Booking-Fake

Markus Luthe / 07.10 2018

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Blogpost von Markus Luthe zur Online-Distribution

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In den letzten Monaten haben sich Beschwerden von Mitgliedern über gefälschte Buchungen über Online-Portale gehäuft, bei denen die Kontakt- und Kreditkartendaten des vermeintlichen Gastes gefälscht waren.

Wir sind der Sache daher im September mit einer Online-Umfrage unter Hoteliers in Deutschland auf den Grund gegangen, um uns einen Überblick über das tatsächliche Ausmaß des Problems zu verschaffen. Insgesamt haben sich 636 Hoteliers an der Befragung beteiligt, die damit zwar nicht als repräsentativ, aber hinreichend aussagekräftig bezeichnet werden kann.

Von den Umfrageteilnehmern berichteten 77,2%, sie hätten im Jahr 2018 Fake-Buchungen erhalten. Bei 51,4 % der Hoteliers hat die Zahl der gefälschten Buchungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen und nur bei 6,8% abgenommen. Im Durchschnitt erhielten die von einer Zunahme betroffenen Hoteliers 70% mehr gefälschte Buchungen im Zeitraum Januar bis August 2018 als im Vorjahreszeitraum. Das gefühlte Phänomen der zunehmenden Fake-Buchungen ist also ein sehr reales Problem.

Fake-Buchungen verursachen erheblichen Schaden. Zwar lassen sie sich mit detektivischem Spürsinn und einem systematischen Abgleich der Kreditkartendaten (sofern erhoben) entdecken und eindämmen, doch der zusätzliche Aufwand und Ausfälle geht zu Lasten der Hoteliers. Telefonnummern oder Mailadressen zwecks Eigenrecherche erhält der Hotelier von den Portalen ohnehin nicht mehr zur Verfügung gestellt und auch eine simple Vorab-Prüfung der Kreditkartennummern nehmen die Portale nicht vor. Das Problem wird gänzlich auf den Hoteliers abgewälzt.

Schaut man sich an, über welchen Portalanbieter die Hoteliers gemessen an der Zahl der jeweiligen Gesamtbuchungen prozentual die meisten Fake-Buchungen erhielten, wird schnell deutlich, dass die Ursache für diese Zunahme in der Einflusssphäre von Booking.com liegen muss: Booking Holdings benannten 68,4% der Befragten, die HRS-Gruppe 13,4% und Expedia 7,6%.

Fake-Buchungen sind also in erster Linie Booking-Fakes!

Als Gründe für Fake-Buchungen vermuten viele Hoteliers sogenannte „Visa-Buchungen“ aus dem arabischen Raum, China, Indien, Russland usw. Das allein kann allerdings weder die Zunahme im Zeitablauf noch die asymmetrische Verteilung auf Booking.com als Portal hinreichend erklären.

[Der Hotelverband Deutschland (IHA) setzt sich übrigens in der laufenden Debatte um die Neufassung des Europäischen Visa Codes () nachdrücklich dafür ein, Hotelbuchungen als „Nachweis einer Wohnadresse“ generell nicht mehr zuzulassen, weil damit lediglich Falschbuchungen über die Portale generiert werden ohne jedweden Sicherheitszuwachs im Visa-Verfahren selbst. Bislang allerdings ohne nachhaltige Resonanz…]

Wenn Visa-Buchungen als Ursache für die massive Zunahme an Fake-Buchungen wohl ausscheiden, kann eine Erklärung im komplexen und undurchsichtigen Affiliate-Netzwerk liegen, in dem abertausende gewerblicher Partner die Buchungsstrecke von Booking.com mitnutzen, ohne dass dies in irgendeiner Form für den Hotelier an der Buchung selbst erkennbar wäre. Wenn ein solcher Affiliate von Booking „hohl drehen“ und Scheinbuchungen generieren sollte, um von Booking einen Anteil der „fälligen“ Buchungsprovisionen zu erhalten, wäre dies eine plausible Begründung. Aufklären könnte dies sehr leicht Booking.com, doch das Unternehmen mauert hierzu selbst auf Journalistenanfragen.

Mir drängt sich aber noch ein anderer Verdacht für die Ursache auf, der mir plausibel erscheint, sich von außen aber leider ebenfalls nicht beweisen lässt: Booking.com hat irgendwann im Frühsommer dieses Jahres ein Kickback-System eingeführt, das Booking-Kunden für eine erfolgreiche Weiterempfehlung des Hotels an Freunde sage und schreibe 11% der Übernachtungskosten zurückerstattet; die Freunde erhalten obendrein ebenfalls ein Kickback von 11%. Ich befürchte, dass Booking.com seine Kunden hiermit zu Falschbuchungen zu Lasten der „Hotelpartner“ geradezu verleitet. Die Versuchung für den Booking-Kunden muss sehr groß sein, sich erst selber solche Empfehlungslinks an Alias-Adressen weiterzuleiten und dann von eigenen Fake-Accounts sinnlose Buchungen in der Hoffnung zu generieren, dass das schon keiner merke und die Kickback-Provisionen schon fließen werden. Den Schaden trägt definitiv der Hotelier davon.

Nicht nur, falls dies die/eine Erklärung für die zunehmenden Booking-Fakes sein sollte, wäre Booking.com gut beraten, so ein Anreizsystem ohnehin grundsätzlich zu überdenken!


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Geschrieben von
Markus Luthe
Dipl.-Volkswirt / Hauptgeschäftsführer
Hotelverband Deutschland (IHA)

luthe@hotellerie.de
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