Koan Neid!

Hotelführer

Markus Luthe / 30.03 2012

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blogpost von Markus Luthe zur Bettensteuer

„Keine Neiddebatte!“ So betitelte Christian Ude in seinen Funktionen als Münchener Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetages – und wohl auch als SPD-Spitzenkandidat für die bayerische Landtagswahl – seinen Gastkommentar im zum Ost-West-Streit um die Kommunalfinanzen und den Nord-Süd-Disput zum Länderfinanzausgleich. Wohlfeil platziert und staatstragend aufgemacht, aber im eigenen Haus(halt) scheint das Münchener Stadtoberhaupt mit anderem Maß zu messen.

Die Münchener SPD möchte in der Isar-Metropole unbedingt eine Matratzen-Maut ermöglichen und mauschelt hierfür am Zahlenmaterial. So moniert Stadtkämmerer Ernst Wolowicz in der Online-Ausgabe der tz die finanzielle Situation der Landeshauptstadt sei „nicht zuletzt wegen der von Bund und Land beschlossenen Steuervergünstigungen so schlecht: Allein durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nehme München jährlich 50 Millionen Euro weniger ein." Und weiter: „Die Interessen der Hoteliers würden hingegen übertrieben geschützt.“

Einem Faktencheck hält das Manöver des Münchener Kämmerers gleichwohl nicht stand:

  • Durch die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes entgehen nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen allen Gemeinden in Deutschland zusammen pro Jahr 19 Mio. Euro an Einnahmen (vgl. Bundestags-Drucksache 17/15, S. 15).

  • Davon entfällt auf die Stadt München (12 Mio. Übernachtungen im Verhältnis zu 394 Mio. Übernachtungen bundesweit) ein fiskalischer Einnahmeausfall von maximal 570.000 Euro pro Jahr.

  • Dem stünden bei einer Bettensteuer von 2,50 Euro pro Übernachtung jährliche Mehreinnahmen für die bayerische Landeshauptstadt in Höhe von 29,25 Mio. Euro gegenüber.

  • München würde also vermeintliche Mindereinnahmen durch den niedrigeren Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie mit dem Faktor 50 überkompensieren!

Völlig zu Recht hat solchen Rechnungskünsten nun auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Riegel vorgeschoben und die Matratzen-Maut für München eingemottet. Doch die bayerische Landeshauptstadt will wohl ausweislich eines Berichtes der Münchener Abendzeitung munter weiter Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen und greift zur eigenen Rechtfertigung tief in die Mottenkiste simpelst gestrickter Neidreflexe.

So rechnet Stadtkämmerer Wolowicz vor, dass sich in München durch die Bettensteuer „etwa fünf neue Kinderkrippen oder ein Viertel Gymnasium bauen“ ließen. Von einer vermeintlichen Kulturförderung oder gar Tourismusmarketing als Verwendungszweck der Mittel ist bezeichnenderweise schon gar keine Rede mehr.

Wer ist es bitte, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Ude, der hier eine gänzlich verfehlte Neiddebatte befeuert?


0 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
27.02.2023 von Markus Luthe
Sisyphos

Überbordende Bürokratie ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen zu einer Existenzfrage geworden. Sie treibt nicht nur die Kosten und hält immer mehr von der Verfolgung der eigentlichen Unternehmensziele ab, es steigt selbst für die Gesetzestreuesten das Risiko staatlicher Sanktionen und Bußgelder durch Unwissenheit und Komplexität. So ist es im Grundsatz zu begrüßen, dass die Wirtschaftsverbände alle Jahre wieder aufgefordert werden, den Regierungen in Bund und Ländern konkrete Vorschläge zum Abbau unnötiger Bürokratie zu unterbreiten.

30.01.2023 von Markus Luthe
Check it

Die Zulassung digitaler Hotelmeldescheine steht buchstäblich seit mehr als einem Vierteljahrhundert auf meiner verbandlichen Agenda. Mein erstes diesbezügliches Forderungsschreiben habe ich am 2. Mai 1997 an das Bundesministerium des Innern gerichtet, als Manfred Kanther (CDU) Bundesinnenminister war... Seitdem haben wir einiges erreicht, doch wirklich überzeugend und praxistauglich sind die mit der Novelle des Bundesmeldegesetzes seit 2020 möglichen digitalen Verfahren des Hotel-Check-ins noch immer nicht.

29.12.2022 von Markus Luthe
Annus horribilis

Das Jahr 2022 war ein erschütterndes Jahr. Sowohl für die Hotellerie, als auch für die Gesellschaft. Einfach zum Abhaken. Die Queen hätte es vermutlich ein annus horribilis genannt. Angesichts der Corona- und Grippewellen, der Rückkehr eines gnadenlosen Vernichtungskrieges nach Europa und der daraus folgenden multiplen Kosten- und Energiekrisen „schenke“ ich mir einen detaillierten Jahresrückblick. Und aus dem Ausblick auf das kommende Jahr halte ich mich gleich ganz heraus. Angesichts der enttäuschenden Erfahrungen mit menschlichem Lernen überlasse ich den Vortritt mal dem maschinellen Lernen.