*Vgl. ebenda

Hotelführer

Markus Luthe / 24.02 2011

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blog von Markus Luthe zur Mehrwertsteuerdebatte

Eigentlich sollte gestern ein Beitrag zur Versachlichung der leidigen Mehrwertsteuerdiskussion geleistet werden, denn schließlich stand die erste Sitzung der von der Koalition eingesetzten Expertenkommission zur Überprüfung des Mehrwertsteuersystems auf der politischen Tagesordnung. Da die der Kommission angehörenden Kabinettsmitglieder aber der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages zur Doktorarbeit von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beiwohnen mussten, wurde die Konstituierung der Mehrwertsteuerkommission kurzerhand vertagt.

Dennoch wurde das Thema ohne Erkenntnisfortschritt in der Sache gleich wieder in die Medien gespielt, diesmal vom FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Gegenüber der Rheinischen Post erklärte er – ich zitiere (!) wörtlich:

„‚Mit Ausnahme von Grundnahrungsmitteln und Kultur sollten nun alle ermäßigten Sätze hinterfragt werden,’ sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner gegenüber unserer Redaktion. Wo es keine zwingende Veranlassung gebe, solle wieder der volle Satz gelten. Dadurch werde ein ‚einstelliger Milliardenbetrag’ gewonnen, sagte Lindner. Das Geld solle zum Abbau des ‚Mittelstandsbauchs’ in der Einkommensteuer genutzt werden. Neben dem Abbau der Bürokratie ergebe sich so ein ‚doppelter Nutzen’.“

MdB Christian Lindner (FDP) am 28.01.2010 mit einer Kurzintervention (01:49 min.) zur Mehrwertsteuerdebatte im Deutschen Bundestag; @ Deutscher Bundestag 

Die Rheinische Post titelte daraufhin – sicherlich erleichtert mit Blick auf den für die Zeitungsverlage selbst somit nicht zur Disposition gestellten eigenen 7%-Mehrwertsteuervorteil: „FDP will Hotelsteuer wieder abschaffen“.

Diese Schlagzeile greifen zur Stunde alle Nachrichtenagenturen auf und wiederbeleben damit die Debatte. In so fern: Déjà-vu oder * vgl. ebenda!

Zwischenzeitlich hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner per Pressemitteilung Folgendes – wörtlich (!) – erklärt:

„Die FDP hat mit Ausnahme von Grundnahrungsmitteln und Kultur keine Festlegungen über einzelne Mehrwertsteuersätze getroffen. Es wird ergebnisoffen geprüft. Beim ermäßigten Satz für Hotels und Pensionen muss bei der Prüfung allerdings zusätzlich beachtet werden, dass die Ermäßigung Investitionen ausgelöst hat und ein Teil dieser Branche im Wettbewerb mit europäischen Urlaubszielen steht, die bereits länger und immer noch niedriger besteuert werden. Die seinerzeitige Trennung dieses Satzes von einer grundlegenden Gesamtreform war in meinen Augen zwar kommunikativ problematisch, aber dies darf nun nicht zu übereilten Schlussfolgerungen in der Sache führen.“ 

Ein Medienlehrstück also?

Am gestrigen Mittwoch hatte sich zuvor schon über das Handelsblatt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, das ist eine nach eigenen Angaben mit einem Jahresbudget von 8,32 Millionen Euro von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie ausgestattete „branchen- und parteiübergreifende Plattform“, erneut zu Wort gemeldet. Sie platzierte einen Aufruf zehn namhafter Prof. Dr., die sich für eine „einfache Mehrwertsteuer“ aussprechen, „die auf unzählige Ausnahmen und Vergünstigungen verzichtet“. Da unter den Unterzeichnern auch die Verfasser bereits bekannter einschlägiger Gutachten zu dem Thema sind, bitte ich um Nachsicht, dass ich mich zur Kommentierung an dieser Stelle einfach selbst zitiere/verlinke.

Objektiv betrachtet bricht diese Debatte für die Gegner reduzierter Mehrwertsteuersätze aber eigentlich zu keinem günstigen Zeitpunkt aus, denn die peu à peu eintreffenden wirtschaftlichen Kennziffern, die allen politischen Widrigkeiten zum Trotz enormen Investitionssummen und die weit überdurchschnittliche Jobbilanz der Hotellerie für das Jahr 2010 belegen auch rückblickend die Wirksamkeit dieser Maßnahme des Wachstumsbeschleunigungsgesetz.


0 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
27.02.2023 von Markus Luthe
Sisyphos

Überbordende Bürokratie ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen zu einer Existenzfrage geworden. Sie treibt nicht nur die Kosten und hält immer mehr von der Verfolgung der eigentlichen Unternehmensziele ab, es steigt selbst für die Gesetzestreuesten das Risiko staatlicher Sanktionen und Bußgelder durch Unwissenheit und Komplexität. So ist es im Grundsatz zu begrüßen, dass die Wirtschaftsverbände alle Jahre wieder aufgefordert werden, den Regierungen in Bund und Ländern konkrete Vorschläge zum Abbau unnötiger Bürokratie zu unterbreiten.

30.01.2023 von Markus Luthe
Check it

Die Zulassung digitaler Hotelmeldescheine steht buchstäblich seit mehr als einem Vierteljahrhundert auf meiner verbandlichen Agenda. Mein erstes diesbezügliches Forderungsschreiben habe ich am 2. Mai 1997 an das Bundesministerium des Innern gerichtet, als Manfred Kanther (CDU) Bundesinnenminister war... Seitdem haben wir einiges erreicht, doch wirklich überzeugend und praxistauglich sind die mit der Novelle des Bundesmeldegesetzes seit 2020 möglichen digitalen Verfahren des Hotel-Check-ins noch immer nicht.

29.12.2022 von Markus Luthe
Annus horribilis

Das Jahr 2022 war ein erschütterndes Jahr. Sowohl für die Hotellerie, als auch für die Gesellschaft. Einfach zum Abhaken. Die Queen hätte es vermutlich ein annus horribilis genannt. Angesichts der Corona- und Grippewellen, der Rückkehr eines gnadenlosen Vernichtungskrieges nach Europa und der daraus folgenden multiplen Kosten- und Energiekrisen „schenke“ ich mir einen detaillierten Jahresrückblick. Und aus dem Ausblick auf das kommende Jahr halte ich mich gleich ganz heraus. Angesichts der enttäuschenden Erfahrungen mit menschlichem Lernen überlasse ich den Vortritt mal dem maschinellen Lernen.