"Die Zerstörung des Kartellrechts"
Blogpost von Markus Luthe zu Bestpreisklauseln
Schon in der ersten mündlichen Verhandlung in der Causa „Booking ./. Bundeskartellamt“ am 8. Februar 2017 in Sachen Ratenparitätsklauseln wusste der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf zu verblüffen: Selbst für die Anwälte der Gegenseite völlig überraschend stellte er das rechtstheoretische Konstrukt einer „notwendigen Nebenabrede“ wettbewerbsrechtlich in den Raum und gab dem Bundeskartellamt zahlreiche Nachermittlungsaufträge auf. Und von dieser eigenwilligen Linie hat sich der Senat trotz Hunderte weiterer Seiten an Studien, Gäste- und Hoteliersbefragungen nicht mehr abbringen lassen.
Booking.com dürfe als Schutz vor ansonsten illoyal handelnden Hoteliers, die auf ihren Hotelhomepages günstigere Preise einstellen könnten, enge Ratenparitätsklauseln verlangen, um die „erheblichen Investitionen“ in seinen Geschäftsbetrieb abzusichern. Meine Intervention, dass diese Investitionen im Wesentlichen fast ausschließlich ins durchaus illoyal zu nennende Brand Bidding flössen, fand warum auch immer kein Gehör.
Auch kann nach der vom Bundeskartellamt vorgetragenen erdrückenden Beweislage kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen, dass Bestpreisklauseln zum Schutz vor trittbrettfahrenden Hoteliers nicht notwendig sind: Nicht einmal 1 Prozent der bei Booking.com ihre Hotelsuche startenden Nutzer „verirren“ sich zur Buchung noch auf eine Hotelwebsite. Und der Marktanteil von Booking.com kannte trotz der Untersagung der Ratenparitätsklauseln im Jahr 2015 bis heute nur eine Richtung – und zwar steil nach oben. Ganz offensichtlich hat das OLG Düsseldorf ein paar Basics außer Acht gelassen.
Stattdessen bemüht das OLG Düsseldorf zur Rechtfertigung der Knebelklauseln vermeintliche Analogien aus dem Franchiserecht und – man höre und staune – aus Subunternehmerverträgen. Da knirscht’s dann gewaltig in meinem Rechtsempfinden! Der Hotelier ist mit dem „Hotelpartnervertrag“ garantiert nicht zum Franchisee oder Subunternehmer von Booking.com geworden. Das Gericht hat sich vielmehr in eine völlig falsche Rechtsecke verlaufen. Warum lehnt sich das OLG Düsseldorf dann nicht gleich ans Leiharbeitsrecht an, kann man sich da schon ketzerisch fragen?
Der erkennende Senat scheint auch seine eigene Rechtsprechung aus den Augen verloren zu haben. So hat eben dieser 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf nicht nur HRS 2015 die Verwendung jedweder Paritätsklauseln rechtskräftig untersagt (Az.: VI-Kart. 1/14 (V)), sondern auch noch im Expedia-Verfahren (Az.: VI U 5/17 [Kart], Urteilsausfertigung Rz. 37) 2017 ausdrücklich festgestellt:
„Die aus den Paritätsklauseln resultierende Verpflichtung der Hotels zur Gleichbehandlung ist kein notwendiger, vertragsimmanenter Bestandteil eines Handelsvertreterverhältnisses. Sie ist aus diesem Grund auch nicht im Wege der Tatbestandsrestriktion vom Anwendungsbereich der kartellrechtlichen Verbotsnorm ausgenommen.“
Das OLG Düsseldorf betreibt hier mit seiner einsamen Rechtsauslegung aus meiner Sicht letztlich nichts Geringeres als die „Zerstörung des Kartellrechts“:
Das Gericht irrt fundamental, wenn es ausführt, dass alles, was zivilrechtlich nicht verboten ist, als kartellrechtlich zulässig gelten müsse. Dabei wird in unserem Rechtssystem nur umgekehrt ein Schuh daraus: Alles, was kartellrechtlich verboten ist, kann zivilrechtlich nicht zulässig sein! Schon aus Gründen der Normenhierarchie kann dies nicht anders sein. Nationale Zivilrechtsnormen können und dürfen den Anwendungs- und Geltungsbereich des europäischen Kartellrechts nicht beschränken.
Setzen wir also darauf, dass das Bundeskartellamt gegen den Ausschluss der Rechtsbeschwerde (was für eine unsouveräne Nickeligkeit on top!!) seinerseits Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen wird und dann der BGH und EuGH die Fahne des Wettbewerbsrechts als einer fundamentalen Säule unserer Wirtschaftsordnung hochhalten werden!
0 Kommentare
Sei der erste der kommentiert
Kommentar hinzufügen