Blogpost von Markus Luthe zur Online-Distribution

Seit Jahren behaupten die Online-Buchungsportale, (enge oder weite) Ratenparitätsklauseln in den Hotelverträgen seien notwendig, um ihre notorisch illoyalen Vertragspartner vom andernfalls sofort einsetzenden massenhaften Trittbrettfahren abzuhalten. Die Hoteliers würden ansonsten die Angebote ihrer Vertriebspartner vorsätzlich preislich unterlaufen und die vermeintlich hohen partnerspezifischen Marketingausgaben der Portale wären verlorene Investitionen.
Dieses Argument war angesichts des massiven Brand Biddings der Portale zu Lasten ihrer Hotelpartner nicht nur immer schon eine intellektuelle Zumutung, es war auch schlichtweg nicht belegbar. Der von den Portalen reklamierte „Billboard-Effekt“ hat sich längst als Chimäre, als reine Schutzbehauptung erwiesen.
Nun hat die Europäische Kommission am Donnerstag einen umfassenden Bericht über die Wirkung von Paritätsklauseln im Bereich der Online-Buchungen von Hotelübernachtungen veröffentlicht, den sie zusammen mit zehn nationalen Wettbewerbsbehörden, darunter dem Bundeskartellamt, erarbeitet hat. Er enthält die Ergebnisse einer koordinierten Untersuchung zu Paritätsklauseln in Verträgen zwischen Online-Buchungsportalen und Hotels. Untersucht wurden in dieser vergleichenden Studie für zehn nationale Märkte insbesondere die Auswirkungen eines kompletten Verbots dieser Klauseln und einer Anwendung ausschließlich enger Paritätsklauseln. Tausende von Hotels in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Tschechien, den Niederlanden, Schweden und Ungarn wurden befragt, Marktpreise der Buchungsportale erhoben und lange Datenreihen von Metasuchmaschinen ausgewertet.
Dieser Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe des „Europäisches Wettbewerbsnetz“ (European Competition Network, ECN) entzieht dem Vorwurf des „Trittbrettfahrens“ endgültig jeglichen Boden. Auf Seite 19 des Berichtes heißt es in Textziffer 39:
„OTA Konversionsraten (‚look-to-book‘ ratios)
Im Zusammenhang der nationalen Ermittlungsverfahren betreffend Hotelbuchungsportale haben die Buchungsportale argumentiert, dass entweder weite oder enge Ratenparitätsklauseln unverzichtbar wären um zu vermeiden, dass Hotels auf den Investitionen der Buchungsportale trittbrettfahren. Ihr Argument ist, dass ohne Bestpreisklauseln Gäste die Buchungsportale zum Suchen und Vergleichen nutzen, aber dann günstiger über die Hotel-Website buchen und hierdurch das Buchungsportal um seine Provisionseinkünfte bringen würden. Die Konversionsraten der Buchungsportale (‚look-to-book' ratios) können herangezogen werden, um Trittbrettfahren zu messen. Die Arbeitsgruppe hat daher analysiert, ob die Konversionsraten der großen Buchungsportale nach den jüngsten Änderungen betreffend die Bestpreisklauseln ebenfalls Änderungen erfahren haben. Eine Analyse der von bestimmten Buchungsportalen zur Verfügung gestellten Konversionsraten-Daten für eine repräsentative Betrachtung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten hat keinerlei Hinweis dahingehend geliefert, dass die Konversionsraten der Buchungsportale nach den Änderungen der Bestpreisklauseln gesunken wären. Die Ergebnisse für Frankreich und Deutschland unterschieden sich insofern nicht maßgeblich von denen der anderen Mitgliedstaaten.“
Mit anderen Worten: Es gibt überhaupt kein Trittbrettfahrerproblem! Nicht einmal in Deutschland und Frankreich, wo Ratenparitätsklauseln für die Marktführer im Untersuchungszeitraum aufgehoben wurden, sanken die Konversionsraten der OTAs.
Und wenn Ratenparitätsklauseln keinerlei (!) nachweisbaren Einfluss auf die Konversionsraten der Buchungsportale haben, können sie logischerweise auch keine „notwendige Nebenabrede darstellen. Aus meiner Sicht sind die anhängigen Wettbewerbsverfahren damit in das Stadium hinreichender Entscheidungsreife eingetreten.
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