Blog von Markus Luthe zum Jahreswechsel vom 30. Dezember 2009
Nicht einmal dem weihnachtlichen Frieden mochten namhafte CDU-Politiker die Mehrwertsteuerdiskussion überantworten und legten über die Feiertage öffentlich Beichte ab getreu dem Motto: „Ich war aber dagegen.“ Zu klar scheint ihnen nicht nur in der veröffentlichten Meinung das Unverständnis der Bevölkerung und zu deutlich die Ablehnung der Volkswirtschaftler zur Mehrwertsteuerreduzierung für Hotels zu sein, als dass sie vom Schlechtreden des eigenen Wachstumsbeschleunigungsgesetzes endlich ablassen würden.
In der Tat hat es seit den Hartz-Gesetzen der rot-grünen Koalition wohl kaum eine so geschlossene mediale Ablehnungsfront gegen eine Gesetzesreform gegeben wie gegen die jetzt in Kraft tretende Änderung des Mehrwertsteuerrechts zugunsten einer durch und durch mittelständisch geprägten Wirtschaftsbranche. Die Gründe sind sicher vielschichtig:
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Die Opposition hatte ein überragendes Interesse daran, gleich bei der ersten schwarz-gelben Gesetzesinitiative die Regierung Merkel-Westerwelle ins Stolpern zu bringen. Der Gegenstand des Anstoßes war eher zweitrangig.
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Bund, Länder und Kommunen hatten noch eine offene Rechnung und justierten nach Bundestags- und Landtagswahlen die Machtverhältnisse und Zahlungsströme föderal neu aus.
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Vor dem Hintergrund der Komplexität des deutschen und europäischen Mehrwertsteuerrechts sind vermeintlich einfache Botschaften wie „Keine neuen Ausnahmetatbestände“ besonders prägnant.
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Beim Thema „Hotel“ kann jeder Bürger aus eigener Anschauung mitdiskutieren, ist Betroffener.
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Die Hotellerie mit ihrer produktbedingten Gratwanderung von Schein und Wirklichkeit eignet sich hervorragend als Projektionsfläche für Neiddebatten.
Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach denn auch umgehend nur noch von , wobei gerade keine andere Unterstützungsmaßnahme für eine Branche strukturneutraler ist als eine Mehrwertsteuersatzsenkung, von der vom Campingplatz über die Ferienwohnung bis hin zum Hotel jeder Betrieb proportional gleich stark profitiert. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen schaltete am 4. Dezember in der Süddeutschen Zeitung gar eine Anzeige zu Nikolaus mit dem Text: „Schwarz-Gelb verteilt Geschenke für Hoteliers und Reiche“.
Diese Debatte wurde von den Medien aus meiner Sicht allzu unreflektiert begleitet, ja vorangetrieben: So druckte die Financial Times Deutschland u.a. am 23. November auf ihrer Titelseite ein Hotelbett samt Totenkopf ab, die Süddeutsche Zeitung grenzte am 2. Dezember unter der Überschrift „Rabatt für die Lust“ höhnisch Hotels von Stundenhotels ab, der Berliner Tagesspiegel kommentierte am 7. Dezember „Wie man sich bettet, so lügt man“ und der Spiegel beschied am 16. November dem Vorhaben „ein bisschen gaga“ zu sein, um nur einige Tiefpunkte der Medienberichterstattung Revue passieren zu lassen.
Die guten Argumente der Branche hatten bei dieser Medienlage keine Chance mehr durchzudringen. Sie haben gleichwohl nach wie vor ihre Berechtigung: Die deutsche Hotellerie steht in einem sich stetig verschärfenden internationalen Wettbewerb, denn durch den gemeinsamen Binnenmarkt, die offenen Grenzen (Schengen-Abkommen), den Euro-Währungsraum und die allgemein gesunkenen Mobilitätskosten (Infrastruktur, Billigflieger, Hochgeschwindigkeitszüge) sind die Reise-Destinationen in Europa enger denn je „zusammengerückt“. Wie kann es die Politik da zulassen, dass über die Höhe des Mehrwertsteuersatzes ein fairer internationaler Leistungswettbewerb untergraben wird?
21 von 27 EU-Staaten (darunter mit Ausnahme Dänemarks alle Nachbarstaaten Deutschlands) wenden für ihre Hotellerie wie selbstverständlich reduzierte Mehrwertsteuersätze an. Österreich zum Beispiel hat den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen – von derzeit 10 Prozent – bereits im Jahr 1973 eingeführt. So profitierten unsere österreichischen Freunde 36 Jahre lang von einem fast 10 prozentigem Mehrwertsteuervorteil gegenüber dem Endverbraucher, der bei vergleichbarem Preisniveau – denn schließlich bilden sich Preise immer noch an Märkten – die wirtschaftliche Substanz und die personelle Ausstattung ihre Betriebe deutlich gestärkt hat. Die Reaktion der österreichischen Kollegen auf den Wegfall des Wettbewerbsvorteils fällt entsprechend heftig aus.
A propos Preise: Heute hat die Bundeszentrale der Verbraucherschutzzentralen medienwirksam die Hotellerie aufgefordert, die Mehrwertsteuersatzsenkung – gegen die sich übrigens selbst vehement ausgesprochen hat – „in großem Umfang an die Kunden weiterzugeben“. Diese Billig-Botschaft predigt sie einer Branche, die im ablaufenden Jahr laut Benchmark-Zahlen von STR Global bereits einen durchschnittlichen Preisrückgang um 8 Prozent und ein Minus bei der Zimmerauslastung von 6 Prozent hinnehmen musste. Weitere Preissenkungen als Allheilmittel aus der Wirtschaftskrise? Professoren der renommierten Cornell University haben der Branche diesbezüglich schon mehrfach vorgerechnet: „Why discounting still doesn’t work“. Was soll also bitte verwerflich sein an betriebswirtschaftlich dringend gebotenen Investitionen in ein noch attraktiveres Preis-Leistungs-Verhältnis? Gäste, Mitarbeiter sowie Handwerker und Zulieferer werden von der souveränen Entscheidung jedes einzelnen Hoteliers profitieren und das Wirtschaftswachstum wird hier in Deutschland wirksam angekurbelt.
Aber wer hört schon auf Sachverständige und professoralen Rat? Nicht einmal wenn ein angesehener Finanzprofessor via Bild-Zeitung („Experte warnt: So werden Hotels den Fiskus prellen“) Steuerausfälle von bis zu 3 Milliarden Euro pro Jahr prognostiziert. Das muss allerdings bei so einem Humbug auch niemanden wundern, denn alle Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Campingplätze, Ferienhäuser und Ferienwohnungen zusammen haben laut aktuellen Angaben des Statistisches Bundesamtes (Fachserie 14, Reihe 8, 2007) in Deutschland bei Geltung des 19%-Satzes rund 3,4 Milliarden Euro Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Wo soll sich da bei Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf 7% ein 3 Milliarden-Loch auftun?
Und natürlich werden in der Endabrechnung die Mindereinnahmen für den Fiskus auch nicht die 945 Millionen Euro betragen, die in der Gesetzesbegründung stehen. Denn die sind „haushalterisch“ ohne jeden Effekt auf Übernachtungen, Löhne, Beschäftigte oder Investitionen in Hard- und Software gerechnet, aber eben nicht gesamtwirtschaftlich.
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