Europalokal
Blogpost von Markus Luthe zur Europawahl
Alle fünf Jahre, wenn die Europawahlen anstehen, stellen wir Europäer uns wieder die Frage wichtig oder unwichtig, Pro oder Protest? Ich denke, es war noch nie so wichtig, dass ein jeder von uns seine individuelle Standortbestimmung hierzu vornimmt. Als Ihr Lobbyboy in Berlin und Brüssel möchte ich mit diesem Blog ein paar Anmerkungen aus der Hotellerie beisteuern.
Unser Europa-Engagement kommt von Herzen! Unsere Branche lebt von Völkerverständigung, freien Grenzen, einem starken Binnenmarkt sowie der Mobilität von Mitarbeitern und Gästen. Unser Aufruf, zur Wahl zu gehen und pro-europäische Parteien zu unterstützen, ist deutlich und eindeutig.
Allzu häufig wird die grundsätzliche Europabegeisterung aber auf harte Proben durch „die da in Brüssel“ gestellt, wie es nur zu schnell und (ab)wertend heißt. Deshalb möchte ich ein Schlaglicht aus Branchensicht auf die jetzt ablaufende Legislaturperiode der europäischen Institutionen werfen.
Die Europäische Kommission hat in den letzten fünf Jahren sage und schreibe 471 Gesetzgebungsvorschläge unterbreitet, darunter so „einschlägige“ wie die Datenschutzgrundverordnung, das Verbot von Einwegplastik, die Pauschalreiserichtlinie oder die Abschaffung von Roaminggebühren in Mobilfunknetzen. Insgesamt hat „Brüssel“ in diesem Zeitraum 426 Verordnungen, 30 Richtlinien und 2.874 Entscheidungen verabschiedet.
Hinzu kommen noch unzählige Verwaltungsakte, oftmals im sogenannten Komitologieverfahren, bei dem Grenzwerte und Umsetzungsdetails oftmals unterhalb des Radars öffentlicher Aufmerksamkeit von Expertenkreisen getroffen werden, wie z.B. bei der leidigen Acrylamidverordnung (Stichwort: „Pommes-Ampel“). Hier liegt ein Demokratiedefizit auf der Hand.
Deutlich positiver fällt die EU-Bilanz auf den Gebieten aus, die tatsächlich am besten auf europäischer Ebene und nicht auf nationaler Ebene geregelt werden müssen, denn an Internet-Plattformen oder Kreditkartengesellschaften beißen sich nationale Regulierer nun einmal leicht die Zähne aus: Mit der Platform-to-Business Regulierung („P2B“) und dem „New Deal for Consumers“ hat das Europäische Parlament im April noch zwei Gesetzgebungspakete verabschiedet, die mehr Fairness und Transparenz in der Portalökonomie versprechen. Auch die Deckelung der Interbankenentgelte bei bargeldlosen Zahlungen über Debit- und Kreditkarten ist sicherlich auf dem Habenkonto von Kommission und Parlament zu verbuchen.
Und dennoch kommt es immer wieder auch zu systemischen Aussetzern im Brüsseler Betrieb und die Kommission wird unter Hintanstellen des Subsidiaritätsprinzips übergriffig und auch anmaßend zum Nachteil der Branche. Aktuelles Beispiel ist die Novellierung der EU-Trinkwasserrichtlinie, in die die Kommission gerne eine Pflicht zur kostenlosen Abgabe von Leitungswasser in Restaurants einträufeln möchte. Hier konnten wir zumindest zur Schadensbegrenzung erreichen, dass sich Europäisches Parlament und Rat für rein freiwillige Umsetzungsmaßnahmen aussprechen.
Für mich lautet die Konsequenz aus der Summe der Brüsseler Naherfahrungen, dass Europa nicht weniger Zuwendung durch uns alle erfahren sollte, sondern noch mehr Engagement und Detailarbeit. Es lohnt sich!
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