Kostenträchtiger Bürokratieabbau

Stefan Dinnendahl / 05.05 2008

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Blog von Stefan Dinnendahl zur Entbürokratisierung vom 5. Mai 2008

Immer öfter hört man das Schlagwort "Bürokratieabbau" und die Bundesregierung sieht Erfolge. Laut Handelsblatt wird die Wirtschaft durch bereits vereinbarte Maßnahmen um 4,4 Mrd. Euro entlastet. Dem stehen allerdings bisher ermittelte Kosten in Höhe von gesamt 30 Mrd. Euro gegenüber, die der Wirtschaft jährlich durch nationale und europarechtliche Informations- und Dokumentationspflichten entstehen.

  • Soweit die aktuellen Meldungen, aber wie sieht der Bürokratieabbau konkret in der betrieblichen Praxis aus? Aktuelle Beispiele lassen Zweifel aufkommen: Der Landtag NRW verabschiedete 2007 das Bürokratieabbaugesetz II und hat damit das für den Bürger kostenfreie verwaltungsrechtliche Widerspruchsverfahren - also das letzte behördliche Verfahren vor einer verwaltungsrechtlichen Entscheidung - weitestgehend abgeschafft. Dem Bürger verbleibt nun nur der kostenpflichtige Klageweg.
  • Begründet wird dies damit, dass der Bürger so schneller als bislang zu seinem Recht kommt. Nur in rund 7% hatten die Widerspruchsbehörden in der Vergangenheit anders als die Ausgangsbehörde entschieden. Das Widerspruchsverfahren wurde überall da abgeschafft, wo es in der Regel erfolglos und deshalb aus Sicht des Bürgers nur ein zeitraubendes Durchlaufverfahren für eine als dann sowieso "notwendige" Klage war.
  • In Zukunft kann ein Betroffener beispielsweise gegen die Versagung einer bau-, gaststätten- oder gewerberechtlichen Genehmigung direkt  ohne Umwege den - kostenpflichtigen - Klageweg beschreiten.

 

  • Gleiches gilt für die Beitragsbescheide der Industrie- und Handelskammern in NRW. Wer rechtlich gegen diesen Bescheid vorgehen möchte, hat nur noch einen Monat Zeit, sich für eine Klage beim Verwaltungsgericht zu entscheiden. Immerhin schreibt die IHK in ihrem Begleitschreiben weiter: „Wir möchten Ihnen eine unnötige Klageerhebung und damit gegebenenfalls verbundene Kosten ersparen und bieten folgenden Service: Teilen Sie uns etwaige Einwände zu Ihrem Bescheid bitte so schnell wie möglich mit. Wir werden Ihre Beitragsangelegenheit dann möglichst schnell und unbürokratisch klären."

 

  • Seit Januar 2007 verpflichtet das Gesetz Kapital- und Personengesellschaften - ohne unbeschränkt haftende natürliche Personen im Gesellschafterkreis - ihre Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr elektronisch zu veröffentlichen. Nur bis 2009 ist wie früher auch die Einreichung des Jahresabschlusses in Papierform ausreichend. Allerdings wird dann pro Zeichen bis zu 2,5 Cent berechnet. Wer also das „falsche" Format dem Elektronischen Unternehmensregister liefert, für den kommen ohne Vorwarnung schnell 100,- Euro und mehr zusätzlich zusammen. Und wer vergisst, seinen Jahresabschluss fristgemäß zu veröffentlichen, dem droht ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,- bis 25.000,- Euro.

 

Ob dem Bürger oder den Unternehmen mit solcher Entbürokratisierung tatsächlich geholfen ist? Eine Entlastung der Behörden durch den Wegfall des bisher kostenfreien Widerspruchsverfahren liegt dagegen auf der Hand. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt...

Wenn auch Sie Beispiele für mehr oder weniger sinnvollen Bürokratieabbau haben, freuen wir uns über Ihre Kommentare.
 Ihr

 

 


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Geschrieben von
Stefan Dinnendahl
Rechtsanwalt / Geschäftsführer
IHA-Service GmbH / Hotelverband Deutschland (IHA)

bonn@hotellerie.de
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