Schwarz und weiss

Markus Luthe / 29.06 2010

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blog von Markus Luthe zur Mehrwertsteuerdebatte vom 29. Juni 2010

Obwohl es mehr als verdient wäre und der Titel es auch nahe legt, ist dieser Blog fünf Tage vor dem WM-Viertelfinale nicht den Fangesängen auf das deutsche Team gewidmet, sondern der in die Verlängerung gegangenen Mehrwertsteuerdebatte – oder sind wir schon beim Strafstoß-Schießen angelangt…? 

Am Vortrag der Bundespräsidentenwahl versuchten die Parteien heute mit nur zu gern gewährter medialer Unterstützung beim Thema „Mehrwertsteuersenkung für Beherbergungsbetriebe“ mal wieder Spielanteile zu erobern und kurzfristig zu punkten. Im Spielberichtsbogen notieren wir folgende Vorkommnisse:

  • Den Anstoß mit einem Pass ins eigene Feld gab FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der am Morgen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Manöverkritik mit den Worten betrieb: Man hätte aus meiner heutigen Sicht diesen Satz nicht vorab senken sollen, sondern auf die große Reform warten müssen.“ Dies ist nota bene kein Abrücken von der Richtigkeit der Maßnahme, sondern allenfalls eine entbehrliche Konjunktiv-Trainingseinheit.
  • Die Bundeskanzlerin erkannte daraufhin zu Recht im Koalitionsausschuss auf klare Abseitsstellung und mahnte eine geschlossenere Mannschaftsaufstellung an: Ich dachte, wir wollten hier etwas ruhiger werden, und dann muss ich in der Früh so etwas hören.“ Causa finita.
  • Die Debattenneuauflage hatte zuvor der Bundesrechnungshof mit Vorschlägen für eine künftige Ausgestaltung der Umsatzsteuerermäßigung angesetzt, deren Begünstigungspotenzial er auf 24,2 Mrd. Euro insgesamt beziffert. Der ermäßigte Steuersatz für Beherbergung trage hierzu gemäß dem 22. Subventionsbericht der Bundesregierung mit 805 Mio. Euro bei. Das ist eine Zeitlupenbetrachtung wert, denn in der veröffentlichen Meinung hält sich hartnäckig die Zahl 1 Mrd. Euro, die dann nach Belieben mal auf 3 Mrd. Euro (Prof. Dr. Stefan Homburg in der Bild-Zeitung vom 7. Dezember 2009) oder auch 5 Mrd. Euro (SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel im Handelsblatt vom 15. Juni 2010) jährlicher Steuerausfall nach oben „gedroschen“ wird.
  • À propos SPD. Deren Bundestagsfraktion grätschte am Nachmittag gelb-rot-verdächtig mit einer Pressemitteilung in Strafraumnähe ins Spiel, in der es wörtlich heißt: „Genau dies ist die Begründung, weshalb die SPD der Einzelregelung zur Mehrwertsteuerabsenkung für die Hotellerie nicht zugestimmt hat. Wir haben immer eine Überarbeitung des Gesamtsystems gefordert, bei der insbesondere arbeitsintensive Bereiche entlastet werden sollten. Dazu zählen auch die Gastronomie und der Hotelbereich.“ Sic!

Jetzt will sich also – wie schon 1998 – auch die SPD wieder auf dem Papier für den reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie einsetzen? Eine „Schwalbe“ macht noch keinen Sommer... 


0 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
28.06.2024 von Markus Luthe
Eher Turbo denn Torpedo

Am 6. Juni 2024 hat Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Anthony Collins seine Schlussanträge in der Rechtssache Booking.com (C 264/23) veröffentlicht. Es geht im zugrundeliegenden Fall vor dem Bezirksgericht Amsterdam um Schadensersatzforderungen, die deutsche Hotels mit Unterstützung des Hotelverbandes Deutschland (IHA) von Booking.com für die jahrelange Verwendung kartellrechtswidriger Bestpreisklauseln fordern. Die Stellungnahme von Generalanwalt Collins hat (zu Recht) viel Aufmerksamkeit erregt, und eine Vielzahl von Kommentaren und Zusammenfassungen wurden seitdem veröffentlicht. Den Beitrag „Dutch Torpedo at Work“ von Silke Heinz nehme ich zum Anlass, einige einordnende Anmerkungen aus der Perspektive eines Prozessbeteiligten zu machen und einige Aspekte hervorzuheben, die meines Erachtens eine genauere Betrachtung verdienen.

02.06.2024 von Markus Luthe
Gatekeeper, Green Claims und Kraneburger

Heute in einer Woche haben wir die Wahl, die Europawahl. Und ich mache mir große Sorgen, dass eine geringe Wahlbeteiligung zu einer Destabilisierung der demokratischen Institutionen Europas führen könnte. Auch die Umfragen deuten weiter auf erhebliche Zugewinne populistischer und extremistischer Parteien hin, die äußersten Rechten könnten gar die stärkste Fraktion im Europaparlament stellen. Das Vertrauen darauf, dass diese Gruppierungen in der Regel untereinander so zerstritten sind, dass sie eine Fraktionsbildung schon nicht schaffen werden, ist mir als Brandmauer zu löchrig. Ausgerechnet jetzt, wo sich das Europäische Parlament im Kräftespiel der europäischen Institutionen über die Jahre einiges an Gewicht erobert hat, droht hier der parlamentarische Infarkt, Stillstand und Blockade…

01.04.2024 von Markus Luthe
April, April

Nach drei Corona-bedingten Ausfalljahren, blühten Aprilscherze mit Tourismusbezug im vergangenen Jahr endlich wieder auf. Ich freue mich daher, meine kleine „Tradition“ fortsetzen und die besten Aprilscherze mit Branchenbezug mit einem Ranking-Blogpost gebührend würdigen zu können. Frohe Ostern!