Reiserecht

13.10.2021

Urteil zur Reisepreisrückzahlung für bereits unter Corona gebuchte Reise

Die Co­ro­na-Pan­de­mie recht­fer­tige nicht jeg­li­chen Rück­tritt von allen Pau­schal­rei­sen zu jedem Zeit­punkt ohne An­fall von Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen, so das AG München in seinem Urteil vom 15.06.2021 - 113 C 3634/21. Das gelte vor allem, wenn die Reise be­reits unter Co­ro­na ge­bucht wurde, wie das Amts­ge­richt Mün­chen fest­hält. Ent­schei­dend seien die Um­stän­de des Ein­zel­falls. So könne ein sprung­haf­ter An­stieg der Co­ro­na-Neu­in­fek­tio­nen im Rei­se­land, mit dem nicht zu rech­nen war, zum Rück­tritt be­rech­ti­gen, ohne dass der Rei­se­ver­an­stal­ter einen An­spruch auf Ent­schä­di­gung hätte.

In dem Fall, den das AG München zu entscheiden hatte, buchten die Kläger im Juni 2020 eine Mittelmeerkreuzfahrt bei der Beklagten. Vom 24.11.2020 bis 05.12.2020 sollten mehrere Städte im Mittelmeerraum angelaufen werden. Mitte Juli 2020 und am 18.09.2020 teilte die Beklagte coronabedingte Änderungen an der Reise mit, die nur verkürzt und zu einem reduzierten Preis durchgeführt werden könne. Dies akzeptierten die Kläger jeweils. Am 06.11.2020 änderten die Kläger jedoch ihre Meinung und teilten der Beklagten mit, die Reise sei für sie aufgrund des erhöhten Infektionsgeschehens nicht durchführbar. Sie baten um kostenlose Stornierung. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, erklärten die Kläger am 12.11.2020 den Rücktritt und verlangten den Reisepreis zurück. Die Beklagte stellte Stornogebühren in Höhe von 90% des Reisepreises in Rechnung.

Die Kläger trugen unter anderem vor, ganz Italien sei ab dem 08.11.2020 als Risikogebiet eingestuft und eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes erlassen worden. Sie hätten sich nach der Rückkehr nach Hause auch in eine mindestens fünftägige Quarantäne begeben müssen. Dies sei zum Zeitpunkt der Buchung nicht voraussehbar gewesen. Einer der Kläger gehöre aufgrund Diabetes zur Risikogruppe. Die Beklagte führte aus, dass die Kläger die Reise während der Pandemie gebucht und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko billigend in Kauf genommen hätten. Sie hätten mit einer herbstlichen Verschlechterung der Infektionslage rechnen müssen.

Das AG München gab der Klage auf Rückzahlung des Reisepreises zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten statt.

Allein die Tatsache der Pandemie reiche nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen. Es kommt vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Es ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise, ausgehend vom Zeitpunkt des Rücktritts, erheblich beeinträchtigt sein wird. Abzustellen ist auf die Sicht eines objektiven Durchschnittsreisenden. Bloße Unwohl- und Angstgefühle des Reisenden reichen nicht aus.

Abzustellen ist darauf, ob zu den zum Zeitpunkt der Buchung bekannten Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt des Rücktritts, zu dem die Prognoseentscheidung zu treffen war, weitere Beeinträchtigungen hinzugetreten sind. Denn die bereits bei Buchung bekannten Beeinträchtigungen haben die Kläger durch die Buchung akzeptiert, weitere jedoch nicht.

Zum Zeitpunkt der Buchung habe es in Italien gerade einmal 3,8 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner gegeben. Auch bei der letzten Buchungsbestätigung der Kläger am 18.09.2020 habe die Inzidenz nur bei 16,3 gelegen. Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes habe es dementsprechend nicht gegeben. Zum Zeitpunkt des Stornierungswunsches am 06.11.2020 habe Italien eine Inzidenz von 345,8 gehabt. Mit dieser massiven Verschlechterung hätten die Kläger zum Zeitpunkt ihrer letzten Buchungsbestätigung am 18.09.2020 nicht rechnen müssen, so das AG München weiter. Zwar sei ein Anstieg der Infektionszahlen im Herbst von Wissenschaftlern prognostiziert worden. Damit, dass der Anstieg trotz aller Maßnahmen so rasant erfolgen würde, habe jedoch weder der Großteil der Bevölkerung noch die Politik gerechnet. Ein Anspruch der Beklagten auf angemessene Entschädigung bestehe daher nicht. Vielmehr habe die Beklagte den Reisepreis zurückzuzahlen.

Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung rechtskräftig.

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