Das Geld der Anderen
Blogpost von Tobias Warnecke zum Online-Payment bei Buchungsportalen
Das Wall Street Journal berichtete vor einigen Tagen wie Online-Reiseportale derzeit Millionengewinne durch die Verzinsung der von ihnen eingezogenen Kundengelder machen.
Bei den großen Online-Buchungsportalen wie Booking.com und Expedia hat der Kunde in der Regel die Wahl, ob er direkt an die bzw. in der Unterkunft bezahlt, oder ob er den Reisepreis an das Portal entrichtet. Bei Privatunterkünften erfolgt die Zahlungsabwicklung meist über die Portale, so ist z.B. bei Airbnb die Zahlung ausschließlich an das Portal vorgesehen.
Hier haben die Gäste dann die Möglichkeit zwischen einer Vorauszahlung des gesamten Reisepreises zum Zeitpunkt der Buchung oder einer teilweisen Vorauszahlung des Reisepreises und der Zahlung des Restbetrags kurz vor dem Check-in-Datum zu wählen. Das im Voraus gezahlte Geld geht an das Online-Portal, das es meist erst einen Tag nach dem Einchecken des Gastes an den Gastgeber weiterleitet. Da zwischen der Buchung und dem Check-in Wochen oder Monate vergehen können, verfügen die Onlineportale somit über große Summen an Kundengeldern.
Insbesondere währen der Pandemie führte dies dazu, dass der Cashflow der Buchungsportale positiv war, während den Hotels die Liquidität schmerzhaft fehlte. Mit aktuell weltweit steigenden Zinssätzen erwirtschaften die Portale nun mit den Kundengeldern sogar noch Zinsgewinne in Millionenhöhe und werden so zu einem Nutznießer des Kampfes der Zentralbanken gegen die Inflation.
Über wie viel Geld reden wir?
Airbnb wickelt nach eigenen Angaben jährlich rund 80 Mrd. US-Dollar an Zahlungen von Gästen an Gastgeber ab. Das Unternehmen parkt das Geld auf Bankkonten, in Geldmarktfonds und kurzfristigen Anleihen.
Am 30. Juni 2022 verfügte Airbnb über 7,5 Mrd. US-Dollar an Kundengeldern und Ende September über 4,8 Mrd. US-Dollar, wie aus den Geschäftsberichten hervorgeht. Die Kundengelder auf Portalseite wachsen in der Regel in der ersten Jahreshälfte, wenn die Menschen ihre Reisen buchen, und schrumpfen dann in der zweiten Jahreshälfte, wenn die Menschen ihre Reisen antreten und das Geld an die Gastgeber oder Hotels weitergegeben wird.
Im dritten Quartal 2022 erzielte Airbnb Zinserträge in Höhe von 58,5 Mio. US-Dollar aus eigenen Barmitteln und den Barmitteln seiner Kunden. Das ist zwar nur ein Bruchteil des Gewinns des Kurzzeitvermieters, aber es ist ein deutlicher Anstieg verglichen mit 3 Mio. US-Dollar im dritten Quartal 2021. Airbnb schlüsselt nicht auf, wie viel von diesen Einnahmen aus Kundengeldern und wie viel aus eigenen Barmitteln stammt, Kundengelder machen aber etwa 30 % des Umlaufvermögens des Unternehmens aus. Die Zahlungsvereinbarung des Unternehmens regeln, dass Airbnb Kundengelder anlegen und die Zinsen behalten kann.
Expedia stützt den Großteil seiner Bargeldbestände auf Kundengelder. Das Unternehmen hatte zum 30. September 2022 7,5 Mrd. US-Dollar an Reisegeldern in seiner Bilanz, wie aus dem Quartalsbericht hervorgeht. Expedia gab an, dass es im dritten Quartal 2022 etwa 20 Mio. US-Dollar an Zinserträgen erwirtschaftet hat - eine 10-fache Steigerung gegenüber dem dritten Quartal 2021. Wie Airbnb sagt auch Expedia nicht, wie viel von diesen Einnahmen aus Kundengeldern stammt.
