Sternenklar (1/5): 25 Jahre Deutsche Hotelklassifizierung

Markus Luthe / 01.08 2021

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Blogpost von Markus Luthe zur Deutschen Hotelklassifizierung

Vor genau 25 Jahren, am 1. August 1996,  startete die Deutsche Hotelklassifizierung. Fast alle Länder in Europa kannten – in der Regel bereits seit Jahrzehnten – eine offizielle Einstufung ihrer Hotels in die weltweit übliche Skala von 1 bis 5 Sternen. Doch ausgerechnet der Normungs- und Reiseweltmeister Deutschland nicht. Jedes Hotel konnte sich selbst so viele Sterne wie gewünscht vergeben und damit werben. Das verursachte Intransparenz und erhebliche Verunsicherung beim Verbraucher. Insbesondere Non-branded Hotels erlitten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, insbesondere im aufkommenden digitalen Vertrieb.

Und dennoch war die Einführung einer verbandsseitigen Sternevergabe höchst umstritten. Niedersachsen und Bayern machten 1992 den Anfang, Rheinland-Pfalz folgte 1993. Mit einer denkbar knappen Mehrheit entschieden die Gremien des DEHOGA Bundesverbandes dann 1994 dafür, die Kriterien zu vereinheitlichen und gemeinsam die Deutsche Hotelklassifizierung an den Start zu bringen. Am 1. August 1996 war es dann so weit.

Das war auch der Tag, an dem ich die Geschäftsführung der Fachgruppe Hotels im DEHOGA und damit auch die Verantwortung für dieses ganz besondere Verbandsprodukt übernahm. Und das ist auch so bis zum heutigen Tag geblieben, trotz meines Wechsels 2001 in den Hotelverband, dem Fachverband für die Hotellerie unter dem gemeinsamen DEHOGA-Dach.

Daher möchte ich mit einer kleinen Serie von – selbstverständlich 😊 – fünf Blogposts zum Jubiläum der Hotelklassifizierung in Deutschland einige Diskussionsbeiträge zu ihrer Zukunft beisteuern. Beginnen will ich mit einem Blogpost zur Aktualität der Kriterien. Es sollen dann in den nächsten Wochen in lockerer Abfolge Blogposts zur Europäisierung der Hotelsterne, zum (vermeintlichen) Spannungsverhältnis zu subjektiven Gästebewertungen, zu Portalsternen und zu Schummelvorwürfen folgen.

Als UnbeteiIigter an den durchaus hitzigen Einführungsdebatten machte ich im Sommer 1996 meine persönliche nüchterne Bestandsaufnahme und schaute mir natürlich zuerst den gültigen Kriterienkatalog im Detail an. Und ich war einigermaßen entsetzt: Ich fand alles das hoch bewertet, was für den Hoteliers teuer, aber nicht zwingend für den Gast wichtig war. Das konnte auf Dauer nicht gutgehen.

Zu der Zeit zog mich auch der legendäre Adlon-Direktor Gianni van Daalen am Rande einer Verbandsveranstaltung einmal beiseite und sagte mir: „Wenn Sie glauben, dass ich jetzt einen Golfplatz rund um das Brandenburger Tor baue, nur um den 5. Hotelstern zu erhalten, dann haben Sie das Problem und nicht ich!“ Er hatte ja so etwas von Recht, denn in der Tat war der Golfplatz mit 35 Punkten das Top-Kriterium der Deutschen Hotelklassifizierung…

Es galt also diesen „Geburtsfehler“ der Hotelklassifizierung schnellstmöglich zu beseitigen und sie gleichsam vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir ließen umgehend als Leitplanke des Reformprozesses eine umfassende, repräsentative Befragung deutscher Hotelgäste durch das Emnid-Institut (heute: Kantar) durchführen und ermitteln, welche Kriterien den Gästen wirklich wichtig sind – und reformierten die Kriterien entsprechend. Golf- und Tennisplätze verschwanden aus dem Katalog, dafür rückten Schlafkomfort, Sanitärausstattung und das Frühstück in den Mittelpunkt. Schon 1999 trat der kernsanierte neue Kriterienkatalog in Kraft und die Deutsche Hotelklassifizierung konnte durchstarten.

An diesem permanenten Reformdruck halten wir bis zum heutigen Tag fest, um angesichts immer dynamischerer, investitionsintensiverer und sich ausdifferenzierender Märkte nicht Gefahr zu laufen, mit veralteten Kriterien sowohl die Erwartungen der Gäste als auch der Hoteliers zu verfehlen. Etwa alle fünf Jahre haben wir seitdem Relaunchs durchgeführt, zuletzt im Jahr 2020. Unterstützung haben wir uns hierbei durch Gästebefragungen, wissenschaftliche Begleitung (Universität St. Gallen/EHL Lausanne) und auch Auswertungen von Gästebewertungen (TrustYou) gesichert.

