An den Kragen gehen

Markus Luthe / 19.02 2009

icon min Lesezeit

icon 0 Kommentare

Zurück

Blog von Markus Luthe zur Weiberfastnacht vom 19. Februar 2009

Keine Sorge - eine Krawatte trage ich heute selbstverständlich nur auf dem Archivfoto. An Weiberfastnacht würden mich meine Damen zuhause auch niemals vor die Türe treten lassen, ohne mir buchstäblich an den Kragen zu gehen. Schließlich ist meine älteste Tochter vor dem Verbandsumzug zu Bonner Zeiten noch mit Rheinwasser getauft worden! Sie hat mir in der karnevalistischen Diasporas Berlins aus lauter närrischem Verdruss sogar schon einmal eine Papierkrawatte gebastelt und umgehängt, nur um sie sofort unter martialischem Jubel per Schere gleich wieder schrittweise einzukürzen…

Jetzt scheinen für die Krawatte aber auch außerhalb der fünften Jahreszeit und unabhängig von allfälligen Modezyklen schwere Zeiten anzubrechen: So kolportierte jüngst die New York Times, dass US-Präsident Barack Obama alte Zöpfe strenger Bekleidungsvorschriften im Oval Office abgeschnitten und die Anzug- und Krawattenpflicht im Weißen Haus gleich als eine seiner ersten Amtshandlungen aufgehoben habe. Japan hat sich die Krawatte gar als Klimakiller vorgeknöpft, denn das japanische Umweltministerium macht folgende Rechnung auf: Wenn Nippons Angestellte bei sommerlichen 28 Grad auf legere Kleidung ohne Krawatte und Jackett statt auf klimatisierte Kühlschranktemperaturen in den Büros setzten, ließe sich der CO2-Ausstoß des Landes um 1,4% senken. Die auf die Einsicht folgende Regierungskampagne lautete „Cool biz“ und soll einen kurzärmeligen Mehrumsatz von 4,2 Mrd. Euro in der Bekleidungswirtschaft ausgelöst haben. Vielleicht wirkt ein Krawattenverzicht ja auch gegen die globale Wirtschaftskrise?

Da kann Deutschland sich, äh: sie natürlich nicht hängen lassen. So folgt das Landgericht Mannheim in zwei aktuellen Entscheidungen dem globalen Trend und lockerte die Kleiderordnung für Anwälte: Das Amtsgericht Mannheim hatte im Oktober 2008 einen Anwalt vor Gericht unter Verweis auf eine Rechtsverordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg aus dem Jahr 1976 in einer Hauptverhandlung zurückgewiesen, da er unter seiner geschlossenen Robe zwar einen Anzug und ein Hemd in dezenter Farbe, nicht aber eine Krawatte getragen habe. Der Anwalt hatte sich auch nicht dazu bereit gefunden, eine ihm von dritter Seite angebotene Krawatte anzulegen. Der anwaltlichen Stillosigkeit wurde nun letztinstanzlich seitens des Landgerichts Mannheim unter Verweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stattgegeben, da das Fehlen der Krawatte nicht geeignet gewesen sei, die Würde des Amtsgerichts herabzusetzen.

Alaaf, Helau und na ja, auch: Heijo!


0 Kommentare
Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
Sei der erste der kommentiert

Kommentar hinzufügen

×
Name ist erforderlich!
Geben Sie einen gültigen Namen ein
Gültige E-Mail ist erforderlich!
Gib eine gültige E-Mail Adresse ein
Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Weitere
28.06.2024 von Markus Luthe
Eher Turbo denn Torpedo

Am 6. Juni 2024 hat Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Anthony Collins seine Schlussanträge in der Rechtssache Booking.com (C 264/23) veröffentlicht. Es geht im zugrundeliegenden Fall vor dem Bezirksgericht Amsterdam um Schadensersatzforderungen, die deutsche Hotels mit Unterstützung des Hotelverbandes Deutschland (IHA) von Booking.com für die jahrelange Verwendung kartellrechtswidriger Bestpreisklauseln fordern. Die Stellungnahme von Generalanwalt Collins hat (zu Recht) viel Aufmerksamkeit erregt, und eine Vielzahl von Kommentaren und Zusammenfassungen wurden seitdem veröffentlicht. Den Beitrag „Dutch Torpedo at Work“ von Silke Heinz nehme ich zum Anlass, einige einordnende Anmerkungen aus der Perspektive eines Prozessbeteiligten zu machen und einige Aspekte hervorzuheben, die meines Erachtens eine genauere Betrachtung verdienen.

02.06.2024 von Markus Luthe
Gatekeeper, Green Claims und Kraneburger

Heute in einer Woche haben wir die Wahl, die Europawahl. Und ich mache mir große Sorgen, dass eine geringe Wahlbeteiligung zu einer Destabilisierung der demokratischen Institutionen Europas führen könnte. Auch die Umfragen deuten weiter auf erhebliche Zugewinne populistischer und extremistischer Parteien hin, die äußersten Rechten könnten gar die stärkste Fraktion im Europaparlament stellen. Das Vertrauen darauf, dass diese Gruppierungen in der Regel untereinander so zerstritten sind, dass sie eine Fraktionsbildung schon nicht schaffen werden, ist mir als Brandmauer zu löchrig. Ausgerechnet jetzt, wo sich das Europäische Parlament im Kräftespiel der europäischen Institutionen über die Jahre einiges an Gewicht erobert hat, droht hier der parlamentarische Infarkt, Stillstand und Blockade…

01.04.2024 von Markus Luthe
April, April

Nach drei Corona-bedingten Ausfalljahren, blühten Aprilscherze mit Tourismusbezug im vergangenen Jahr endlich wieder auf. Ich freue mich daher, meine kleine „Tradition“ fortsetzen und die besten Aprilscherze mit Branchenbezug mit einem Ranking-Blogpost gebührend würdigen zu können. Frohe Ostern!