Die Booking Holdings Inc., die anders als Expedia und Airbnb erst seit relativ kurzer Zeit die Zahlungsabwicklung zwischen Gast und Plattform forciert, verarbeitet (bisher) weniger Vorauszahlungen. Das Unternehmen hatte Ende September 2,3 Mrd. US-Dollar an Reisegeldern in seinen Büchern. Der Marktführer unter den Buchungsportalen ist aber derzeit stark bemüht, den Anteil der Zahlungen an das Portal (Online Payment by Booking.com) zu erhöhen.
Generell ist seit einiger Zeit zu beobachten, dass die OTAs mit Hochdruck daran arbeiten, das sog. Agenturmodell (Gast zahlt an das Hotel) durch das Händlermodell (Gast zahlt an das Buchungsportal) zu ersetzen.
Der Wechsel zum Händlermodell scheint unaufhaltsam, umso wichtiger ist es, dass sich die Hotellerie die direkten Auswirkungen dieses Wandels auf die eigene Preis- und Vertriebsstrategie bewusst macht. Vertiefende Informationen zu dem Thema geben auch meine Blogposts Handel im Wandel - Teil I und Handel im Wandel - Teil II.
Neben der Möglichkeit des Undercuttings (Buchungsportale bieten auf „eigene“ Kosten eine Ermäßigung der vom Hotel angegebenen Zimmerpreise an), der besseren Kundenbindung, der leichteren Bündelung von Reiseleistungen und der positiven Zins- und Cashflow-Effekte für die Portale, haben die OTAs darüber hinaus entdeckt, dass sich mit der Zahlungsabwicklung der Kundengelder auch generell sehr gute Zusatzeinnahmen generieren lassen, die (natürlich) von der Hotellerie bezahlt werden müssen.
Booking Holdings hat z.B. im Jahr 2021 extra eine neue interne FinTech-Geschäftseinheit gegründet, in der zukünftig bis zu 400 Finanzexperten arbeiten sollen. Die Einheit fungiert als unabhängiges Unternehmen, das neue Produkte entwickelt, um die Effizienz zu steigern und „potenzielle neue Einnahmequellen“ für Booking zu schaffen.
Für die Zahlungsabwicklung nutzen die meisten OTAs virtuelle Kreditkarten (VCC), um die eingenommenen Gelder an die Hotels auszuzahlen. Bei VCC handelt es sich um kommerzielle Kreditkarten, die von einem Unternehmen ausgestellt werden und daher bei der Abbuchung keine starke Kundenauthentifizierung erfordern. Zudem bedeutet es, dass die Interbankenentgelte, die Hotels an die ausstellende Bank dieser Kreditkarte zahlen, nicht der Regulierung zu Interbankenentgelten (MIF-Regulierung) unterliegen und somit nicht auf ein Maximum von 0,3 % für Privatkunden-Kreditkarten begrenzt sind. Die Kosten für virtuelle Kreditkarten sind somit meist sehr viel höher als bei klassischen Verbraucherkreditkarten. Die VCC-Gebühr bei Booking.com liegt z.B. im Durchschnitt zwischen 2,5% - 3%.
Dass diese hohen zusätzlichen Kosten für die Unterkunftspartner mehr als nur ein Ärgernis sind, muss wohl auch Booking.com gemerkt haben und informierte in der vergangenen Woche seine Hotelpartner über eine neue Auszahlungsmethode, um die Kosten im Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung zu senken.
Unterkünfte, die mit Kreditkarten arbeiten und bisher die Auszahlungsart „Virtuelle Kreditkarten“ genutzt haben, können bei Interesse nun auch auf die Auszahlungsart „Bankauszahlung“ wechseln, die geringere Kosten verursacht als VCC. Die Partner können dabei zwischen einer wöchentlichen oder monatlichen Auszahlung wählen. Wirklich neu ist diese Möglichkeit zwar nicht (ausgewählte Unterkunftspartner können schon länger die Banküberweisung als Auszahlungsmethode wählen), nun soll aber wohl einer breiteren Masse an Partnern diese Möglichkeit gewährt werden.
Doch auch hier entstehen zusätzliche Kosten. Die Gebühren für die Banküberweisungsoption liegen zwischen 1,1% und 1,9%. Warum für eine an und für sich kostenlose Banküberweisung Gebühren anfallen, erklärt Booking.com damit, dass diese Gebühr Kosten abdeckt, die Partner normalerweise für die Abwicklung der Gästezahlungen selbst zahlen würden, einschließlich Chargebacks, Schutz vor Betrug, Maßnahmen zur starken Kundenauthentifizierung (SCA) und Bearbeitungsgebühren.
