Zur Ordnung
Blogpost von Otto Lindner und Markus Luthe zur Corona-Krise

Versprochen, vertröstet, verraten. Statt eines bereits vor Monaten zugesicherten Rettungsfonds soll die Hotellerie als von der Corona-Krise besonders schwer betroffene Branche nun also in einigen Wochen – realistischer dürften wohl Monate sein – gedeckelte, allgemeine Überbrückungshilfe erhalten. Die wird für viele Betriebe nicht nur zu spät kommen, sie fällt mit maximal 150.000 Euro pro Unternehmen auch zu niedrig aus.
Also doch die befürchtete Luftpumpe für die Hotellerie statt der vollmundig ausgelobten Bazooka? Diesen Eindruck legt zumindest ein Vergleich mit den Volumina nahe, mit denen die Bundesregierung Großunternehmen aufgefangen hat: Allein Lufthansa und TUI erhalten zusammen 10,8 Mrd. Euro und damit mehr als doppelt so viel Kredite und Kapitalhilfen wie das gesamte Gastgewerbe mit seinen 223.000 Unternehmen und 2,4 Millionen Beschäftigten (Pi mal Daumen: 1,3 Mrd. Euro Soforthilfe, 2 Mrd. Euro KfW-Darlehen, max. 2 Mrd. Überbrückungshilfe). Gewogen und für zu leicht befunden.
Auf unser völliges Unverständnis stößt aber, dass die Bundesregierung nicht allen Hotels in Deutschland nach dem Grad der Betroffenheit helfen will. Nein, sie selektiert und greift damit ohne Rechtfertigung und Not massiv in den Markt ein. Denn die Überbrückungshilfe soll nicht pro Betriebsstätte, sondern unter Anwendung eines „Konsolidierungsgebots“ nur pro Unternehmen gewährt werden: „Rechtlich selbständige verbundene Unternehmen oder Unternehmen, die im Eigentum oder unmittelbar unter dem beherrschenden Einfluss derselben Person oder desselben Unternehmens stehen, können Überbrückungshilfe nur bis zu einer Höhe von 150.000 Euro über drei Monate beantragen.“
Mit anderen Worten: Die Zufälligkeit der Rechtsform und nicht das Ausmaß der Not soll über Rettung oder Insolvenz entscheiden. Hotelketten mit Franchisepartnern wird geholfen, während unternehmergeführte, mittelständische Hotelketten leer ausgehen. Das ist inakzeptabel.
Den Kollateralschaden und die Ungerechtigkeit dieser Art selektiver Corona-Hilfe will die Bundesregierung nicht sehen und flüchtet sich ins Narrativ, „es werde doch allen geholfen“. Sie verweist die betroffenen Unternehmen an den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, bei dem aber staatliche Eingriffe in das operative Geschäft drohen und der nicht einmal einen Rechtsanspruch auf Unterstützung anerkennt.
Und es sind auch nicht „nur“ mittelgroße Hotelketten gekniffen. Historisch gewachsene mittelständische Unternehmen mit vielleicht ein, zwei Beherbergungsbetrieben und vielleicht zwei, drei gastronomischen Einheiten fällt die Deckelung ohne sachliche Rechtfertigung ebenfalls auf den Kopf.
Hinter vermeintlich europarechtlichen Notwendigkeiten kann die Bundesregierung ihren Eingriff nach eigenem Ermessen in den Markt nicht verstecken, wie das diskriminierungsfreie österreichische Modell des Fixkostenzuschusses belegt. Während Deutschland Milliarden-Schirme aufspannt, die dann wegen des Kleingedruckten gar nicht abgerufen werden können, helfen unsere Nachbarländern ihren Hoteliers viel effektiver und ohne Widerhaken und Fußangeln bei der Betreiberstruktur.
Aber warum will das Bundeswirtschaftsministerium die Überbrückungshilfe partout nicht pro Betriebsstätte gewähren? Angesichts des ohnehin zu knapp bemessenen Deckels können es haushalterische Erwägungen ja angesichts des selbstgewählten Bazooka-Bluff-Maßstabs nicht sein. Will das BMWi als (ehemaliges?) „ordnungspolitisches Gewissen der Bundesregierung“ gar vorsätzlich in das operative Marktgeschehen eingreifen?
Die Bundesregierung wird ihre Hände nicht in Unschuld desinfizieren können. Bundestag und Bundesrat müssen trotz der Beratungen im Schnellverfahren diesen Kardinalfehler im Regierungsentwurf unbedingt noch korrigieren!
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