Der Gipfel
Blog von Markus Luthe zur Mehrwertsteuerdebatte vom 4. Oktober 2010
Mit einigem Interesse ist seitens der Hotellerie der heutige Auftritt des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel auf dem BTW-Tourismusgipfel erwartet worden, weil insbesondere führende Repräsentanten seiner Partei in der Mehrwertsteuerdebatte der letzten Monate für herabsetzende und polemische Äußerungen zur Hotellerie verantwortlich zeichneten. Herr Gabriel war dann erklärtermaßen auch gar nicht erst auf das Einsammeln von Beifall der Zuhörer aus, sondern rechtfertigte ex cathedra allein seine Sicht der Dinge.
Für diesen Akt der Ehrlichkeit ist er zu loben, denn er kontrastiert auffallend zum bisherigen Verhalten seiner Partei, die z.B. im Bundestagswahlkampf 1998 dem Gastgewerbe noch den reduzierten Mehrwertsteuersatz versprach, aber nach der Amtseinführung von Herrn Schröder davon partout nichts mehr wissen wollte.
Keinesfalls darf man Herrn Gabriel aber seine falschen Tatsachenbehauptungen durchgehen lassen, die man ihm in ein offensichtlich schlampig recherchiertes Redemanuskript geschrieben hat und mit denen er dann beim fachkundigen Publikum natürlich nicht punkten konnte. Hier also der Faktencheck der beiden Kernbehauptungen des SPD-Vorsitzenden:
- „Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie beschert den Kommunen einen Einnahmeausfall von 3 Mrd. Euro jährlich und der Bund hätte den Kommunen eigentlich diesen Betrag für ihren unabdingbaren Infrastrukturauftrag ersetzen müssen.“
Fakt ist: Der Einnahmeausfall durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie beträgt in allen Städten und Gemeinden in Deutschland zusammen laut maximal 19 Millionen Euro. Allein die Stadt Köln möchte über das Konstrukt einer „Kulturförderabgabe“ aber schon 21 Millionen für ihren allgemeinen Stadthaushalt einstreichen. Und es ist auch generell nicht redlich, den Eindruck entstehen zu lassen, die Hotellerie leiste über die (reduzierte) Mehrwertsteuer hinaus keinen Beitrag zur Finanzierung kommunaler Aufgaben!
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„Die Bundesregierung versucht, das Problem ungerechtfertigter Ausnahmetatbestände im deutschen Mehrwertsteuersystem nach Europa zu verlagern und dort auf eine Harmonisierung zu warten.“
Fakt ist: Das europäische Mehrwertsteuerrecht ist seit der Steuersatz-harmonisierungsrichtlinie (92/77/EWG) aus dem Jahr 1992 längst harmonisiert und der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Beherbergung ist seitdem in Europa der Regelsteuersatz. Bereits 23 von 27 EU-Mitgliedern wenden ihn heute für ihre Hotellerie an. Ein traditionell starkes Tourismusland wie Österreich hat ihn zum Vorteil der heimischen Wirtschaft beispielsweise schon im Jahr 1974 eingeführt – und denkt auch nicht im Traum daran, ihn wieder zur Disposition zu stellen. Es war gerade mit Blick auf Europa wettbewerbspolitisch dringend geboten, die eigene Hotellerie in Deutschland nicht länger zu diskriminieren.
Zur Ehrenrettung des SPD-Vorsitzenden sei aber ausdrücklich auch notiert, dass er der kompensatorischen Einführung einer „Kulturförderabgabe“ als „Akt reiner Notwehr“ durch seine Parteifreunde in Köln zumindest einen „unangemessenen Umfang“ attestierte und sie in seinem Vortrag in die Nähe der Latrinensteuer des römischen Kaisers Vespasian rückte. Und von dem stammt in diesem Steuer-Zusammenhang bekanntlich der Ausspruch „Pecunia non olet“…
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