Die Online-Portale lassen sich die Zahlungsabwicklung somit gut von den Unterkunftspartnern bezahlen, fahren millionenschwere Zinsgewinne mit den eingenommenen Kundengeldern ein und haben zunehmend mehr Kontrolle über die Zahlungsströme zwischen Gast und Unterkunft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Der Fairness halber muss man sagen, dass die Zahlungsabwicklung mit den Gästen besonders für kleinere Unterkunftsanbieter zunehmend komplex und aufwendig geworden ist. Zudem machen Sicherheitsrichtlinien wie der Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) oder die Zahlungsdiensterichtlinie 2 (PSD2) (Online-) Zahlungsprozesse unübersichtlich und vielschichtig, so dass es durchaus legitim sein könnte, dass eine Bearbeitungsgebühr von der Portalen verlangt wird; diese sollte aber angemessen und transparent sein.
Unterkunftspartner sollten daher genau prüfen, welchen Vorteile und welche Nachteile ihnen durch die Teilnahme an den Payment-Programmen der OTA entstehen. Bislang ist die Teilnahme für Hotels zumindest bei Booking.com, anders als bei Airbnb und Expedia, noch optional.
Wenn man die Zahlungsabwicklung über die Portale nutzen möchte oder muss, sollte man zumindest versuchen, die Kosten, so weit wie möglich, zu reduzieren bzw. zu optimieren.
So ist es bei Booking.com z.B. möglich, die nicht erstattungsfähigen Raten bereits zum Zeitpunkt der Buchung und nicht erst einen Tag nach dem Check-in über die VCC zu aktivieren. Laut der FAQ-Seite von Booking.com haben Partnerunterkünfte mit einer nachgewiesenen Zahlungshistorie Anspruch auf ein früheres Aktivierungsdatum. Für die Bankauszahlungsoption ist die frühere Auszahlung von nicht erstattungsfähigen Raten laut Booking.com in Zukunft ebenfalls vorgesehen, jedoch noch nicht implementiert.
Trotz alle Lockrufe der Online-Portale, die Zahlungsabwicklung an sie abzutreten, muss die Hotellerie ein vitales Interesse daran haben, beim Thema Payment strategisch nicht ins Hintertreffen zu geraten, da sonst die ohnehin schon hohe Abhängigkeit von den Online-Portalen weiter zunehmen wird und der Hotellerie wichtige Touchpoints mit dem Gast verloren gehen.
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2 Kommentare
13/02/2023 11:59 von Renate Mitulla / DEHOGA Niedersachsen
Das Ärgernis ist nicht nur, dass die OTAs mit den Geldern der Hotellerie Riesengewinne fahren sondern auch, dass Booking keine Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis erstellt. Die Begründung ist so simpel wie skurril: als Unternehmen mit Sitz in den USA wären sie ja dazu auch nicht verpflichtet. Die Mitarbeiter:innen am Anfang müssen sich daher immer wieder mit den Gästen auseinandersetzen. Das raubt nicht nur Zeit , sondern hinterlässt beim Gast auch immer einen negativen Eindruck, der bedauerlicherweise nicht auf Booking bezogen wird, egal was und wie die Mitarbeiter:innen die Situation erklären. Also wird auch hier der Begriff "Partner der Hotellerie" mehr als strapaziert.
14/02/2023 09:25 von Tobias Warnecke / Hotelverband Deutschland (IHA)
Booking.com regelt in seinen Allgemeinen Lieferbedingungen (ALB) ebenso lapidar wie deutlich, dass der Hotelier (auf Verlangen des Gastes) eine Rechnung ausstellen muss. Und schafft doch selbst „Grenzfälle der Anwendung“, wie z.B. mit Booking.basic…
Booking.com beruft sich stets darauf, „lediglich“ als Mittler zwischen Hotel und Gast tätig zu sein. Spätestens aber seit Booking.com den Zahlungsverkehr zwischen Hotel und Gast abwickelt, ist diese Argumentation eigentlich hinfällig. Booking.com scheint (wie so oft) das Beste aus beiden Welten (Händler und Mittler) für sich zu reklamieren. Partnerschaft geht in der Tat anders.
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