Leider nur die Rute - oder: Ist (D)as (S)chon (A)lles?
Blogpost von Tobias Warnecke zur unzureichenden Umsetzung des DSA und der P2B-Verordnung durch Online-Plattformen
Stiefel putzen, vor die Tür stellen - und am nächsten Morgen steckt darin anstatt Schokolade eine Rute? Dann war wohl jemand nicht besonders artig…
Auch die großen Online-Plattformen und Suchmaschinen müssen sich kurz vor Weihnachten mit einer Rute begnügen. Grund für den Tadel ist die bislang unzureichende Umsetzung der Vorgaben des Digital Services Act (DSA) und der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-Verordnung).
Seit August 2023 gelten in Europa neue Spielregeln für die größten Online-Plattformen (Very Large Online Platforms - VLOP) und die größten Suchmaschinen (Very Large Online Search Engines - VLOSE). Mit dem Digital Services Act (DSA) wurden die digitalen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger der EU geschützt sowie klare Regeln gegen Hassrede und Falschinformation eingeführt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat nun in der Vorweihnachtszeit die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) durch zwölf große Online-Plattformen, darunter auch Booking.com, überprüft. Die Untersuchung zeigt, dass die Plattformanbieter die Vorgaben aus Brüssel bislang nur unzureichend umgesetzt haben. Verbraucher sind somit weiterhin unfairen Praktiken der Portale ausgesetzt.
Der vzbv kritisiert insbesondere, dass:
- die Online-Plattformen weiterhin Dark Patterns, also manipulative Designtricks verwenden, um Verbraucher zu bestimmten Handlungen zu bewegen,
- die Online-Plattformen und Suchmaschinen nicht ausreichend über die Kriterien, nach denen Werbung ausgespielt wird, informieren,
- die vorgeschriebene Kontaktstelle für Nutzer oft nur schwer zugänglich ist,
- die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lang und teilweise unverständlich sind und
- die Option, das Profiling für Empfehlungssysteme zu deaktivieren, schwer zugänglich ist.
Auch im Rahmen der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (Platform-to-Business Regulation - P2B), die bereits seit dem 12. Juli 2020 in Kraft ist, gibt es noch einige Hausaufgaben für die Online-Plattformen zu erledigen. Die P2B-Verordnung zielt darauf ab, eine faire, transparente und vorhersehbare Behandlung von gewerblichen Nutzern durch Plattformen zu gewährleisten, wirksamere Optionen für die Streitbeilegung zu bieten und ein vorhersehbares und innovationsfreundliches regulatorisches Umfeld für Plattformen in der EU zu schaffen.
Die kürzlich erfolgte Evaluierung der P2B-Verordnung durch die Europäische Kommission hat beispielsweise ergeben, dass Booking.com zwar die Transparenz seiner Ranking-Kriterien verbessert habe, indem es eine Liste der wichtigsten Ranking-Parameter in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlichte. Allerdings ist weiterhin unklar, wie die Gewichtung der einzelnen Parameter erfolgt und wie sich Änderungen der Algorithmen auswirken. Zudem kritisierten Business-Nutzer von Booking.com, dass die Plattform die Daten, die für die Berechnung des Rankings verwendet werden, nicht vollständig offenlegt.
Insbesondere die mangelnde Transparenz der Ranking-Kriterien von Online-Plattformen hat negative Auswirkungen für Verbraucher und gewerbliche Nutzer wie Hotels. So können Verbraucher nicht sicher sein, welche Angebote auf Online-Plattformen angezeigt werden und welche nicht. Dies kann zu Fehlentscheidungen führen. Business-Nutzer können hingegen nicht sicher sein, wie sie ihre Angebote optimieren können, um in den Rankings besser platziert zu werden. Dies kann zu Umsatzeinbußen führen.
Darüber hinaus kann die mangelnde Transparenz dazu führen, dass die Online-Plattformen ihre Marktmacht ausnutzt, um die Rankings zu ihren Gunsten zu manipulieren, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt.
Ein besonderes Risiko ist für Hotels zusätzlich, dass Booking.com in seinen AGB die jeweiligen Voraussetzungen für die Suspendierung oder die vollständige Abschaltung von Accounts weiterhin sehr vage formuliert. Der sich hier eingeräumte, ungerechtfertigte Ermessensspielraum kann für das Hotel im schlimmsten Fall die vollständige Trockenlegung seiner digitalen Vertriebskanäle bedeuten.
Rute aus dem Sack
Die Untersuchung der vzbv und die Evaluierung der EU-Kommission zeigen, dass die Umsetzung des DSA und der P2B-Verordnung durch Online-Plattformen bisher unzureichend ist. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass Verbraucher und gewerbliche Nutzer unfairen Praktiken dieser Anbieter ausgesetzt sind.
Die Europäische Kommission und die Bundesregierung müssen nun - bildlich gesprochen - die Rute zücken und Druck auf die Online-Plattformen ausüben, damit diese die gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich vollständig umsetzen. Die Möglichkeiten sind da: Wenn die Big-Tech-Konzerne beispielsweise die Vorgaben des DSA nicht einhalten, können Strafzahlungen von bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes anfallen.
Auf unserem Wunschzettel für‘s nächste Jahr steht zudem die zügige Umsetzung des DSA in nationales Recht durch das Digitale-Dienste-Gesetz und die Einrichtung der Digital Service Coordinators (DSC) als Aufsichtsbehörden, welche ab Februar 2024 vorgeschrieben sind. Dies müssen auch unbedingt mit ausreichendem Personal ausgestattet werden, damit eine schlagkräftige Aufsicht über alle Online-Plattformen sichergestellt ist.
Vielleicht gibt es dann im nächsten Jahr für die Online-Plattformen statt der Rute ja ein Sternchen im goldenen Buch?
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