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Stefan Dinnendahl / 16.09 2016

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Blog von Stefan Dinnendahl zur Störerhaftung

Wer gehofft oder besser erhofft hatte, der Europäische Gerichtshof (EUGH) würde richten, was der deutsche Gesetzgeber nicht tat, der wurde gestern vom EuGH schwer enttäuscht. Laut seinem dürfen gewerbliche Anbieter öffentlicher Hotspots zwar nicht für Rechtsverletzungen Dritter haftbar gemacht werden, gleichzeitig kann aber die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort erforderlich werden, um diese Rechtsverletzungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen.

Der EuGH stellt klar, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht auf Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dem Recht des Diensteanbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, auf unternehmerische Freiheit sowie dem Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit andererseits zu schaffen ist.

Konkret bedeutet dies:

  1. Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten braucht der geschäftliche WLAN-Anbieter nicht mehr zu fürchten.
     
  2. Fürchten muss der geschäftliche WLAN-Anbieter dagegen aber weiterhin Unterlassungsansprüche, die darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.
     
  3. Dem geschäftlichen WLAN- Anbietern kann unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben werden, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen
     
  4. Die Wahl der technischen Maßnahmen, um dieser Anordnung zu entsprechen, kann das Gericht dem WLAN-Anbieter überlassen. Eine geeignete Maßnahme kann sein, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können.
     

Das Urteil hat neben einigem Lob, vor allem scharfe Kritik geerntet - von lebensfremd bis unnötige Verwirrung ist die Rede. Der erhoffte Befreiungsschlag in Sachen rechtssicherer WLAN-Angebote der Hotellerie ist sowohl durch den deutschen Gesetzgeber, als auch durch das oberste europäische Gericht ausgeblieben.

Und in der Praxis wird es aller Voraussicht nach bei der gewohnten Prozedur bleiben, dass sich Hotelgäste zuerst registrieren und separate Nutzungsbedingungen anerkennen müssen. Im schlimmsten Fall – wohlgemerkt stets nach vorausgegangenem richterlichem Beschluss – muss möglicherweise in Zukunft der Personalausweis vorgelegt werden, bevor ein User die Zugangsdaten zu einem Hotspot bekommen darf.

Offen bleibt, wie z.B. wie in Hotels, Cafés, Einkaufszentren oder an Flughäfen verhindert werden soll, dass Nutzerinnen und Nutzer ein einmal erlangtes Passwort untereinander weitergeben? Wie soll darüber hinaus ein WLAN-Betreiber die Identität der Nutzerinnen und Nutzer sicher feststellen und dokumentieren? Wie lange muss der Betreiber diese Informationen vorhalten und welche Vorkehrungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit hat er zu treffen?

Der allgemeine Zugangscode für alle Tagungsteilnehmer dürfte damit auch der Vergangenheit angehören. Ebenfalls offen bleibt, wie eine Urheberrechtsverletzung den einzelnen Nutzern zugeordnet werden könnte. Zumal eine Überwachung des kompletten Traffics, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, seitens des EuGH nicht verlangt wird.

Mit seinem Urteil lässt der EuGH für die Praxis viele Fragen offen, die nun von den Gerichten in Einzelfällen zu klären sind. Rechtssicherheit, Praxistauglichkeit und unkompliziertes freies WLAN sehen anders aus!

Der Ball liegt nun also wieder im Feld des nationalen Gesetzgebers, denn wenn er den Zweck einer stärkeren Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots nicht verfehlen will, muss er noch einmal nachjustieren. Er muss klarstellen, dass es nach deutschem Recht keine Verschlüsselungspflicht, keinen Perso-Zwang und auch keine Unterlassungs-Ansprüche gegen WLAN-Betreiber gibt.

Wir bleiben für Sie am Ball…!

[Der Vollständigkeit halber: Hotels, die ihren Gästen eine Hotspotlösung komplett über einen externen Internetprovider (wie z.B. Deutsche Telekom, Unitymedia,

Vodafone Kabel Deutschland

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Geschrieben von
Stefan Dinnendahl
Rechtsanwalt / Geschäftsführer
IHA-Service GmbH / Hotelverband Deutschland (IHA)

bonn@hotellerie.de
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