Gastblog von Haakon Herbst, Präsident der HSMA Deutschland, vom 6. Mai 2011
Der Beitrag erschien als Kommentar zum "Online-Eigenvertrieb der Hotellerie" in der Mai-Ausgabe von . Mehr Informationen zu diesem Thema gibt es auch auf dem HSMA Pricing & Distribution Day am 30. Mai 2011 in Frankfurt/Main.
Immer öfter kommt mir die Hotellerie vor wie das kleine, etwas pummelige und stark bebrillte Mädchen, das wir alle aus unserer Schulzeit kennen und das niemand so richtig mochte, obwohl sie nie jemandem etwas getan hatte. Sie brachte uns Süßigkeiten mit, lud uns zum Geburtstag ein – zu dem wir natürlich nicht hingingen, lieh uns ihren Schal im Winter, hatte ein Pflaster in ihrem Täschchen und war immer gut zu uns…
Und trotzdem mochten wir sie nicht, und niemand wollte in den Verdacht kommen, mit ihr befreundet zu sein. Stattdessen machten sich zunächst einige und nach und nach alle einen Sport daraus, die kleine – nennen wir sie Angelika – zu drangsalieren, zu benachteiligen und ihre Gutmütigkeit und Einfalt immer mehr auszunutzen.
Hier setzt mein Vergleich an. Die Hotellerie ist immer und überall für jeden da – wir kümmern uns, wir laden ein, wir sind höflich, nahezu devot und bewahren fast immer unsere gute Kinderstube…
In der Zwischenzeit hat das nun auch der letzte Marktteilnehmer mitbekommen und nutzt die Einfalt der Branche immer weiter aus. Die Beispiele hierfür sind vielfältig: Sie beginnen bei dem scheinbar harmlos anmutenden Disagio für eine weitere Kreditkarte, ohne die wir ja sonst keinen Tagungsumsatz mehr machen werden, gehen über internationale Gutscheinhändler wie daily deal und Groupon, die uns für einen 50-prozentigen Nachlass aus purer Nächstenliebe unsere Restkapazitäten verkaufen wollen und enden leider auch bei missverständlich aufzufassenden Widget-Angeboten, die von teilweise auch honorigen Partnern unter das unwissende Volk gebracht werden.
Leider realisiert die Branche häufig zu spät, das zwei und mehr Prozent Disagio vom Tagungsumsatz eben nicht einfach nur zwei Prozent sind, die wir zum Wohle unseres Kunden (der ein besseres Reporting braucht) ausgeben. Nein, zwei Prozent weniger bei einem Gesamtbetriebsergebnis von acht Prozent machen rechnerisch gelöscht schnell auch mal 25 Prozent aus. Ebenso verhält es sich bei den drei Prozent Provision für die Widgets: Auch hier sollte der Kaufmann im Hotel in aller Ruhe nachdenken, kalkulieren und dann entscheiden.
Es gibt immer Pro- und Contra-Gründe, man sollte diese nur kennen und sich nicht einfach blind und gedankenlos mitreißen lassen. Denken wir an die kleine Angelika und ihre Gutmütigkeit – heute, Jahre später, wissen wir, dass wir sie hätten schützen müssen und schämen uns vielleicht sogar für unsere fehlende Zivilcourage und unser gedankenloses Handeln mit den Worten: Wir waren Kinder!
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