Abb.: Fortschreibungszyklen der Hotelklassifizierung

Die aktuellen Kriterien haben wir übrigens noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie festgelegt – und sie haben auch diese besondere Bewährungsprobe bestanden. So hatten wir beispielsweise bereits ohnehin aufgrund der Markttrends einen digitalen Check-in/Check-out vorgesehen, eine flexible Zimmerreinigung on demand ermöglicht und eine Reihe von Alternativen zur Minibar auf dem Zimmer geschaffen.

Ich bin mir heute sicher, dass wir mit der Deutschen Hotelklassifizierung im Verbund der europäischen Hotelstars Union eine der modernsten, flexibelsten und aussagekräftigsten Hotelklassifizierungen weltweit etabliert haben. Transparenz und Sicherheit bleiben auch zukünftig unsere Leitlinien.

Über Anregungen, Kritik und Meinungen freuen sich alle an der Deutschen Hotelklassifizierung haupt- und ehrenamtlich Engagierten hier im Blog über die Kommentarfunktion oder auch per E-Mail an info@hotelstars.eu.


5 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
5 Bemerkungen :

01/08/2021 12:22 von Helmut Otto / IHA Landhotel Naafs-Häuschen

Herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren „Deutsche Hotelklassifizierung“, ohne dich hätten wir das nicht geschafft!

01/08/2021 12:36 von Stefan Wild

Das Gute daran ist das Gute darin.


Die Klassifizierung ist ein arbeitender Mechanismus, der im stetigen Wandel sich immer wieder den neuen Gegebenheiten stellt und dabei stets verlässliche Kriterien für den Kunden setzt.


Danke an das gesamte Hokla-Gremium in Deutschland! Danke, Markus Luthe!


Stefan Wild


DEHOGA Bayern

07/08/2021 23:19 von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

Letzte Woche erwähnte ich Adlon-Legende Gianni van Daalen noch anekdotisch in meinem Blogpost, heute muss ich die Nachricht von seinem Tode vernehmen. Es erfüllt mich mit großer Trauer. R.I.P, lieber Gianni van Daalen!


https://www.tageskarte.io/hotellerie/detail/gianni-van-daalen-gestorben.html">https://www.tageskarte.io/hotellerie/detail/gianni-van-daalen-gestorben.html

10/08/2021 09:21 von Markus Luthe / Hotelverband Deutschland (IHA)

Heute ist ein langer Bericht von Erich Nyffenegger in der Schwäbischen Zeitung zum Jubiläum der Hotelsterne erschienen:


"Als deutsche Ordnung in die Sterne kam. Seit 25 Jahren gibt es die Hotelklassifizierung - Der Wildwuchs wurde eingedämmt, aber schwarze Schafe gibt es noch heute."


https://www.schwaebische.de/sueden/baden-wuerttemberg_artikel,-als-deutsche-ordnung-in-die-hotel-sterne-kam-_arid,11397871.html (Paywall)

12/08/2021 12:49 von Renate Mitulla / DEHOGA Niedersachsen

Gerne erinnere ich mich an die Anfänge der Hotelklassifizierung und die Schwierigkeiten ein einheitliches System einzuführen. Wir in Niedersachsen als Impulsgeber können stolz darauf sein, ein wichtiger Teil des gesamten Klassifizierungsweges zu sein. Haben wir doch sehr früh erkannt, dass eine Klassifizierung für unsere Hotels als Orientierung für die Gäste wichtig ist. Auch sind wir stolz darauf, dass wir noch heute Teil der Klassifizierungs-Familie sind und schauen mit Respekt darauf, was aus dieser Idee geworden ist: eine europäische Klassifizierung, die nun schon in vielen anderen Ländern umgesetzt wird.
Auf diesem Weg möchte ich allen Hoteliers danken, die uns auf diesem langen Weg begleitet haben und uns mit ihrer Beteiligung zeigen, dass wir damals wie heute auf dem richtigen Weg sind.
Und zum Thema Schummler nur ein kurzer Hinweis: Unsere Sterne müssen also eine große und wichtige Bedeutung haben, wenn sich Betriebe mit unseren Sternen schmücken, auch wenn sie gar nicht bei der Deutschen Hotelklassifizierung mitmachen.
Mit leuchtenden Sternengrüßen
Renate Mitulla
Geschäftsführerin
DEHOGA Niedersachsen

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