September 5 2022 2:29 pm von Wilfried Dreckmann / Spa project

Auf den Punkt. Waschlappen haben in der Politik nichts zu suchen!
Und es kommt noch etwas hinzu: Saunen und Bäder (öffentliche, halböffentliche oder eben auch die in Hotels) sind Teil der Gesundheitsvorsorge. Die Nutzung solcher Anlagen als "Luxus" zu bezeichnen, auf den es dann eben mal zu verzichten gälte, zeugt nicht nur von Marktunkenntnis, sondern ist purer Unsinn.

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
11.11.2025 von Markus Luthe
Unerhört
© DBT / Julia Nowak/ JUNOPHOTO

Der Tourismusausschuss des Deutschen Bundestags führt am morgigen Mittwoch eine öffentliche Anhörung „Plattformen der Ferienwohnungsökonomie und die Umsetzung der EU-Verordnung zur Kurzzeitvermietung 2024/1028” durch. Auf Vorschlag der Bundestagsfraktionen wurden vier Sachverständige ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus eingeladen. Zwei Wissenschaftler*innen, eine Vertreterin des Deutschen Ferienhausverbandes und eine Unternehmenssprecherin von Airbnb werden den Ausschussmitgliedern für ihre Fragen zur Verfügung stehen. Die vorab eingereichten Stellungnahmen der New Economics Foundation, von Airbnb und Ferienhausverband wurden auf der Website des Tourismusausschusses im Vorfeld hochgeladen. Auch wir haben unaufgefordert eine Stellungnahme für die Hotellerie eingereicht. Da sie jedenfalls bislang noch nicht auf der Internetseite des Bundestages verfügbar gemacht wurde, stellen wir sie hier zum Download barrierefrei zur Verfügung.

25.08.2025 von Markus Luthe
About Short Stay and Short Pay

Aufgrund einer Vereinbarung der europäischen Statistikbehörde Eurostat mit Airbnb, Booking und Expedia (bis Ende 2024 auch Tripadvisor) schließt sich langsam die Informationslücke über Kurzzeitvermietungen von Ferienhäusern, Wohnungen und Zimmer in ansonsten privaten Gebäuden. Diese Daten werden von bestehenden Tourismusregistern nicht erfasst. Für den Zeitraum ab 2021 stehen nun europaweit die Übernachtungsdaten zur Verfügung und sie belegen: Kurzzeitvermietung (Short-Term Rental, STR) über Online-Vermittlungsplattformen boomt.

16.04.2025 von Markus Luthe
Ton ab?

Es ist zugegebenermaßen ein nur mäßig beschallter Nebenschauplatz. Aber weil auch der schnell prohibitiv teuer werden kann, kümmern wir uns im Hotelverband gerade intensiv mit der zukünftigen Vergabe von Frequenzen aus dem sogenannten Ultrahochfrequenz-Band (UHF). Das Thema mag weder für die breite Öffentlichkeit noch für Hospitality Professionals eine Herzensangelegenheit sein, doch es illustriert ganz gut unser Verständnis von Verbandsarbeit für die Branche. Und deshalb schalte ich hier mal „den Ton an“.