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Markus Luthe / 03.12 2019

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Blogpost von Markus Luthe zur Sommerferienregelung

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Am Tag, als Deutschland erneut miese Pisa-Noten ausgestellt wurden, ist es leicht über Auswüchse des Föderalismus herzuziehen. Gleichsam alle Jahre wieder. Es scheint dennoch wohl unvermeidlich. Auch aus touristischer Perspektive.

Mit der für Außenstehende überraschenden Entscheidung Bayerns, aus dem geplanten Nationalen Bildungsrat schon wieder auszusteigen, platzten letzte Woche nicht nur zart keimende Hoffnungen auf eine durchgreifende, deutschlandweite Reform der Schullandschaft. Der bayerische Alleingang – zwischenzeitlich von Baden-Württemberg sekundiert – bedeutet auch das vorläufige Aus für eine konstruktive Neuordnung der Sommerferienzeiten der Länder für die Jahre 2025 - 2030. Die jetzige Regelung eines annähernd „rollierenden Systems“, dem sich bisher traditionell nur Bayern und Baden-Württemberg verweigern, läuft im Jahr 2024 aus.

Nun könnten im steten Balancespiel der Kräfte auch in den vierzehn anderen Bundesländern die Schulpolitiker die Oberhand gewinnen, aus pädagogischen Gründen ebenfalls etwa stets gleich lange Schulhalbjahre durchsetzen und so dem Deutschlandtourismus schweren Kollateralschaden zufügen. Es drohen französische Verhältnisse, d.h. zu Ferienbeginn und -ende nicht nur lange Rekordstaus auf den Autobahnen, sondern auch ein massiver Nachfrageüberschuss bei Beherbergungsbetrieben jedweder Couleur. Jeder einzelne verlorene Ferientag würde einer Studie aus dem Jahr 2013 zufolge der Tourismusbranche in Deutschland einen Umsatzausfall von bis zu 120 Millionen Euro bescheren.

Bayern und Baden-Württemberg verteidigen seit Jahrzehnten ihr einst errungenes Privileg, ihre Sommerferien stets ans Ende des von der Kultusministerkonferenz festgelegten Zeitraums von 1. Juli bis 10. August und nicht wie alle anderen Bundesländer auch mal nach zeitlich nach vorne auf unbeliebtere Termine zu rollieren. Anfangs wurde als Begründung angeführt, dass die Kinder bei der Ernte helfen müssten, dann wurde auf die Werksferien der Automobilindustrie verwiesen und aktuell halten die in Süddeutschland traditionellen Pfingstferien als offizielle Begründung des Anspruchs her. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder spricht gar von einem „Biorhythmus mit den Ferien“

Es darf also bei unserer föderalen Verfasstheit als extrem unwahrscheinlich gelten, dass Bayern und Baden-Württemberg ihre Sonderrolle freiwillig aufgeben werden. Können wir daher nicht vielleicht einfach mal die sich ankündigende Phase gegenseitiger Vorwürfe, Drohungen und Fingerhakeleien überspringen und den „Argumentenaustausch“ ein paar Monate im Fast Forward Modus vorspulen?

Mit ein bisschen mehr Realismus und Pragmatismus könnten sich die Länder auch heute schon ohne vermeidbares Föderalismus-Bashing im Interesse aller Beteiligten auf eine Fortführung des Status quo einigen. Dann bliebe das im Grunde bewährte heutige System bestehen, der Sommerferienkorridor würde wieder auf etwa 85 Tage festgelegt und Familien, Schulen und Tourismusbranche hätten nachhaltige Planungssicherheit. Also bitte am besten unverzüglich gemeinsam nachsitzen!


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
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