Der Affiliate als Affront?

Hotelführer

Markus Luthe / 24.04 2012

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Blog von Markus Luthe zur Online-Distribution vom 24. April 2012

Klarer kann eine Kampfansage kaum sein als die von John Guscic, Geschäftsführer der australischen Online-Buchungsplattform : „The supplier does not have a monopoly on price. We price our hotels as we see fit. We sell at a price I determine.“

Die Headline der TravelTrends zu diesen markigen Sprüchen lautet dementsprechend: „Webjet says it will dictate hotel pricing, not suppliers.“ Deutlicher kann man der Hotellerie die eigene Schwäche im Vertrieb wohl kaum vor Augen führen.

Quelle: www.traveltrends.biz/ttn555-webjet-says-it-will-dictate-hotel-pricing-not-suppliers/

Wenn Sie jetzt denken, was interessiert mich irgendeine Zimmer-Resterampe Down Under, dann geben Sie bei Webjets doch einmal Ihren Städtenamen ein... Im World Wide Web liegt die Konkurrenz halt nur einen winzigen Klick entfernt. Es geht mitnichten um einen einzelnen, im weltweiten Netz wildlaufenenden entfernten Anbieter. Das Affiliate-System der großen Hotelbuchungsportale selbst stellt die eigentliche Herausforderung dar.

Alle großen Online Travel Agents (OTA) bieten solche Affiliate-Programme an. Sie ermöglichen Destinationen, Touristikunternehmen, Transportgesellschaften, Bewertungsanbietern, Reise-Communities u.v.m. ein Hotelbuchungstool im Look & Feel ihrer eigenen Website anzubieten. Manche reichern auch eigene Hotelraten und Verfügbarkeiten mit dem Affiliate-Angebot an. Bis zur Hälfte der von den Hotels vereinnahmten Provisionen treten die Buchungsportale dafür an ihre Affiliates ab. Deren Zahl ist ebenso unüberschaubar wie deren Geschäftsmodelle heterogen sein dürften. Allein HRS verfügt über 6.000 Affiliates und Booking.com über 5.000 solcher Vertriebspartner.

Als Konsequenz hieraus hat das Hotel kaum noch Kenntnis von, geschweige denn Kontrolle über seine Online-Distributionskanäle. Stellte ein Hotel beispielsweise fest, dass Online-Anbieter Z aggressiv Google AdWords auf seinen Hotelnamen schaltet und diesen auch noch SEO-optimiert mit exotischen Top Level Domains garniert, kann es dennoch kaum verhindern, über dieses Portal unerwünschterweise buchbar zu bleiben. Denn selbst wenn es dem Hotel gelingen sollte, dass sein OTA-Vertragspartner A das Hotel bei Z ausspeist, greift halt der nächste Affiliate-Vertrag von Z mit OTA-Partner B und das Hotel bleibt den unlauteren Werbemethoden des Z dennoch ausgesetzt. Ein Hotel kann nicht aus diesem Grund Abstinenz gegenüber allen Online-Buchungsportalen üben.

Aber in der Regel scheitert diese Marktbereinigung schon daran, dass das Hotel nicht einmal Kenntnis von den so agierenden Affiliates erlangt, geschweige denn genügend Einfluss auf seinen Vertragspartner zur selektiven Ausspeisung nehmen kann. Aus diesem Grund werden wir uns bei der in dieser Woche anstehenden Generalversammlung unseres europäischen Dachverbandes HOTREC dafür einsetzen, dass die bisherigen „20 Eckpunkte fairen Verhaltens von Hotel-Buchungsportalen“ um diesen Aspekt ergänzt werden: Das Hotel sollte von seinen Vertragspartnern über alle Vertriebskanäle und potenzielle Affiliates in Kenntnis gesetzt werden und dem Hotel sollte entweder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder im Nachhinein die Möglichkeit gegeben werden, Anpassungen vorzunehmen.

Dieser Affront im Markt stammt allerdings nicht nur aus Sphäre der Affiliates. Die Problemlage ist vielschichtiger. Denn immer wieder kommt es vor, dass Reiseveranstalter-Raten ohne Bündelung zu einer Gesamtreiseleistung als „Rooms only“-Preise frei im Internet verfügbar sind. Über die entsprechenden Schnittstellen führen sie dann via Metasuchmaschinen die Ratenstruktur im Netz betriebswirtschaftlich ad absurdum. Auch hier müssen Hoteliers darauf achten, sich zumindest die gleichen vertraglichen Interventionsrechte wie bei den Affiliates zu sichern.

In unseren aktualisierten AGBs für die Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern schlagen wir daher folgende Klausel vor: „Die vereinbarten Preise gelten ausschließlich im Zusammenhang mit weiteren Leistungen, die dem Endkunden gebündelt in einem Leistungspaket angeboten werden. Sie dürfen nicht als Einzelpreise für einfache Übernachtung (non-packages) in Distributionskanälen (insbesondere Online) dem Endkunden oder Dritten angeboten werden. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, alle seine weiteren Partner und Mittler dieser Klausel ebenfalls zu unterwerfen.


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

office@hotellerie.de
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