HotelWiki
Gastblogpost für Tnooz von Markus Luthe zur Online-Distribution
Ein globales HotelWiki als Ausweg aus dem Gefangenendilemma
Die gefühlte Ohnmacht gegenüber den Online-Buchungsportalen treibt die Hotellerie in Europa und weltweit um.
So hat in der letzten Woche Deutschlands Marktführer HRS nicht einmal drei Monate nach Übernahme von Hotel.de, der Nummer 3 im deutschen Markt, die Provisionen um mehr als 15 Prozent erhöht. Zugleich wurden die Stellschrauben im Kleingedruckten der AGBs durch Einführung von Raten- und Verfügbarkeitsparitäten über alle (!) Online- wie Offline-Distributionskanäle beängstigend angezogen.
Wir sprechen nicht mehr „nur“ über eine Last Room Availability, wir sind mit dem jederzeitigen Zugriff auf das volle Hotel-Inventar konfrontiert, einer veritablen Produkt-Parität. Seitdem rumort es vernehmbar in den Diskussionsforen und Chatrooms der Hotellerie. Der Fairness halber sei erwähnt, dass HRS zugleich eine GDS-Anbindung über Amadeus samt Flat fee angekündigt hat.
Diese Demonstration der Stärke eines Buchungsportals und der korrespondierenden Abhängigkeit der Hotellerie wirft grundsätzliche Fragen auf. Wieso hat die Hotellerie diesen für sie negativen Wirkmechanismen der Online-Distribution nichts entgegenzusetzen gehabt und immer einseitigere Buchungskonditionen zu ihren Lasten in den letzten Jahren einreißen lassen?
Die Ursache liegt – zumindest in Europa – in den Marktverhältnissen begründet, wo ein immer enger werdendes Oligopol auf der Anbieterseite einem kleinteiligst strukturierten Hotelmarkt gegenübersteht. In der Folge greifen unfaire Marktpraktiken um sich, gegen die sich das einzelne Hotel kaum noch wehren kann. In der Volkswirtschaftslehre ist dieser Effekt als „Gefangenendilemma“ bekannt.
Wo liegt der Ausweg?
Sicherlich hat jedes einzelne Hotel noch eine Fülle an Hausaufgaben zur Stärkung des Direktvertriebes über die eigene Website zu bewältigen. Die Hotelverbände klären hierüber auf und geben zahlreiche Hilfestellungen zu Buchbarkeit, Hotelbewertungen, Inhalten, Kundenbindung, Kontext und Suchmaschinenoptimierung. Der Aufbau eigener Buchungssysteme der Hotellerie ist angesichts der Marktgegebenheiten und leidvoller Erfahrungen der Vergangenheit aber kaum das Instrument der Wahl, so vielversprechend sich neue Ansätze, wie z.B. der von RoomKey, auch anhören. Und auch Google wird das Heldenepos vom „Weißen Ritter“ nicht auf den Spielplan setzen.
Aber wie können dann mittel- und langfristig die Märkte offen gehalten werden?
Die Hotellerie muss ein vitales Interesse daran haben, Monopolbildung in den immer stärker zusammenwachsenden Märkten der Buchungsmittler, Bewertungsanbieter und Suchmaschinen zu verhindern. Hierfür müssen die Markteintrittsschwellen für Dritte wie Agenturen, App-Entwickler, Buchungsdienstleister, Channel Manager, Online-Händler, Suchmaschinen, branchenfremde Ideenschmieden, Garagen-Start ups und viele denkbare weitere Marktteilnehmer so niedrig wie möglich gehalten werden. So kann realer und latenter Wettbewerbsdruck durch Alternativen erzeugt werden, der dem Abschöpfen von Monopolrenten nachhaltig vorbeugt.
Die Bereitstellung dieses Branchen-Know hows muss als öffentliches Gut verstanden und organisiert werden, dessen Nutzung allgemein zugänglich ist. Warum bauen wir als Hotellerie also nicht mit vereinten Kräften eine umfassende Hoteldatenbank, gleichsam einen weltweiten „HotelWiki“? Dort wären u.a. eine eineindeutige Hotelidentifizierung, Stammdaten, GPS-Koordinaten, Bildmaterial und vor allem Deeplinks zur (unverprovisionierten) Buchungssite eines jeden Hotels gepflegt (!) zu hinterlegen und aufzufinden.
Das Projekt könnte in die Form einer Stiftung gegossen werden. Oder es wird auf bereits bestehende Brancheninitiativen wie Dothotel, HEDNA, HFTP, HTNG, OpenTravel Alliance, RoomKey oder TTI aufgebaut, wie auch immer. Wer es in die Hand nimmt, ist dabei letztlich zweitrangig. Wir benötigen diesen gemeinsamen Kraftakt der Branche – weltweit, unverzerrt, neutral.
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