Der Tag danach
Blog von Markus Luthe zur Online-Distribution vom 1. März 2012
Mit dem heutigen Tag sind Kommissionserhöhungen (HRS +15,4%, Hotel.de +25%) und die höchst umstrittenen neuen AGBs der HRS-Gruppe in Kraft getreten. Ob und wie viele Hoteliers im Zuge der Auseinandersetzungen der letzten Wochen ihre Kontingente heruntergefahren, den Meistbegünstigungsklauseln widersprochen oder die Zusammenarbeit gänzlich beendet haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir haben uns als Hotelverband an Diskussionen um HRS-freie Wochen o.ä. selbstverständlich nicht beteiligt.
Dieser Screenshot ist ausdrücklich kein Fake oder das Ergebnis eines Hackerangriffs auf das Serviceportal von HRS – wohl einfach nur Realität der Kategorie „Shit happens“.
Der Tag danach bietet Gelegenheit, ein Szenario zu entwerfen, wie die Zukunft der Online-Distribution aussehen könnte, wenn eine Glättung der Wogen eintritt:
Bekanntlich haben sowohl das Bundeskartellamt als auch das OLG Düsseldorf in separaten Verfahren vorläufig die Wettbewerbswidrigkeit der von HRS (und allen anderen Buchungsportalen) verlangten Ratenparität festgestellt. Dies deckt sich ausdrücklich mit der Rechtsauffassung des Hotelverbandes und auch wenn HRS nun einseitig und freiwillig , die Meistbegünstigungsklausel bis zur endgültigen Rechtsklärung vorerst gegenüber den Hoteliers nicht zu sanktionieren, steht für mich eines fest: Ein Zurück zum alten System wird es nicht mehr geben!
Aber wie ist dann die weitere Entwicklung? Nach dem Fall der Ratenparität könnten die Buchungsportale versucht sein, ihre Einkaufsmacht in Preisvorteile umzumünzen und jeweils auf Exklusiv-Diskounts zu dringen, auch wenn sie sich ihre Kommissionszahlung damit selbst kürzen. Eine weitere Preis-Spirale nach unten könnte die Folge sein, obwohl der Hotelmarkt in Deutschland im europäischen Kontext ohnehin schon als Schnäppchen-Markt für Hotelübernachtungen gilt. Aber wie wahrscheinlich ist solch ein Szenario in Zeiten massiver Kostensteigerungen, latenter Inflationstendenzen und der doppelt scharfen Klinge des Damoklesschwertes von Mehrwertsteuererhöhung und kommunaler Bettensteuer über jedem Hotelier?
Sollte sich im Laufe der Zeit herausstellen, dass die Kunden die Buchungsportale vermehrt oder vornehmlich dazu nutzen, sich eine (Preis-)Übersicht zu verschaffen, um dann doch lieber direkt auf der Hotelwebsite direkt zu buchen, könnten die Hotelportale ihr Geschäftsmodell teilweise umstellen und Cost-per-Click-Vergütungsmodelle einführen. Ob der Billboard-Effekt wirklich so stark ist, wie von den OTAs gerne behauptet, würde sich dann zeigen und messen lassen.
Oder werden sich gar Nettoratenmodelle mit Null-Provision wie bei den Airlines herauskristallisieren, wo der Leistungsträger dem Weiterverkäufer das Mark-up überlässt und aus Fairnessgründen auf seinen eigenen Vertriebskanälen eine fixe Servicegebühr aufschlägt? Mit einem solchen Modell würde der Konditionenwettbewerb angeheizt – aber nicht auf dem Rücken der Leistungsträger. Bislang haben ähnliche Vertriebsmodelle in der kontinentaleuropäischen Hotellerie allerdings nicht reüssiert.
In dem Zusammenhang sei vielleicht auch ein relativierender, aber wichtiger Blick auf die Online-Buchungsmärkte außerhalb Deutschlands gestattet: So dominant und profitabel die HRS-Gruppe (HRS, Hotel.de, Tiscover) auf dem deutschen Markt auch ist, wird sie dennoch nicht einmal in Europa zu den Top Five gezählt: Der Umsatz von HRS und Hotel.de zusammen machte 2009 (die letzten veröffentlichen Zahlen…) mit 142 Mio. Euro nicht einmal die Hälfte des operativen Jahresgewinns (!) von Priceline/Booking.com (umgerechnet 357 Mio. Euro) aus. Der Priceline-Umsatz erreichte damals 1,77 Mrd. Euro und stieg schon 2010 auf 2,34 Mrd. Euro.
Gestern erreichte mich übrigens außerhalb dieses Zusammenhangs eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu einer vom Ministerium (!) herausgegebenen Vertrags-Checkliste für Tankstellenbetreiber, die ich abschließend in Auszügen zitiere:
„Verbände, die Tankstellenbetreiber vertreten, haben immer wieder auf die wirtschaftlich teils schwierige Lage von Tankstellenpächtern hingewiesen. Als Ursache wird oftmals die vorschnelle Unterzeichnung von Verträgen genannt, die die angehenden Tankstellenbetreiber mit den Mineralölkonzernen eingehen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat deshalb nun eine Checkliste für potentielle Tankstellenbetreiber auf seiner Webseite veröffentlicht. … Staatssekretär Dr. Bernhard Heitzer: „Wer sich vor Vertragsabschluss nicht informiert, kann bitter Schiffbruch erleiden. Die Checkliste erleichtert es potentiellen Betreibern einer Tankstelle, sich vorab umfassend über die Risiken und Erfolgsaussichten des Betriebs einer Tankstelle zu informieren. Ich empfehle allen Tankstellenpächtern, vor Vertragsschluss das Motto ‚drum prüfe, wer sich ewig bindet‘ zu beherzigen.“
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