Hampelei der Dänen-Ampel
Blog von Markus Luthe zur Mehrwertsteuerdebatte
Das Kabinett in Kiel hat in dieser Woche eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsumsätze beschlossen. Die Dänen-Ampel von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) verspricht sich Mehreinnahmen von 15 Millionen Euro und ist sich offensichtlich einer rot-grünen Mehrheit im Bundesrat sicher. Bereits am 21. September soll sich die Länderkammer mit der steifen Brise aus dem Norden befassen.
Da es im Bundestag für diesen Vorstoß keine Mehrheit geben wird, spricht der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagsabgeordnete Ingbert Liebing von einem und die FDP-Bundestagsfraktion nennt den Vorstoß der Dänen-Ampel zurecht eine „populistische Hotelirrfahrt“.
Ausgerechnet aus Schleswig-Holstein kommt ein solcher gegen das Kernanliegen der Branche gerichteter Vorstoß. Ein Land, das wie kaum ein zweites auf den Tourismus als Wirtschaftsfaktor angewiesen ist. Ein Land, das auch aufgrund seiner in die Jahre gekommenen touristischen Infrastruktur stetig Marktanteile verliert. Ein Land, das jetzt das wirksamste Konjunktur- und Infrastrukturprogramm für den Tourismus überhaupt versenkt sehen will. Das Land zwischen den Meeren bedient Populismus auf die platteste Art.
Zu den Fakten:
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Öffentlich wird nach wie vor gerne ein Milliardenausfall für den Fiskus behauptet. Schaut man aber in die im März 2012 veröffentlichten Zahlen der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2010, betrug der tatsächliche Einnahmeausfall für Bund, Länder und Kommunen zusammen 464 Mio. Euro. In der Gesetzesbegründung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes aus dem Jahr 2009 ging man für das Kassenjahr 2010 noch von einem Einnahmeausfall von 805 Mio. Euro aus. Damit wurde der Einnahmeausfall um sage und schreibe 73 Prozent höher veranschlagt, als er sich dann tatsächlich herausstellte.
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Nach den Erhebungen durch DEHOGA und IHA (2010) und durch die Fachhochschule Westküste aus Heide (2012) wurden allein von den jeweils rund 5.000 antwortenden Hotels zusätzliche Investitionen von jährlich mindestens rund 800 Mio. Euro aufgrund der Mehrwertsteuersenkung vorgenommen. Volkswirtschaftliche Zweit- und Drittrunden-Effekte bei Handwerkern und Zuliefererindustrie — und die dadurch induzierte Steuermehreinnahmen — sind hierbei nicht einmal berücksichtigt.
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Laut Bundesagentur für Arbeit waren im September 2011 gegenüber September 2009 — das sind die aktuellst verfügbare Zahlen — in der Hotellerie 14.575 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr eingestellt. Das sind 14.575 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Jobs durch die Bundesratsinitiative aus dem kühlen Norden jetzt akut gefährdet werden!
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Setzt man für einen Arbeitslosen einen Betrag von 20.000 EUR jährlich an, mit denen pro Kopf die Sozialversicherungsträger respektive die öffentlichen Hände im Durchschnitt belastet werden, so erfahren allein die Sozialkassen durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Beherbergung derzeit eine jährliche Entlastung von 291,5 Mio. Euro. Darin sind die Beitrags- und Steuerzahlungen der jetzt erstmals oder erneut Beschäftigten noch gar nicht eingerechnet.
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Und wer weiß, um wie viel positiver die Bilanz noch ausgefallen wäre, hätte die Politik den Hoteliers auch die dringend benötigte Planungssicherheit für die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen gegeben? Tatsächlich aber wurde vom ersten Tag an auf allen politischen Ebenen torpediert, zum Beispiel mit den unsäglichen Matratzen-Mauten — ganz oben mit dabei: Kiel und Lübeck.
Eines belegen die beeindruckenden Zahlen ganz sicher: Unter dem Strich hat sich die europäische Mehrwertsteuerangleichung für die Hotellerie als eine fiskalisch und gesamtwirtschaftlich hervorragende Investition des deutschen Gesetzgebers erwiesen!
Und nun kommt die neue schleswig-holsteinische Landesregierung und diffamiert die Mehrwertsteuerregelung als „Steuerbegünstigung, von der nur wenige profitieren" (Finanzministerin Monika Heinold, Grüne). Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) versucht gar obendrein noch ebenso plump wie sachwidrig einen Keil in die Branchensolidarität zu treiben, wenn Spiegel-Online ihn korrekt mit den Worten wiedergegeben hat: „Die großen Hotelketten kommen auch mit dem normalen Steuersatz zurecht.“
Aber so ganz überzeugt vom eigenen Vorstoß scheint das Kieler Kabinett angesichts der Faktenlage dann auch nicht zu sein. Warum sonst sieht der Wirtschaftsminister ausgerechnet den Bund in der Pflicht, für diesen mutwilligen Landesvorstoß kompensatorisch Maßnahmen zur Auflösung des Modernisierungs- und Investitionsstaus zu finanzieren und macht dies zur Bedingung der Bundesratsinitiative? Nach dem Grundgesetz sind die Länder für den Tourismus und seine Fördertatbestände zuständig. Ein solch oberflächlicher Populismus ist zum Heulen!
Und grundsätzlich: Der Nachteil der Mehrwertsteuersenkung sei laut Landeswirtschaftsminister, dass „Betriebe nach dem Gießkannen-Prinzip gefördert würden“. Hier wolle das Land zukünftig mit „zielgenauen Maßnahmen“ steuern... Maßen sich die Behörden in Schleswig-Holstein wirklich an, besser als der Markt zu wissen, ob der Hotelier in Flachbildschirme oder Fassadenanstrich, in WLAN oder Whirl-Wanne, in Mitarbeiterweiterbildung oder Neueinstellungen investieren soll?
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