In der Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel schallt mir gelegentlich schon mal ein schulterzuckendes entgegen. Aber hätten Sie vermutet, dass auch die Online-Kaufleute der Buchungsportale von dieser argumentativen Zahlenschwäche befallen sein könnten? Doch dieser Eindruck drängt sich einem mit Blick auf eine Veröffentlichung des europäischen GDS- und OTA-Verbandes ETTSA aus der vergangenen Woche geradezu auf.
Eine von ETTSA finanzierte Studie der Londoner Analysefirma Infrata Ltd. zu Kosten der Hoteldistribution mündete in die Schlagzeile „Direktbuchungen sind nicht billiger für Hotels als Portalbuchungen“. Die Studie habe datengetrieben und faktenbasiert nachgewiesen, dass nur ein marginaler Unterschied von 0,03 % im Netto-Ergebnisbeitrag von Direktvertrieb (80,92 €) und dem indirekten Vertrieb über elektronische Mittelsmänner (80,94 €) bei einem durchschnittlichen Zimmererlös von 112,00 € bestehe. Auf den ersten Blick ist man ob solch akademischer Fleißarbeit und Aussagenpräsizision geneigt, einfach nur beeindruckt Wow zu sagen.
Doch dann beschleichen den gesunden Menschenverstand Zweifel: Können sich wirklich weltweit Abertausende von Hoteliers in einer solch wichtigen Frage systematisch und noch dazu so erheblich irren? Müssten die Hoteliers ihre eigenen Kostenstrukturen und individuellen Märkte nicht eigentlich besser kennen? Bislang bezifferte beispielsweise HEBS Digital die Kosten des Direktvertriebs der Hotels mit lediglich 4,5 %. Mein Eindruck ist, dass bei den online versierten deutschen Hotels die Kosten des Eigenvertriebs um mindestens ein Fünftel bis ein Drittel unter denen des günstigsten Fremdvertriebs liegen. Da wäre also noch mehr als reichlich Vorteilhaftigkeits-Luft nach oben zu den 15 % - 25 % Prozentpunkten Kommission, die Hoteliers für jede Buchung an die OTAs abdrücken müssen.
Ist die vermeintlich objektive ETTSA-Studie von Infrata Ltd. also unseriös? Max Starkov scheint dies jedenfalls so zu sehen und stuft die Auftragsarbeit als „Voodoo-Wissenschaft“ ein.
In der Tat offenbart die Untersuchung schon auf den zweiten Blick so gravierende systematische Mängel in den Annahmen, dass sich Zweifel an der Methodik und Ergebnisoffenheit der Infrata-Studie - und den ETTSA-Schlussfolgerungen daraus - geradezu aufdrängen.
Die Analysten von Triptease haben sich die kritischen Modellannahmen der Studie einmal genauer angesehen:
Und überhaupt: Ich halte es generell nicht für sachgerecht, die Fixkosten für die Herstellung der Buchungsbereitschaft über die eigene Website in ein solches Kostenvergleichsmodell einzubeziehen. Für mich sind diese Ausgaben eines Hotels unabdingbare Investitionen in die eigene unternehmerische Freiheit, um sich nicht in völlige Abhängigkeit von Intermediären und deren nach oben offenen Kommissionsspiralen zu begeben. Sie können deshalb nicht zur Disposition stehen und sind in diesem Kontext entscheidungsirrelevant und somit herauszurechnen.
Unter Würdigung dieser dürftigen wissenschaftlichen Basis der Infrata-Studie muss das Veröffentlichungs-Getöse von ETTSA dann nur noch diffamierend und mehr als befremdlich wirken: „Es scheint, dass der Hauptanreiz für Hoteliers, Direktbuchungen zu fördern, darin liegt, Transparenz und Vergleichbarkeit für Verbraucher zu reduzieren, und den Wettbewerb zwischen Hotels einzuschränken. ...“
Sei der erste der kommentiert
Kommentar hinzufügen