Die Europapolitik hat im deutschen Bundestagswahlkampf keine Rolle gespielt. Hier hat nicht nur der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten eine einmalige Profilierungschance leichtfertig liegen gelassen. In Zeiten historischer Umbrüche in Europa nimmt ausgerechnet Deutschland in der Zukunftsdebatte noch nicht die vorwärtsgerichtete Rolle an, die auch seine europäischen Nachbarn und Freunde von ihm erwarten, allen voran der pro-europäische französische Präsident . Dabei bedarf die Europäische Union gerade in Zeiten des grassierenden Separatismus und Populismus mehr denn je einer ordnungspolitischen Orientierung, Erdung und Neuausrichtung.
Einen krassen Beleg dafür liefert die verfehlte, weil weit über das Ziel hinausschießende Acrylamidverordnung. Der zuständige ENVI-Ausschuss des Europäischen Parlamentes wies gestern einen Ablehnungsbeschluss mit 44:10 Stimmen zurück. Die „Pommes Ampel“ wird demnächst also als neue „Brüsseler Spitzen“-Leistung in einem Atemzug mit der Gurkenkrümmungsverordnung und dem Olivenölkännchenverbot als Menetekel überbordender Regulierungswut genannt werden. Dem Image der Europäischen Institutionen ist das nicht zuträglich – ausgerechnet in Zeiten wie diesen!
Dass sie auch anders kann, beweist die Europäische Kommission auf dem Gebiet der Digitalisierung und erhält hierzu heute hoffentlich auf dem Digitalgipfel in Tallinn auch die Unterstützung der Mitgliedsstaaten. Lassen Sie mich beispielhaft Initiativen der EU-Kommission benennen, die negative Begleiterscheinungen der Plattformökonomie adressieren und bekämpfen, was für unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung von wirklich elementarer Bedeutung ist:
Das Verfahren der EU-Kommission gegen den Preisvergleichsdienst von Google ist übrigens ein hervorragender Beleg dafür, welch langen Atem und wieviel Rückendeckung die Kommission im Kampf gegen die Internet-Giganten benötigt. Im Juni verhängte die EU nach einigem Zögern und jahrelangen Ermittlungen gegen Googles Shopping-Suche eine Rekord-Wettbewerbsstrafe von 2,42 Milliarden Euro und setzte eine Frist bis zum 28. September, das beanstandete Verhalten abzustellen. Just in time gab Google gestern bekannt, dass die Websuche mit integrierter Produktsuche umgebaut werde. Nach Googles Vorstellungen solle das Geschäft mit Produktanzeigen in eine eigenständige Einheit, die aber Teil der Google-Muttergesellschaft Alphabet bleibe, ausgelagert werden. Die neue Firma solle dann mit Konkurrenten auf gleicher Basis um Anzeigenplätze bieten.
Der große Unterschied soll also sein, dass nicht mehr nur Google Shopping in diesen Ergebnissen auftaucht, sondern dass sich auch alle anderen Onlineshops dort einkaufen können. Das war zwar bisher auch schon möglich, aber stets nur über den Umweg von Google Shopping, das wiederum einen Preisvergleich ermöglichte. Für die Onlineshops selbst änderte sich also einiges, für den Endnutzer nicht wirklich etwas. Google Shopping würde in diesem neuen Karussell so wie jeder andere Onlineshop auch die eigenen Anzeigen kaufen und dafür Geld an die Suchmaschine Google zahlen.
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