Gesslerhut digital

Markus Luthe / 19.01 2024

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Blogpost von Markus Luthe zur Plattformökonomie

© Anschutz Entertainment Group Deutschland

Wäre diese Meldung am 1. April veröffentlicht worden, hätte ich sie direkt in meine jährliche April Fools Top Ten aufgenommen: Deutschland zweitgrößte Mehrzweckhalle an der Berliner East Side Gallery, die Heimat der Eisbären und der Albatrosse, wird schon bald nicht mehr „Mercedes-Benz Arena“, sondern „Uber Arena“ heißen. Der Platz vor der Arena wird von „Mercedes Platz“ auf „Uber Platz“ umgetauft und die angrenzende „Verti-Music Hall“ wird zur „Uber-Eats-Music-Hall". So einen Fast-Speed-Happen muss man erstmal verdauen…

Im Entertainmentgeschäft sind Sponsorenwechsel zwar gang und gebe. Doch dieser Namensaustausch passt nur zu gut in ein größeres Programm des „Whitewashing“ – farblich habe ich mich natürlich nur an der seit kurzem im Berliner Stadtbild vorherrschenden Wagenflotte orientiert…

Ich hätte aber auch durchaus alle fünf Farben des olympischen Farbspektrums referenzieren können, denn der Vorgang erinnert mich doch stark an den Olympia-Coup von Airbnb. Für kolportierte 500 Mio. US-Dollar wurde Airbnb Großsponsor des IOC und wird dieses Jahr während der olympischen Sommerspiele das Stadtbild der Seine-Metropole prägen – ausgerechnet der Stadt, die im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger weiter rigoros gegen illegale Wohnungsvermittlungen eben dieser Plattform vorgeht.

Nun werden also auch in Berlin „digitale Gesslerhüte“ für diese Spielart der Plattformökonomie aufgestellt, bei der schon lange niemand mehr von „Sharing Economy“ spricht. So ein Imagetransfer will werblich erkauft sein.

Derweil sind in Brüssel die europäischen Institutionen bemüht, die schlimmsten Auswirkungen dieser Spielart der Plattformökonomie einzudämmen: Mit der Kurzzeitvermietungsverordnung und der Plattformarbeitsrichtlinie wollen sie für ein ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit sorgen und prekäre Beschäftigungsverhältnissen unterbinden. Reparaturarbeiten am Unfallsort.

In Uberlin wird inzwischen das ebenso tradierte wie unzweifelhaft reformbedürftige Taxigewerbe – einstmals eine Institution in der Hauptstadt – smart aus dem Markt gedrängt. Die schwarz-rote Reform des Personenbeförderungsgesetzes 2021 scheint die Marktanteile nachhaltig zulasten der Hellelfenbeinfarbenen verschoben zu haben und die Uberisierung nimmt aufgrund des massiven Drucks der ehemaligen „Ridehailing-Anbieter“ ihren Lauf.

Vielleicht sollte vor diesem Hintergrund der Ort, wo am vergangenen Sonntag noch 14.000 Handballfans das Spiel Deutschland gegen Nordmazedonien jubelnd (und auch pfeifend) verfolgten, wirklich umbenannt werden. „Taxistand“ wäre ein wahrlich gebührender Vorschlag und jedem Uber-Fahrer eine Pflichteingabe ins Navigationssystem.

 


1 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
1 Bemerkungen :

22/01/2024 11:44 von Thomas Keitel / DEHOGA Ostwestfalen

und die dann spätestens im Rentenalter notwendigen Transferleistungen werden dann von unser aller Steuergeld bezahlt :-(

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